Bonnerin in Italien spendet 140 Olivenbäume für das Weihnachtslicht

CASTRIGNANO DEI GRECI/BONN · „Mein Testament!“ - Mit diesen beiden Worten, akkurat von Hand geschrieben, beginnt ein ungewöhnlicher Brief, der im vergangenen Herbst im Weihnachtslicht-Büro einging.

 Bernd Leyendecker (Mitte) und Hans-Dieter Weber besuchen Helga Colazzo-Ockenfels in ihrer italienischen Heimat Castrignano dei Greci.

Bernd Leyendecker (Mitte) und Hans-Dieter Weber besuchen Helga Colazzo-Ockenfels in ihrer italienischen Heimat Castrignano dei Greci.

Foto: Hans-Dieter Weber

Absender war eine gewisse Helga Colazzo-Ockenfels aus Castrignano dei Greci in Apulien, an der Stiefelspitze Italiens gelegen.

Wenige Zeilen weiter war dann zu lesen: „Das Geld von Haus und Land… vermache ich zur Hälfte: General-Anzeiger Bonn-Germania (Weihnachtslicht!), Zweite Hälfte: … .“ Wer ist diese Frau? Welche Verbindung hat sie nach Bonn, zur GA-Hilfsaktion? Nach einigen freundlichen Telefongesprächen stand fest: Wir besuchen die 74-Jährige in ihrer Wahlheimat.

Wir das sind der Weihnachtslicht-Ehrenvorsitzende und Vorsitzende der Weihnachtslicht-Stiftung, Hans-Dieter Weber, sowie der Autor dieses Artikels, der Vereins-Vorsitzende Bernd Leyendecker. Aus den Telefonaten sowie einem Brief hatten wir bereits einige Informationen erhalten. „Ich bin ein bönnsches Mädchen“, rief sie fröhlich in den Hörer. „Ich bin 1942 in Poppelsdorf geboren, in Kessenich aber aufgewachsen.“

Dort, am Rheinweg, hatten ihre Eltern eine Metzgerei. Als sie zehn Jahre alt war, schickten ihre Eltern sie ins Internat auf die Insel Nonnenwerth. Fünf Jahre später, nach einem Autounfall, bei dem ihre Mutter schwer verletzt wurde, musste sie die Schule verlassen: „Ich musste im Geschäft mithelfen.“ Damit war zugleich ihr Wunsch, Tierärztin zu werden, hinfällig geworden.

Jahre später ging sie in die Schweiz, heiratete, bekam drei Töchter. Doch die Ehe scheiterte. In der Alpenrepublik lernte Helga Ockenfels dann Salvatore Colazzo kennen, mit dem sie 1988 auf den Bauernhof seiner Eltern südlich von Brindisi zog.

Italienischer Likör für die Gäste

Dort treffen wir sie nun: Eine weißhaarige, charmante, zugleich aber auch durchaus resolute Dame, die uns herzlich begrüßt – in akzentfreiem Bönnsch. Um uns herum wuseln diverse Tiere: zwei Hunde, Bello und Rex („die verstehen nur Deutsch“), sowie zahlreiche Katzen: „Hier kommen immer wieder neue dazu; die mögen das hier.“ Vor dem weiß getünchten, langgestreckten Gebäude rostet ein alter roter Golf vor sich hin, den ihr einst ihr Vater geschenkt hatte: „Das sind noch Erinnerungen an früher.“ Bevor sie uns stolz ihre Latifundien samt großem Olivenhain zeigt, bittet sie uns in ihr Haus.

Langsam, nur mit Hilfe eines Rolli kommt sie voran. Sie bietet uns einen italienischen Kräuterlikör an – „den habe ich extra für Sie gekauft“ – doch die Flasche bleibt ungeöffnet. Ihre Wohnung gleicht einem kleinen Heimatmuseum: Mehr als 50 gerahmte Fotos von Familienangehörigen und Freunden hängen an den Wänden, Bilder von Bonn und ihrer neuen Heimat – und zwei GA-Artikel aus den Jahren 1994 und 1997, auf denen auch sie zu sehen ist.

Seinerzeit gab der GA zum Jahreswechsel jeweils die Beilage „Brücken in die Welt“ heraus, die Berichte von Leserinnen und Lesern enthielt, die längst „fern der Heimat“ leben. Und Helga Colazzo-Ockenfels hatte sich an der Aktion beteiligt und unter anderem über ihr Schwein „Susi“ berichtet, das sie liebevoll in einem Schuppen neben dem Hof hielt.

Nun freut sie sich über die Geschenke, die ihr die Bonner wunschgemäß mitgebracht haben: Schwarzbrot aus der Kessenicher Kult-Bäckerei Pesch, Gummibärchen von „gleich nebenan“ (sprich: Haribo) – und Aufkleber vom Bonn-Kussmund und dem 1. FC Köln. Außerdem noch Paul Zurniedens „Bonner Geschichte(n)“ und dazu einen Bonn-Bildband sowie ein Album mit aktuellen Fotos aus Kessenich.

GA-Lesen in Apulien

Und sie kommt ins Erzählen, Erinnerungen werden wieder wach. „Der General-Anzeiger lag zu Hause täglich auf dem Frühstückstisch“, sagt sie. „Von daher bin ich auch mit dem Weihnachtslicht groß geworden.“ Daran hat sich bis heute kaum etwas geändert. Denn sie bezieht auch in Castrignano die Samstag-Ausgabe des General-Anzeigers, und Spenden an die GA-Hilfsaktion sind nach wie vor für sie eine Selbstverständlichkeit. Weitere Nachrichten aus der Region Bonn erfährt sie zudem via TV – wobei die WDR-Lokalzeit ein Bestandteil ihres Tagesablaufs ist.

Liebevoll erzählt sie von ihren Mann Salvatore: „Der war sehr fleißig und hat hier neben den Oliven auch Tomaten gezüchtet und verkauft.“ Und in welcher Sprache haben sie miteinander kommuniziert? Man glaubt es kaum: In Schwyzerdütsch! „Salvatore sprach schlecht Deutsch und ich ein schlechtes Italienisch; in Schwyzerdütsch hat das jut geklappt“, sagt sie und lächelt dabei verschmitzt.

Und dann gibt sie einen Schlüssel mit der irritierenden Anmerkung: „Holen Sie doch schon mal bitte meinen grünen Ferrari aus der Garage.“ Ferrari? Für die arg gehbehinderte und mittlerweile auf tägliche Betreuung angewiesene Signora hat ihr elektrisch betriebenes Wägelchen mit Sicherheit einen so hohen Stellenwert wie der echte Bolide aus Maranello für Sebastian Vettel. „Damit bin ich noch recht mobil, kann übers Land, zum Einkaufen und auf den Friedhof fahren“, sagt sie, setzt sich behutsam auf den Sitz, zieht den Gashebel – und nach wenigen Minuten stehen wir inmitten eines großen Olivenhains: 280 eindrucksvolle, knorrige Bäume neben jungen Pflanzen, die ihr Salvatore gesetzt hat. Die Ernte der Oliven sowie deren Verarbeitung zu erstklassigem Öl hat sie längst in fremde Hände gegeben.

In Bonn verdient, für Bonner vererben

Und dann kommt sie aufs Weihnachtslicht zu sprechen. Nach dem Tod ihres Mannes vor vier Jahren habe sie „Ordnung“ machen wollen – ihr Elternhaus am Rheinweg verkauft, mit ihrem Anwalt gesprochen und ein Testament gemacht. Und warum die überaus großzügige Geste gegenüber dem Weihnachtslicht? Ihre Erklärung rührt einen: „Mein geerbtes Geld ist in Bonn verdient worden – und es soll auch wieder nach Bonn zurückkommen. Und das Weihnachtslicht kenne ich; da bekommen die richtigen Leute das Geld.“ Ob sie jetzt ihre Masseria (Bauernhof) verkauft und in ein Altenheim zieht oder sie so lange, wie's ihre Gesundheit zulässt, noch auf dem Hof bleibt – diese Entscheidung hat sie noch nicht getroffen.

Fest steht für die 74-Jährige indes, dass sie nicht in ihre Heimatstadt, in der sie zuletzt vor 20 Jahren war, zurückkehrt: „Das schaffe ich gesundheitlich gar nicht; außerdem kenne ich da ja kaum noch jemanden.“

Wichtig ist ihr zum Abschluss unseres Besuchs der Gang/die Fahrt mit ihren Bonner Gästen zum Friedhof, der in Sichtweite ihrer Masseria liegt. Nachdenklich hält sie ihren Elektro-Rollstuhl vor dem Grab ihres Mannes an, bittet uns, die frischen Blumen zu kürzen, die jemand in die Vase gestellt hatte: „Die verdecken doch den halben Grabstein!“ Nach einer Weile sagt sie leise, ganz gelassen, keineswegs traurig: „So, jetzt wisst Ihr auch, wo meine letzte Ruhestätte ist.“

So ging unser (privat finanzierter) Besuch bei einer bemerkenswerten Dame aus Kessenich zu Ende. Ein beeindruckender Besuch – einzigartig in der 64-jährigen Geschichte der GA-Hilfsaktion.

Grazie mille, Signora Helga Colazzo-Ockenfels. Und – ach ja: Das Weihnachtslicht wartet gerne noch viele, viele Jahre auf den Erbfall...

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