Digitalgipfel in Dortmund Peter Altmaier stellt europäisches Cloud-Projekt vor

Berlin · Auf dem Digitalgipfel in Dortmund stelle Peter Altmaier eine europäische Datenplattform namens Gaia vor. Sie soll Unabhängigkeit von USA und China garantieren.

Peter Altmaier (CDU), Bundesminister für Wirtschaft und Energie, stellte auf dem Digital-Gipfel 2018 in Dortmund seine Pläne für eine europäische Datenplattform vor.

Peter Altmaier (CDU), Bundesminister für Wirtschaft und Energie, stellte auf dem Digital-Gipfel 2018 in Dortmund seine Pläne für eine europäische Datenplattform vor.

Foto: dpa/Daniel Karmann

Der Name klingt geheimnisvoll und romantisch. Als Buchtitel würde er gut in die Esoterik- oder die Ufo-Ecke passen. Doch „Gaia-X“ ist ein ernstgemeintes Programm des Bundeswirtschaftsministers. Peter Altmaier will damit die europäischen Firmennetze auf eigene Füße zu stellen. „Wir wollen Abhängigkeiten reduzieren“, so fasst es Altmaiers Positionspapier zusammen. Er wollte es am Dienstag auf dem Digitalgipfel in Dortmund vorstellen. Doch dann war der Minister gleich nach der Eröffnungsrede von der Bühne gestürzt. Er musste sich zunächst im Krankenhaus behandeln lassen.

Ohne das persönliche Gespräch mit dem Minister fehlt jedoch ein entscheidender Hinweis auf die Motivation hinter dem Vorstoß. Der vorliegende Entwurf für eine europäische Digitalpolitik nennt die entscheidenden Rivalen nicht beim Namen. Doch es ist klar, wen Altmaier hier im Sinn hat: Die beiden größten Volkswirtschaften USA und China dominieren mit ihren gigantischen IT-Firmen auch das Geschäft mit der Speicherung und Weiterleitung von Daten der deutschen Unternehmen. Und damit das Nervensystem der künftigen Produktionsweise. Das Problem werde aktuell durch die Handelskriege verschärft, steht in dem Konzept zu „Gaia-X“.

Die Sorge des Ministers ist berechtigt. Die Wirtschaftsmächte im Osten und im Westen der Weltkarte dominieren einerseits das Geschäft mit den Daten, andererseits zeigen sie sich zunehmend dreist und unfreundlich im Umgang damit. Altmaier will nun ein Gegenmodell schaffen: „Wir verstehen das Projekt Gaia-X als Wiege eines offenen digitalen Ökosystems, in dem Daten sicher und vertrauensvoll verfügbar gemacht werden.“ Für europäische Bürger und Firmen gelten dann europäische Gesetze. Der Weg dahin: Die Förderung und Stärkung von Anbietern in der EU. Staatlicherseits will Altmaier dann ein eigenes Netz dazwischen spannen. Die Firmen werden nach Altmaiers Vorstellung dann zu „Gaia-X-Knoten“.

Selbstfahrende Laster im „Internet der Dinge“

Altmaier will die europäische Wirtschaft damit auf den Wandel in den kommenden Jahren vorbereiten. In der schönen neuen Datenwelt der Zukunft schraubt nicht jedes Unternehmen einzeln mit isolierten Maschinen an seinen Produkten herum. Jedes Einzelteil lebt und kommuniziert. Eine Maschine kann beispielsweise Daten zu jedem hergestellten Werkstück in der Cloud ablegen. „Cloud“ ist dabei ein neumodisches Wort für die Speicherung von Daten in Rechenzentren. Dort kann die ebenfalls angeschlossene Hausbank des Unternehmens auslesen, wie viel die Maschine jeden Monat herstellt, um die Rückzahlung der Kredite nutzungsabhängig anpassen.

Der Rechner des Kunden, für den das Teil bestimmt ist, weiß gleichzeitig, dass es unterwegs ist und kann seine Ankunft im eigenen Werk per Tracking vorhersagen. Die Daten des Qualitätstests liegen ebenfalls in Echtzeit vor. Ändert ein Ingenieur den Aufbau des Endprodukts, können die Maschinen untereinander die nötigen Anpassungen an den Zulieferteilen ausmachen, die der Kunde künftig braucht.

Auch der selbstfahrende Laster, der das Teil ausliefert, ist selbstverständlich im „Internet of Things“ vernetzt. Er kann über Kameras einsehen, dass sich an der nächsten Straßenecke ein Radfahrer nähert und sie entsprechen vorsichtig annähern.. So entsteht den Befürwortern zufolge ein nie dagewesenes Maß an Effizienz und Sicherheit.

Industriepolitischer Eingriff ist überfällig

Zugleich bedeutet die Vision aber: Wer Zugriff auf die Netze hat, weiß alles. Und wer sie sabotieren kann, legt das Wirtschaftsleben lahm. Diese Szenarien erscheinenrealer denn je. „Der Cloud Act, ein Gesetz in den USA, ist ausdrücklich dafür geschaffen worden, um US-Diensten den Zugriff auf Daten zu ermöglichen, die bei amerikanischen Cloudanbietern liegen, auch wenn diese nicht in den USA gespeichert sind“, sagt Olaf Schleichert, Leiter des Data Analytics Institute bei der Unternehmensberatung Deloitte. Der Vorstoß der Regierung sei also absolut sinnvoll.

Cloud steht hierbei für „Clarifying Lawful Overseas Use of Data Act” – es handelt es um ein Spionagegesetz reinsten Wassers. Vor Verabschiedung des Gesetzes im Frühjahr 2018 unter Donald Trump konnten sich amerikanische Firmen wie Microsoft darauf berufen, dass ein Durchsuchungsbefehl nur innerhalb der USA gilt. Nun müssen sie den US-Behörden auf Anfrage auch Daten eines deutschen Unternehmens herausrücken, dessen Daten in Deutschland gespeichert sind. „Viele Mittelständler haben erhebliche Sorge um die Sicherheit ihrer Daten“, sagt Schleichert. „In Europa haben wir Regularien geschaffen, die helfen, den Umgang mit den Informationen sicherer zu machen, als andere es können.“

Doch die Cloud-Marktführer sitzen nicht in Europa. Die weltweite Nummer eins ist hier Amazon mit seiner Rechenzentren-Sparte AWS. Den Analysten des Technikdienstes Gartner zufolge kommen auf den folgenden Plätzen Microsoft, der chinesische IT-Riese Alibaba, Google und IBM. „Die Konsolidierung des Cloud-Marktes führt dazu, dass wir mehr große und dominierende Anbieter sehen“, sagt Marktexperte Sid Nag. „In diesem Geschäft kommt es auf Skalierung an.“ Anders gesagt: Die Größe zählt. Hier zeigt sich ein Schwachpunkt des Altmaier-Vorstoßes. Firmen wie Google, Alibaba oder Amazon kann er nicht einfach herbeibefehlen – doch das Technikwissen dieser Giganten, bei denen Tausende der besten Informatiker arbeiten, ist unschlagbar. Für viele herkömmliche Aufgaben mag ein regionales Rechenzentrum ausgereicht haben. Dort liegen die Daten zwar garantiert in Deutschland. Doch die großen internationalen Anbieter bieten alles aus einer Hand. Sie integrieren die ganze Kette vom Webshop über die vertrauen Büroprogramme bis hin zur Ansteuerung von Werkzeugmaschinen.

Andererseits zeigt das auch, dass ein industriepolitischer Eingriff überfällig ist, wenn Europa nicht reines Opfer der aggressiveren Weltmächte sein will. „Wenn Gaia-X zum Erfolg werden soll, muss die öffentliche Hand eine Vorreiterrolle einnehmen“, sagte Achim Berg, der Präsident des Digitalverbands Bitkom. Auch der konkurrierende Digitalverband Eco unterstützt Altmaiers Ideen. „Europa braucht einen intelligenten Mix an digitalen Infrastrukturanbietern und eine Stärkung des Standorts für die Anbieter“, sagt Verbandschef Oliver Süme.

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