Einsatz von Pheromonen Ahrwinzer bekämpfen Schädlinge ganz ohne Gift

KREISSTADT · Im fünften Jahr arbeiten die Winzer im gesamten Anbaugebiet Ahr bei der Bekämpfung des Traubenwicklers, der große Schäden anrichten kann, Hand in Hand. Und das ganz ohne Gift.

„Wir wollen kein Gift in den Weinbergen.“ So begründeten Winzer am Samstagmorgen ihre Aktivitäten in den Weinbergen der Ahr. In Walporzheim hatte sich eine große Gruppe von Voll- und Nebenerwerbswinzern versammelt, um gemeinsam die diesjährige Pheromon-Aktion rund um das Weindorf durchzuführen. Angesichts des sonnigen Frühlingstages war die Stimmung gut. Bis zum Mittag oder dem frühen Nachmittag sollte alles geschafft sein.

Im fünften Jahr arbeiten die Winzer im gesamten Anbaugebiet Ahr bei der Bekämpfung des gefürchteten Traubenwicklers, einer kleinen Motte, die in den Wingerten große Schäden anrichten kann, Hand in Hand. Ganz ohne Gift. Das gelingt durch den Einsatz von Pheromonen, künstlich hergestellten Sexual-Lockstoffen der Traubenwickler-Weibchen, die den gesamten Weinberg in eine vom Menschen nicht wahrnehmbare Duftwolke hüllen. Weil es überall gleich riecht, finden die männlichen Falter die Weibchen in der Regel nicht, die Befruchtung fällt aus, der Schädling kann sich kaum vermehren, und den Winzern bleibt das Spritzen von Insektiziden erspart.

Mit der einheitlichen Bekämpfung des Schädlings im gesamten Anbaugebiet mit knapp einer halben Million Dispenser leistet die Ahr Pionierarbeit in Deutschland. Denn es macht keinen Sinn, die Methode hier und dort kleinflächig anzuwenden, weil bereits befruchtete Motten sich in einem geschützten Weinberg einen Platz zur Eiablage suchen könnten. Die Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr sowie Mayschosser und Altenahrer Weingüter hatten die Methode bereits vor vielen Jahren gemeinsam ausprobiert, gute Erfahrungen gesammelt und für die umweltschonende Form zur Bekämpfung des Schädlings geworben.

Puppen des Traubenwicklers überwintern

Der Traubenwickler ist schwer zu packen. Seine Puppen überwintern etwa in der Rinde der Rebstöcke. Ende April, Anfang Mai schlüpfen daraus Motten, die sich innerhalb von zwei bis drei Wochen befruchten. Die Eier werden zunächst an den Blütenkäppchen der Weinranken abgelegt, sodass die Larven, kleine Würmer, die nach zehn bis zwölf Tagen schlüpfen, Nahrung finden. Sie fressen sich an den Blütenständen satt und schädigen diese empfindlich. Man nennt diese erste Raupen-Generation des Traubenwicklers „Heuwurm“. Die Raupen wachsen heran, häuten sich mehrmals und verpuppen sich.

Schnell entwickeln sich neue Falter, deren Weibchen ihre Eier Ende Juni, Anfang Juli einzeln an den jungen Weinbeeren ablegen. Nach sechs bis acht Tagen schlüpfenden wieder Larven, sie heißen „Sauerwurm“ und bohren sich in die Beeren hinein. Vor allem bei feuchter Witterung entwickelt sich an den Verletzungen Grauschimmelfäule, die die gesamte Traube vernichten kann. In der Regel potenziert sich die Population des Schädlings innerhalb einer Vegetationsperiode. Je nach Witterung bringt der Schädling auch eine dritte Raupen-Generation hervor, die die reifenden Trauben zunichte macht.

Damit nichts von dem passiert, bauen die Winzer mit der Pheromon-Methode, auch „Verwirrmethode“ genannt, vor. Das muss im zeitigen Frühjahr geschehen, bevor die Motten aus den überwinterten Puppen schlüpfen. Daher jetzt die geballte Bekämpfungsaktion, die im Raum Walporzheim von Heinz Bitterbier und Tim Adeneuer geleitet wurde. Dabei werden kleine, braune Ampullen, die Dispenser, an die Ruten der Reben gehängt. Über Monate verströmen sie Duft von Traubenwickler-Weibchen über die Wingerte und „verwirren“ damit die Männchen. Tim Adeneuer erinnerte noch einmal an den erforderlichen dichten Behang der Wegränder. „Innerhalb der Anlagen soll in jeder dritten Reihe jeder vierte Stock behangen werden, wenn ihr mehr Material braucht, ruft an“, gab er den Auftakt zur diesjährigen Aktion.

Adeneuer teilte Gruppen für die einzelnen Flächen ein. Die machten sich, behangen mit hellen Leinenbeuteln mit den Dispensern, gruppenweise auf den Weg. Dabei geht es nicht darum, dass jeder Winzer für seine eigene Parzelle sorgt, sondern alle Flächen werden Hand in Hand in Gemeinschaftsarbeit geschützt, die Helfer arbeiten ehrenamtlich.

Schädling ist auf tolerierbaren Bestand beseitigt

So ging etwa eine Winzer-Gruppen mit Michael Knieps vom Weingut Brogsitter bergan. Ältere Winzer entschieden sich für die Arbeit in den Tallagen. Willi Beu, Experte für Naturschutz und Vorsitzender der Teilnehmergemeinschaft Flurbereinigung Walporzheim, hat die Entwicklung in den vier Jahren beobachtet. „Die Methode ist wirkungsvoll, wir haben den Schädling damit auf einen tolerierbaren Bestand heruntergedrückt“, sagte er. Er freute sich, dass so viele Winzer gekommen waren, obgleich sich die Arbeit in den Weinbergen im Frühjahr häuft. „Insektizide werden im Weinbau nicht mehr ausgebracht“, betonte Beu. Mittlerweile sei es auch Standard, dass die leeren Ampullen im Winter eingesammelt und ordnungsgemäß entsorgt würden.

So können sich Wanderer und Spaziergänger über die Aktivitäten in den noch kahlen Weinbergen gewundert haben und sich fragen, was es mit den braunen Ampullen, die entlang der Weinbergswege an den Ranken hängen, auf sich hat: Sie machen den Einsatz von Gift zur Schädlingsbekämpfung entbehrlich, schützen somit einerseits die Natur, andererseits schützen sie die Früchte der Rebstöcke und damit die Früchte der Arbeit der Winzer.

Übrigens: Winzer in Mayschoß und Altenahr machen sich am kommenden Wochenende an die Arbeit.

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