Ausstellung im Sinziger Heimatmuseum Als der Krieg an die Ahr kam

SINZIG · "Hitler bedeutet Krieg!? Davor hatten kritische Zeitgenossen bereits vor der Machtübernahme im Jahre 1933 durch die Nationalsozialisten gewarnt. Ab 1933 begann im NS-Staat die Militarisierung in nahezu allen Lebensbereichen", liest man in der Ausstellung "Kriegsende und dann ...?" über die Jahre 1944 bis 1946 im Kreis Ahrweiler, die vielbeachtet im Sinziger Schloss eröffnet wurde.

Die Ausstellung über das Kriegsende an der Ahr ist im Sinziger Schloss zu sehen.

Die Ausstellung über das Kriegsende an der Ahr ist im Sinziger Schloss zu sehen.

Foto: Martin Gausmann

"Wo zwischen Grabkreuzen Mohnblumen blüh'n", "wenn Soldaten vorbeimarschier?n", "Mutter, ach Mutter, es hungert mich" - eine einzige Wehklage bilden die Zeilen des Liedguts, das Bariton Ulrich Schütte ergreifend vortrug. Bürgermeister Wolfgang Kroeger, Kreisbeigeordneter Friedhelm Münch und Denkmalvereinsvorsitzender Karl-Friedrich Amendt begrüßten die von Stadt, Kreis und Verein unterstützte Präsentation.

Kroeger mahnte, dass "heute wieder Jugendliche verführt werden" und empfand "die moralische Pflicht" nach Sinzig kommenden Kriegsflüchtlingen zu helfen. Er dankte Museumsleiterin Agnes Menacher, den Mitarbeitern Wolfgang Gückelhorn, der auch den Begleitband verfasste, Kreisarchivar Leonhard Janta, Remagens Stadtarchivar Kurt Kleemann, Textbearbeiter Rudolf Menacher, Olaf Goebel und den Zeitzeugen.

Er freue sich, dass die "rundum gelungene Ausstellung" durch den Kreis wandere. 70 Jahre nach Kriegsende, das damals in Deutschland als Niederlage gesehen wurde, nach dem aber als "kleines Wunder" europäische Versöhnung und Beziehung mit Israel gelangen, geschehe dies "spät, aber nicht zu spät", unterstrich Dieter Burgard, Bürgerbeauftragter des Landes und Vorsitzender der AG Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen zur NS-Zeit.

Er bezog sich auf "Kapitel, die bisher nicht behandelt wurden", das KZ Rebstock bei Dernau und das Rheinwiesenlager Remagen/Sinzig, wo viel weniger Menschen starben, als Neonazis verbreiten. "Die Wahrheit muss noch mehr bekannt werden", so Burgard: "Den Ewiggestrigen müssen wir klare Kante zeigen".

Ausstellungsleiterin Menacher erklärte, die Zeitzeugen erinnerten sich an die Gefallenen der eigenen Familie und Gemeinde, an die Opfer des Luftkriegs, die Kriegsgefangenen auf der Goldenen Meile und die Zerstörungen. Über die Verbrechen im Namen des Deutschen Volkes sei jahrzehntelang geschwiegen worden. So gedachte sie der mit Genickschuss aufgefundenen russischen Kriegsgefangenen in Sinzig und der deportierten Juden.

Heute erkenne man im Kriegsende eine Befreiung und den Beginn einer neuen Ära. An die Besucher appellierte Menacher: "Lassen wir nicht zu, dass rechtsextreme Rattenfänger unsere Jugendlichen mit Nazi-Gedankengut indoktrinieren!"

Die Ausstellung zeigt, wie sich die Folgen des Zweiten Weltkrieges in der hiesigen Region niederschlugen. Sie vermittelt, eingebettet in die große Geschichte und veranschaulicht durch 90 Exponate, die Ereignisse vor Ort, wie den Angst und Schrecken verbreitenden Luftkrieg. Schon 1942 fielen britische Bomben auf Bad Neuenahr, ab 1944 nahmen alliierte Angriffe zu, die Abwürfe der US Air Force sind aufgelistet. Ziel waren oft die Eisenbahnanlagen in Sinzig, Remagen und an der Mittelahr.

Bei der Entladung von 210 Sprengbomben über Ahrweiler starben 170 Menschen. Der Krieg, das verdeutlichen die 24 Wort-Bild-Formate knapp und eindringlich, verbreitete allenthalben Jammer, Not, Zerstörung und Tod. Und das nicht nur bei denen, die Nazi-Deutschland überfallen und verfolgt hatte, sondern in bitterer Konsequenz auch die breite Bevölkerung im Land der Täter.

Derweil sollte Hitlers letztes Aufgebot, von Männern zwischen 16 und 60 die Verteidigung übernehmen. An seinem 16. Geburtstag im Februar 1945 erreichte Heinz Felten die Einberufung ins Wehrertüchtigungslager Haus Calmuth. Bis zu 250 Gleichaltrige sollten dort fit gemacht werden gegen die "anglo-amerikanischen Imperialisten". Doch Feltens Gruppe desertierte.

Die Ausstellung im Schloss ist bis 21. Juni geöffnet: donnerstags 10 bis 12 Uhr, samstags und sonntags 14 bis 17 Uhr, Gruppen nach Vereinbarung unter Tel. 0 26 42/34 06. Wolfgang Gückelhorns im Helios Verlag erschienenes Buch "Kriegsende und dann...?" - Der Kreis Ahrweiler 1944 bis 1946" kostet 32 Euro.

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