Terror in Paris Auch Medien und Satiriker im Ausnahmezustand

Paris · Paris und immer wieder Paris: Die Medien berichteten fast rund um die Uhr über die Schrecken vom Freitag. Sie zeigen, dass auch journalistische Profis ihre Grenzen haben. Unter Deutschlands Berufssatirikern macht sich Ratlosigkeit breit.

Viele Fernsehzuschauer werden sich noch lange an Freitag, den 13. November 2015, erinnern. Als sie einfach vor einem ruhigen Wochenende ein Fußballspiel ohne sportliche Bedeutung gucken wollten. Sie werden sich auch noch lange daran zurückentsinnen, dass sie erst spät am Abend, vielleicht auch erst tief in der Nacht zum Samstag den Fernseher ausgemacht und ihre Smartphones auf dem Nachttisch abgelegt haben: viele aufgewühlt, vielleicht traurig und verängstigt.

Der Abend, an dem viele Menschen in Paris einen sinnlosen Tod starben, führte auch die deutschen Reporter, die sich in Frankreich den Ereignissen ausgesetzt sahen, an ihre Grenzen - allen voran die Fußballexperten Matthias Opdenhövel und Mehmet Scholl im Ersten. Opdenhövel rang vor rund neun Millionen Zuschauern live um Informationen, weil er nur spärlich versorgt wurde, während Scholl fast nur ein fassungsloses Schweigen mit dem Mikro in der Hand blieb.

ARD-Stadionreporter Tom Bartels erfuhr etwa in der 75. Minute von einer Redakteurin, dass es in Paris viele Tote gibt, wie er in der "Bild am Sonntag" berichtet. "Auf so etwas Furchtbares kann man sich nicht einstellen oder vorbereiten", sagte der 50-Jährige. "Wenn ich früher die Dimension gewusst hätte, hätte ich am besten gar nichts mehr gesagt. Die Informationen kamen ja nur nach und nach." Er will sich aber trotz des Horrors nicht einschüchtern lassen und bei der EM 2016 - in Frankreich - dabei sein: "Auch wenn einem die Ereignisse Angst einjagen. Wenn wir jetzt unser Leben umstellen, haben die Terroristen gewonnen."

Ein Zwischenlob erhielten die Reporter am Samstag vom neuen Bundesvorsitzenden des Deutschen Journalisten-Verbandes, Frank Überall: "Die Journalistinnen und Journalisten haben sich bewusst die Zeit genommen, das zu tun, was ihre Aufgabe ist - sauber recherchieren", sagte Überall. Die meisten Medien hätten sich wohltuend von der Aufgeregtheit dubioser Internetquellen abgehoben. "Im übrigen müssen wir uns immer bewusst machen, dass eine Angst schürende Darstellung in der Öffentlichkeit genau das Ziel ist, das Terroristen verfolgen. Vor diesen Karren perfider Stimmungsmache dürfen sich Medien nicht spannen lassen."

Solidaritätsbekundungen und Debatten im Netz

Auch wenn die Nachrichtenseiten im Netz Hochkonjunktur hatten, und auch wenn mobile Dienste wie Periscope live Bilder von den Tatorten übertrugen, war das klassische Fernsehen gefragt. Nach dem Fußballspiel am Freitag blieben mehr als neun Millionen im Ersten länger dran. Um Mitternacht waren es immer noch mehr als drei Millionen. Auch der Nachrichtensender n-tv verbuchte über die ersten drei Stunden seiner Berichterstattung durchschnittlich knapp 600 000 Zuschauer - extrem viele für einen kleinen Sender.

Auch am Samstag blieb das Interesse in den klassischen Medien recht stark, ging aber bereits im Vergleich zum Vorabend zurück: Der ARD-"Brennpunkt" um 20.15 Uhr hatte 4,71 Millionen Zuschauer (15,5 Prozent ab 20.15 Uhr). Das ZDF erreichte mit seinem "ZDF spezial: Terror in Paris - Trauer, Täter, Hintergründe" um 19.35 Uhr 3,59 Millionen (13,0 Prozent). Der Sender hatte mit Rücksicht auf Paris zuvor die Bühnenjubiläumsshow "Otto - Geboren um zu blödeln" aus dem Programm genommen, am Freitag bereits die "heute-show". RTL II verzichtete auf den Kriegsfilm "Jarhead - Willkommen im Dreck".

Die sozialen Medien waren voll mit Solidaritätsbekundungen, aber auch mit Debatten. "Welt"-Kolumnist Matthias Matussek steckte im Netz Schelte für diesen Twitter-Eintrag ein: "Ich schätze mal, der Terror von Paris wird auch unsere Debatten über offene Grenzen und eine Viertelmillion unregistrierter junger islamischer Männer im Lande in eine ganz neue frische Richtung bewegen". Dahinter platzierte er einen lachenden Smiley. Sein Chefredakteur, Jan-Eric Peters, distanzierte sich im Namen der "Welt", "die für andere Werte steht, für Freiheit und Menschlichkeit". Matussek tauschte den Lach-Smiley gegen einen traurigen aus. Er fügte dazu, dass "diejenigen, die mich kennen, wissen, dass es als Ausdruck sarkastischer Verzweiflung gemeint war".

ZDF-Satiriker Jan Böhmermann stellte einen Katalog mit 100 Fragen auf Facebook zusammen: Er startete mit einem einfachen "1. Warum?", machte unter anderem weiter mit "8. Stehe ich hinter Thomas de Mazierè? 9. Steht Thomas de Mazierè hinter Angela Merkel? 10. Schreibt man "de Mazierè" mit accent aigu oder accent grave?" und schloss mit: "100. Was sollen wir jetzt tun und was nicht?"

Sein Berufskollege Oliver Kalkofe berichtete auf Facebook, wie er am Freitagabend spät nach Hause kam und zur Überlegung gelangte: "Dieser wunderschöne Planet wird gerade immer mehr zu einem Ort, den ich am liebsten weiträumig umfahren würde. Dummheit tut weh. Wenn nicht den Dummen selbst, dann um so mehr den anderen..."

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