Ahrweiler Schützen Aus dem Wingert in den Bottich - seit 400 Jahren

AHRWEILER · Die mehr als 700 Ahrweiler Sebastianer um ihren Hauptmann Willi Busch sind weltweit die einzigen Schützen mit eigenem Weinbau und das seit mehr als 400 Jahren.

Nach der Traubenlese müssen die Früchte auch gründlich kontrolliert werden.

Nach der Traubenlese müssen die Früchte auch gründlich kontrolliert werden.

Foto: Schmitt

Montagmorgen, 8 Uhr: Der Nebel hat das Ahrtal im Griff. Während auf den Eifelhöhen schon strahlender Sonnenschein herrscht, kämpfen sich die Sonnenstrahlen im Tal mühsam durch die diesige Luft. Hoch über Ahrweiler rollen Trecker und Unimogs an. Banker, Handwerker, Ex-Lehrer und Marineoffiziere bewaffnen sich mit scharfem Gerät - Lesescheren.

Denn es ist Weinlesetag der Ahrweiler Bürgerschützen, und da sind alle Branchen dabei. Zwei Wingerte gehören der Gesellschaft und werden rund ums Jahr betreut: 23 Ar (2300 Quadratmeter) im Ahrweiler Forstberg, 28 Ar (2800 Quadratmeter) in der Lage Bachemer Karlskopf. In beiden Steillagen wächst Spätburgunder.

"Die Qualität der Trauben ist absolut Spitze", frohlockt Thomas Hüttig, der Chef der Schützenwingerte. Während die erste Traubenfuhre im Weingut Adeneuer schon in den Entrapper wandert füllen sich im Forstberg per Handarbeit die orangen Lesekisten. Jede fasst 30 Liter Trauben.

Sind sie gefüllt, bleiben sie in den Weinbergsreihen stehen, die Lesehelfer haben Leergut en masse. Denn schleppen muss die Kisten keiner. Dafür gibt es den Schlitten. Auf diesen passen gut 15 Kisten und per Seilzug am Trecker geht's mit 40 Pferdestärken bergauf zum Winzerweg. Dort warten Unimog und Anhänger auf ihren Einsatz.

Mit dröhnendem Auspuff geht's voll beladen ins Tal. Dort stehen Marc und Frank Adeneuer schon an der Traubenannahme. Sie sind die Profis, die für den Schützenwein verantwortlich zeichnen. "Ich hab' 95 Grad Öchsle gemessen", sagt Frank Adeneuer nachdem die entrappten Trauben in die Presse gepumpt wurden. "Das wäre nach altem Weinrecht eine Auslese. Es wird ein fruchtiger, extraktreicher Qualitätswein."

Nur mit der Masse ist er weniger zufrieden. "das sind gut 30 Prozent weniger, als im Vorjahr. Aber das ist der Schnitt der ganzen Ahr." Und Reinhold Kurth, ebenfalls Winzer und Schütze, ergänzt: "Die Vegetation hat in den vergangenen Wochen den miesen Juli wieder wettgemacht, doch Ertrag und Qualität gehen wie eine Schere auseinander."

Gut 4500 Liter Wein wird die Lese in den Schützenwingerten ergeben. 1000 Liter werden als Blanc de Noir (Weißherbst) ausgebaut, das ist Rotwein, der wie Weißwein gekeltert wird, das Gros wird klassischer Spätburgunder. Während der Most aus der Kelter in den Bottich läuft erläutert Frank Adeneuer das weitere Prozedere: "Jetzt beginnt die Gärung." Und dieses quasi automatisch. Denn da zeigt der Zucker seine Wirkung, verwandelt sich in Alkohol.

Und wann wird der Wein getrunken? Nur bei den Veranstaltungen der Schützen. Verkauft wird der Wein nicht.

Grad Öchsle:
Das Mostgewicht von frisch gepressten Trauben wird in Grad Öchsle gemessen. Das ist eine Hommage an Ferdinand Öchsle (1774-1852). 1836 erschien dessen Arbeit über den Gebrauch der Most- und Weinwaage, in der er seine Methode zur Bestimmung der spezifischen Dichte im frisch gepressten Traubensaft beschrieb.

Öchsles Erkenntnis: "Wenn man den Zuckergehalt des Mostes messen könnte, müsste es möglich sein, die Entwicklung des auszubauenden Weines besser vorauszusehen." Sein Verdienst liegt vor allem darin, dass er die praktisch anwendbare Gradeinteilung auf den Spindeln einführte und sein Messgerät durch Serienfertigung den Winzern zugänglich machte.

Statt der Öchslewaage kommt heute im Wingert ein Refraktometer zum Einsatz. Dieses misst die Öchsle-Grade durch Lichtbrechung. Je höher die Gradzahl, desto alkoholreicher kann ein Wein werden. 80 bis 100 Grad geben herausragende Tropfen.

Ältester Beleg:
Seit mehr als 400 Jahren betreiben die Ahrweiler Schützen Weinbau. Beleg ist ein Ratsprotokoll vom 16. Oktober 1609. Darin ist folgendes zu lesen: "Peter Schoenen hat den Schützenweinberg in Händen und hat etliche Jahre die Pacht davon nicht mehr entrichtet.

Deshalb bitten die Schützen, ihm den Weingarten wegzunehmen. Der Rat befiehlt dem Schoenen, mit dem Schützenmeister die Rechnung zu halten und seine Schulden zu begleichen."

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