Lehrgang 100 Stöße in der Minute auf den Brustkorb

BONN · 40 Ärzte haben bei der Beueler Feuerwehr einen Lehrgang absolviert, um im Rettungsdienst und als Notarzt eingesetzt zu werden.

 Praktische Übung: Ein Notarzt demonstriert, wie eingeklemmte Personen aus einem Autowrack befreit werden.

Praktische Übung: Ein Notarzt demonstriert, wie eingeklemmte Personen aus einem Autowrack befreit werden.

Foto: Axel Vogel

"Das sind höchstens 60." Was Andreas Bartsch, stellvertretender Ärztlicher Leiter des Notarzt- und Rettungsdienstes in Bonn, beim Blick in den Rettungswagen sieht, gefällt ihm nicht. Dort übt eine Gruppe von Ärzten die Reanimation an einem Dummy. Dazu drückt eine Medizinerin immer wieder stoßartig ihre Handflächen auf den Brustkorb der Puppe.

Aus Sicht von Fachmann Bartsch zu langsam. "Die Kompressionsrate sollte bei mindestens 100 Stößen in der Minute liegen. Darauf müsst ihr unbedingt achten", sagt der Notfallmediziner, und meint damit auch die Betreuer der Übungsstation auf dem Gelände der Feuerwache 2 in Beuel.

Neben der Wiederbelebung müssen 40 Ärzte aus ganz Deutschland noch bei weiteren Notfallübungen ihren Mann respektive ihre Frau stehen. Mit dem praktischen Teil endete am Samstag ein achttägiger Lehrgang, den die Teilnehmer zur Erlangung des Nachweises "Fachkunde Rettungsdienst" und für ihren Einsatz als Notarzt brauchen. Organisiert haben die Fortbildungsveranstaltung die Berufs- und Freiwillige Feuerwehr, der Katastrophenschutz, das Deutsche Rote Kreuz, der Malteser Hilfsdienst und die Johanniter Unfallhilfe.

Notfälle im Rettungsdienst stehen oft unter anderen Gesetzmäßigkeiten, als Ärzte diese aus ihren Krankenhäusern kennen. Es ist oft ungeheurer Stress angesagt, wenn etwa nach einer Explosion in einem Chemiebetrieb gleich mehrere Verletzte wimmernd in einen Raum liegen.

Wer ist wie schwer verletzt, wer muss sofort betreut werden, wer kann noch warten? Wer ist überhaupt ansprechbar? Das sind Fragen, auf die die Lehrgangsteilnehmer in einem mit Statisten nachgestellten Szenario unter den Augen fachkundiger Beobachter Antworten finden und Entscheidungen treffen müssen.

Rund ein halbes Dutzend Schüler liegt, mit viel Schminke auf verletzt getrimmt, in einem Schuppen, und wartet darauf, von den Lehrgangsteilnehmern in Kategorien eingeteilt zu werden. Dazu haben die Ärzte farbige Karten bekommen: Eine rote Karte bekommt der Statist, der schwer verletzt ist und einer sofortigen medizinischen Hilfe bedarf. Gelb bedeutet "schwer verletzt", aber so, dass die Versorgung des Verletzten noch warten kann. Verletzte mit leichten Blessuren bekommen die grüne Karte umgehängt. Nicht gebraucht werden die blauen Karten: Die sind für "hoffnungslose Fälle" reserviert.

Die Übersicht und die Ruhe zu behalten sind neben einer Übung mit Gefahrgut auch bei einem nachgestellten Verkehrsunfall das A und O: Vier Verletzte sitzen eingeklemmt in einem Autowrack. Wichtig bei der Übung ist zudem, dass die Ärzte mit anderen Rettern kooperieren. Schließlich muss die Feuerwehr zunächst das Dach des Wracks abtrennen. Erst dann kann Notarzt Marc Rohnen den Übungsteilnehmern zeigen, wie Unfallopfer möglichst schonend aus dem Wrack befreit werden können.

"Sehr interessant" findet Ninja Kandler das Gesehene, wie überhaupt den Lehrgang. Für die Ärztin der Inneren Abteilung des Sankt Josef Hospitals in Beuel steht fest: "Ich möchte mir auf jeden Fall die Option offen halten, als Notärztin zu arbeiten." Silke Pawelczig, Unfallchirurgin in einem Krankenhaus in Bad Neuenahr, hat durchaus besondere Arbeitsbedingungen registriert. Neben der Enge in den Rettungswagen, fielen ihr "die Geräuschkulisse, Witterung und Lichtverhältnisse" auf.

Ausbildung zum Notarzt

Voraussetzung zum Einsatz im Notarztdienst ist der Fachkundenachweis. Den stellt die Ärztekammer Nordrhein aus. Einen solchen Fachkundenachweis beantragen kann, wer als junger Arzt mindestens ein Jahr lang klinisch tätig gewesen ist und zu dem an einem 80-stündigen interdisziplinären Lehrgang über allgemeine und spezielle Notfallbehandlung teilgenommen hat. Zudem ist ein Nachweis erforderlich von mindestens zehn Einsätzen im Notarztwagen oder Rettungshubschrauber, bei denen es um lebensrettende Maßnahmen ging.

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