Polizei kriegt jeden Zweiten 170 Unfallfluchten mit Verletzten allein in diesem Jahr

BONN · Nach einem Unfall einfach Gas geben, anstatt den Opfern zu helfen: Das Bonner Polizeipräsidium hat in diesem Jahr bereits 170 Unfallfluchten registriert, bei denen Menschen verletzt worden sind. Darunter waren sechs Schwerverletzte. Die Zahlen beziehen sich auf den gesamten Zuständigkeitsbereich mit Bad Honnef, Königswinter und dem linksrheinischen Rhein-Sieg-Kreis.

 Kamera, Zollstock, Mikroskop: Werkzeuge, mit denen Thomas Köhler bei der Fahrerfluchtermittlung zu tun hat.

Kamera, Zollstock, Mikroskop: Werkzeuge, mit denen Thomas Köhler bei der Fahrerfluchtermittlung zu tun hat.

Foto: Stefan Knopp

Allein in dieser Woche gab es drei Fälle. Am Dienstag wurde eine Frau in Duisdorf angefahren, wie die Polizei meldete. Am Mittwoch erfasste ein vermutlicher männlicher Autofahrer morgens ein Kind auf der Landsberger Straße in Tannenbusch und verletzte es leicht. Am Mittwochabend starb in Sankt Augustin ein Senior, der von einem Raser gerammt worden war.

Die beiden Unfälle am Mittwoch spiegeln zwei Extreme für die Ermittler wider: In Sankt Augustin gab es viele Zeugen, die sich das Kennzeichen gemerkt hatten. So konnte der Halter schnell ermittelt werden - wer wirklich gefahren ist, steht aber noch nicht fest.

Bei dem jungen Fahrradfahrer in Tannenbusch kann sich die Polizei nur auf die Aussage des Elfjährigen verlassen, erklärt der Leiter des Verkehrskommissariats I, der erste Polizeihauptkommissar Thomas Köhler. Der Vorderreifen des Jungen war vom Hinterreifen des Autos gestreift worden: "Gummi gegen Gummi", so Köhler.

Da gebe es keine Spuren. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass der Junge ohne Licht fuhr. Deshalb sucht die Polizei Zeugen, die Genaueres berichten können. Sonst werde es schwer, den Fall aufzuklären, sagt Polizeisprecher Robert Scholten.

"Alles, was Menschen erzählen, ist subjektiv", betont Köhler. Idealerweise ließen sich solche Hinweise objektivieren. Ein Autokennzeichen könne man zum Beispiel überprüfen. Lackspuren, Glasteile oder Kratzer an Fahrzeugen geben den Ermittlern vom Verkehrsdienst wichtige Hinweise. Daraus lasse sich ganz gut ein Tathergang herleiten, sagt Köhler. "Der Sachbeweis lügt nicht."

Jeder zweite Fall wird aufgeklärt

Solche Hinweise werden von besonders geschulten Spezialisten untersucht und zum Beispiel in Recherchesystemen wie dem des Kraftfahrt-Bundesamtes abgeglichen. So könne jeder Hinweis zu neuen Erkenntnissen führen, berichtet Köhler. Deshalb werden bei Sachschäden mit Fahrerflucht die Schäden an anderen Fahrzeugen akribisch vermessen und viele Fotos geschossen.

"Jeder zweite Fall von Unfallflucht wird aufgeklärt", unterstreicht Köhler. Genauer gesagt: In 62 Prozent der Fälle mit Personenschaden werden die Täter gefunden, bei Sachschäden sind es 46 Prozent. Die Aufklärungsquote steige durch ständige Verbesserung der Ermittlungsarbeit.

10 Prozent aller Unfallfluchten vorgetäuscht

Und noch eine Zahl: "10 Prozent aller Unfallfluchten sind vorgetäuscht." Das heißt: Die Betroffenen geben oft nur vor, jemand habe ihr Auto beschädigt und sei getürmt, weil sie alkoholisiert mit Papas Auto unterwegs waren oder sich schämen, dass sie einen Poller gerammt haben. Die Ermittler seien aber so erfahren, dass sie meistens die Wahrheit herausfänden, sagt Köhler.

Die Unfallfluchtermittlungsgruppe des Verkehrsdienstes sorge vor allem dafür, dass der Bürger seinen Rechtsanspruch gegen Schadensverursacher durchsetzen kann. Man sehe sich deshalb auch als Service-Einheit. Ganz wichtig: "Die Versicherung des Täters muss auch dann zahlen, wenn er glaubhaft machen kann, dass er es nicht mitbekommen hat."

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