285 Millionen Euro und zwei Zückerchen

BONN · Es war still geworden in den vergangenen Jahren, nachdem die Fusion der RheinEnergie Köln mit den Stadtwerken Bonn im Rat der Bundesstadt mehrheitlich gescheitert war. Doch hinter den Kulissen sind die Bestrebungen der Kölner weiter gegangen, in Bonn einen Fuß - oder mehr - in die Tür zu bekommen.

 Das Objekt der Begierde: die Zentrale der Stadtwerke Bonn an der Beethovenhalle.

Das Objekt der Begierde: die Zentrale der Stadtwerke Bonn an der Beethovenhalle.

Foto: Barbara Frommann

Jetzt steht ein Angebot aus der Domstadt mitten im Raum: Die Kölner wollen nicht mehr fusionieren. Sie wollen die Stadtwerke Bonn kaufen. Zwar nicht 100 Prozent, sondern nur 94,5. Und dafür wollen sie einen einmaligen Kaufpreis zahlen: 285 Millionen Euro. Was für die die Bonner auf den ersten Blick sehr interessant wirkt, hat eine gute und eine schlechte Seite. Die schlechte: Bonn soll zwar auch nach dem Verkauf über den Verkehr von Bussen und Bahnen entscheiden können, aber deren Defizit zahlen - derzeit rund 20 Millionen Euro pro Jahr.

Die gute Seite: Die Kölner garantieren, dass die Bonner weiter das weiche Trinkwasser der Wahnbachtalsperre bekommen und nicht das stark kalkhaltige Uferfiltrat aus Köln. Dieser Punkt war einer der Hauptgründe für das frühere Scheitern einer Fusion, weil der damalige Vorstandsvorsitzende der RheinEnergie, Helmut Haumann, am Verkauf des kostengünstigeren Uferfiltrats in Bonn verdienen wollte, die Bürger aber das extrem harte Wasser ablehnten.

In den Chefetagen beider Städte gibt man sich äußerst zurückhaltend. RheinEnergie-Vorstandsmitglied Thomas Breuer sagte auf Anfrage des GA nur: "Wir suchen eine positive Lösung für beide Seiten." Bonns Oberbürgermeisterin und Aufsichtsratsvorsitzende der Stadtwerke Bonn, Bärbel Dieckmann (SPD), ließ ihren Co-Dezernenten Jürgen Braun verkünden: "Wir sind mit den Kölnern im Gespräch, weil uns der langfristige Wettbewerb dazu zwingt, uns umzuorientieren." Im Ergebnis, so Braun, müsse für Bonn wirtschaftlich etwas Besseres herauskommen als jetzt. "Das wird die Oberbürgermeisterin genauso sagen."

Was Braun und seine Chefin, die Oberbürgermeisterin, nicht sagten, aber die Spatzen von den Dächern pfeifen, ist der Versuch, den Kauf der Stadtwerke noch vor der Sommerpause über die Bühne zu bekommen. Das hieße im Klartext: Der Bonner Stadtrat müsste vor dem 21. Juni eine Entscheidung treffen. Der Kölner Rat natürlich auch, wobei als Käufer nicht die RheinEnergie erscheinen würde, sondern deren Muttergesellschaft, die Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke Köln (GEW).

Dahinter stecken nicht strategische Überlegungen, sondern die Mehrheitsverhältnisse. Denn die GEW kann frei entscheiden. Sie ist zu 100 Prozent in den Händen der Stadt, während die RheinEnergie zu 20 Prozent den Rheinisch Westfälischen Elektrizitätswerken (RWE) gehört. Durch diese Konstruktion wird das Vergaberecht - Pflicht zur öffentlichen Ausschreibung - umgangen und die Grunderwerbsteuer gespart. Bevor die Politiker das Sagen erhalten, müssen bei ihnen zahlreiche Wissenslücken geschlossen werden. SPD-Fraktionschef Wilfried Klein bekennt freimütig, "keine Details" zu kennen. Und sein CDU-Kollege, Fraktionschef Benedikt Hauser, will erst die Auswirkungen eines Verkaufes auf die Verbraucher und Mitarbeiter prüfen.
Warum die Kölner ein Bonner Unternehmen kaufen wollen, das unter dem Strich ein Millionendefizit ausweist, ist einfach zu erklären: Busse und Bahnen in der Bundesstadt sollen weiter vom hiesigen Stadtrat gesteuert werden, dafür soll Stadtkämmerer Ludger Sander am Jahresende das Verkehrsdefizit zahlen, das nach Kölner Berechnung derzeit rund 20 Millionen Euro jährlich beträgt. Dem Verdacht, sie wollten sich bei diesem Handel nur die Rosinen herauspicken, halten die Kölner Energieversorger allerdings entgegen, ihr Kaufangebot für die Stadtwerke Bonn liege in seiner Höhe 50 Prozent über dem errechneten Wert des Unternehmens.

In der Tat darf nicht vergessen werden, dass die RheinEnergie bereits 13,6 Prozent der Anteile an der Stadtwerke Energie und Wasser besitzt und der Rhein-Sieg-Kreis mit der Troisdorfer Troikom zusammen nochmals 36,2 Prozent an der SWB Energie und Wasser hält. Diese Anteile würden die Kölner auch liebend gerne übernehmen, dafür müssten aber alle Seiten zustimmen - was sie bislang nicht getan haben. Rhein-Sieg-Landrat Frithjof Kühn gibt sich bedeckt, weist allerdings darauf hin, dass die Stadt Bonn - falls diese die Stadtwerke aus der Hand geben - die Möglichkeit verliert, alle Verkehrs- und Energieoperationen selbst zu steuern.

Das sehen auch die Bonner Verantwortlichen so, selbst wenn das Modell, über das derzeit verhandelt wird, die Konzerngesellschaften der Stadtwerke rechtlich selbstständig erhalten will und ihnen umfangreiche Einflussrechte zugesichert werden. Und für die Bonner Kunden gibt es noch ein zusätzliches Bonbon: Nach dem Kauf der Stadtwerke würden die Strompreise an die der Kölner angepasst. Das heißt zwar nicht unbedingt Preissenkung, würde aber für die Zukunft einen geringeren Preisanstieg bedeuten, weil die Kölner zur Zeit weniger an die Energieversorger zahlen müssen.

Ein zweites Zückerchen ist die Überlegung, die Straßenbahnwerkstadt der Kölner in Wesseling zu schließen und Wartung und Reparatur der Bahnen in die wesentlich modernere Werkstatt in Bonn-Dransdorf zu verlegen.
Leidenschaftslos sind die Kölner auch in Sachen Müllverbrennung. Zwar würden die GEW ebenfalls 94,5 Prozent der Anlage am Dickobskreuz erwerben, doch die Bonner Politiker sollen selbst entscheiden, ob die Anlage erweitert wird oder nicht.

Brisant ist das Thema Kauf der Stadtwerke für die rund 2 500 Mitarbeiter in Bonn. Zu ihrer Beruhigung gibt es das Angebot, ihnen wie den Kölner Kollegen den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen bis zum Jahr 2015 zuzusichern und sie an der in Köln üblichen Gewinnbeteiligung der Beschäftigten teilhaben zu lassen. Außerdem, so wird garantiert, werde es für die weit überwiegende Zahl der Beschäftigten keinen Wechsel ihres Arbeitsortes geben, statt dessen aber deutlich bessere Karrierechancen, weil die Bonner Beschäftigten in alle Kölner Stellenausschreibungen "gleichberechtigt einbezogen" würden.

Doch zunächst müssen sich die politisch Verantwortlichen in den Nachbarstädten einig werden. Und das ist durchaus nicht sicher. An die Kölner Gesprächspartner gewandt, sagte ein Insider aus Bonn: "Wir reden nicht nur mit den Kölnern, sondern auch mit anderen."

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