Abgerissen, zugeschüttet und vergessen
Der Draitschbrunnen war eine wichtige Säule der Kurstadt Godesberg, heute droht er zum Schandfleck zu verkommen
Bad Godesberg. Wenn Bürgermeister Horst Naaß in seinem Amtszimmer Besuch empfängt, sind seine Ausführungen vorhersehbar wie Wahlen in der DDR: Der Strukturwandel der Bundesstadt im Allgemeinen und das neue Profil als Tagungsstandort mit internationalem Anstrich im Speziellen. Nur manchmal lässt er den üblichen Wortschwall beiseite und zeigt stattdessen auf ein Porträt an der Wand.
Kurfürst Max Franz ist darauf zu erkennen, und was der so alles geleistet hat, nötigt Naaß Respekt ab. Zwischen 1789 und 1794 schaffte er die Grundlagen für die Entwicklung Godesbergs zur Badestadt. Als französische Truppen das Rheinland besetzten, "wurde die so vielversprechend begonnene Entwicklung des Bades Godesberg zunächst schlagartig unterbrochen", schreibt Hans Kleinpass in der 43. Ausgabe der Godesberger Heimatblätter. Heute besinnt sich die Politik im Zuge der Entwicklung zum Gesundheitsstandort wieder stärker auf diese Tradition. Wenigstens auf dem Papier.
Ein Eckpfeiler für den Kurort Bad Godesberg bildete der Draitschbrunnen. Der Kurfürst ließ ihn neu fassen, errichtete ein Badehaus und ein Haus für den Brunnenmeister. Zur besseren Erreichbarkeit wurde die Brunnenallee ausgebaut. Die Umgebung gestaltete der kurfürstliche Gärtner.
Von der einstigen Pracht ist abgesehen von der Brunnenallee und der Marienforster Promenade nicht mehr viel übrig. Der Draitschbrunnen ist in einem erbärmlichen Zustand. Wo einst in schlichter Eleganz im heilenden Wasser gebadet wurde, sind heute nur noch zwei eiserne Deckel, eingefasst in Kopfsteinpflaster, übrig. Ein paar abgestellte Einkaufswagen sind identitätsstiftende Merkmale.
Wo bis 1990 das Godesberger Mineralwasser abgefüllt wurde, erobert sich jetzt die Natur den Raum zurück. Das Gelände liegt brach, seit die Mineralbrunnengesellschaft pleite ging. Und weil so eine verfallende Fabrikhalle sich nicht gut im Stadtbild macht, wurde sie abgerissen. Ein Haufen Schutt sieht allerdings nicht viel besser aus. Also kippte man Erde darauf und gab das Areal in die Obhut des Stadtförsters, der es mit großem Erfolg aufforstete.
Der ehemals kurfürstliche Brunnen ist halb Asphaltwüste, halb mitteleuropäischer Dschungel und alles in allem recht unansehnlich. Bemühungen seitens der Stadt, das prominent gelegene Grundstück zu vermarkten, gibt es nicht. Es soll "als Grünfläche freigehalten werden", erklärt eine Mitarbeiterin des städtischen Presseamts auf Anfrage.
Dem widerspricht der Sozialdemokrat Horst Naaß: "Das Grundstück ist zu schade und zu wertvoll für eine Brachlage". Im Bonner Gesundheitsbericht werde immer wieder darauf hingewiesen, dass Bad Godesberg "auf Grund seiner Geschichte eine gewisse Motorfunktion in Sachen Gesundheit" habe.
Die Ansiedlung eines Gesundheitszentrums "in dessen Mittelpunkt die Nutzung des Gesundheitsbrunnens stände", wäre seiner Meinung nach zu begrüßen. Entsprechende Bauanfragen privater Investoren hat es in der Vergangenheit sogar gegeben. Sie wurden abgelehnt.
Wenn an eine Bebauung nicht zu denken ist, sollte wenigstens der historische Zustand des Brunnens wieder hergestellt werden, fordert Naaß. Das sei verhältnismäßig leicht zu erreichen, weil das schlichte Rondell einfach zugeschüttet wurde. Die Stufen zur Quelle ist er selbst noch als Kind herab gestiegen und er hätte sicher nichts dagegen, die Stufen als Bürgermeister noch einmal zu nehmen. Bei der Wiedereröffnung.