Bonner Verkehr in den 50er bis 80er Jahren Als Stau ein Fremdwort war

BONN · Man muss kein Experte für Lokomotiven, Busse und Bahnen sein, um an diesem Buch seine helle Freude zu haben. Denn das Werk von Fachautor Volkhard Stern über "Verkehrsknoten in Bonn", das jetzt auf den Markt kommt, enthält auch viele alte Ansichten der Stadt Bonn.

Alte Bonner Perspektiven: Diese historische Aufnahme der Poststraße entstand im September 1959. Die vordere Häuserzeile wurde ab 1967 wegen des U-Bahn-Baus abgerissen, dort sind heute die Südüberbauung und das Bonner Loch.

Alte Bonner Perspektiven: Diese historische Aufnahme der Poststraße entstand im September 1959. Die vordere Häuserzeile wurde ab 1967 wegen des U-Bahn-Baus abgerissen, dort sind heute die Südüberbauung und das Bonner Loch.

Vor allem aus dem 50er bis 80er Jahren während der "Bonner Republik". Viele der von Stern aufgespürten Bilder stammen aus Sammlungen und sind noch unveröffentlicht. Da springen dem Leser historische Aufnahmen des Hauptbahnhofs ins Auge zu einer Zeit, als die Straßenbahn noch mitten durch die Innenstadt fuhr.

Wer da keine wehmütigen Gefühle entwickelt, vor allem angesichts des damaligen Bahnhofsvorplatzes, der hat Bonn noch nicht als wahre Heimat entdeckt. Denn heute verschandeln Südüberbauung und Bonner Loch diesen Ort. Die historische Bebauung war in den 70er Jahren dem U-Bahn-Bau zum Opfer gefallen.

Wer noch dazu ein Herz für Lokomotiven, Straßenbahnen und alte Bahnhöfe besitzt, liegt bei diesem Buch goldrichtig. Denn so gut wie jeder Bahnhof Bonns, und das waren früher viele, ist in dem Buch abgebildet. Wie etwa der Rheinuferbahnhof, der ein Stück nördlich des Hauptbahnhofs lag und mit seinen Triebzügen Bonn und Köln verband. Heute fährt die Stadtbahnlinie 18 auf dieser Trasse.

Verkehrsmittel in BonnWie der Autor schreibt, war und ist Bonn eine Drehscheibe des Verkehrs. "Neben den drei großen staatlichen Schienensträngen, die das Stadtgebiet noch heute in ganzer Länge durchlaufen, fanden sich Gleisanlagen mehrerer Privatbahnen unterschiedlicher Spurweiten im Stadtgebiet und der näheren Umgebung", erklärt Stern.

Zwei Bahnbetriebswerke, eine Eisenbahnfähre (Trajekt), Schnellzüge auf der Rheinuferbahn, "Badewannen" auf der Diplomatenbahn nach Bad Godesberg und zwei Zahnradbahnen im Siebengebirge sorgten für Abwechslung. Hinzu kamen das städtische Straßenbahnnetz, die Fernbahnen nach Siegburg und Bad Honnef sowie O-Bus und Omnibus. Der Rhein, ein Verkehrsstrang erster Güte, der Regierungsflughafen in Wahn und nicht zuletzt Deutschlands älteste Autobahn, die A 555, unterstreichen Bonns Bedeutung als Verkehrsknoten."

Oder wussten Sie, dass es mal eine Eisenbahnfähre (Trajekt) gab, die in der Frühzeit des Schienenverkehrs den Rhein von der Gronau hinüber nach Oberkassel querte? Die Lage entspricht in etwa der heutigen Südbrücke. Auf drei Fährpontons von je 70 Metern Länge konnten bis zu zehn Güterwagen oder sieben Personenwagen mit der Fähre übergesetzt werden. In der Regel setzten die Lokomotiven aber nicht über. Erst 1963 wurde die Strecke stillgelegt.

Auf jeder Seite des Buches springen Gleise und Schienen ins Auge. Stern beschreibt sogar die Historie der Bergbahnen ins Siebengebirge, nämlich die Drachenfels- und die Petersbergbahn. Letztere existiert seit 1958 nicht mehr, die 1,75 Kilometer lange Strecke wurde nach einem Unglück auf der Drachenfelsbahn außer Betrieb genommen. Vieles, wie auch das "Schellenmännchen" in Bad Godesberg, ist Vergangenheit. Das Buch erweckt sie aber dank der zahlreichen großformatigen Bildmotive zu neuem Leben.

EK-Verlag Freiburg, 2015 , 120 Seiten, Format DIN A 4 quer, ca. 200 Abbildungen, 24,80 Euro, ISBN 978-3-8446-6207-8, www.ekshop.de

Der Autor

Volkhard Stern (54) ist Diplom-Verwaltungswirt, arbeitet in der Konzernzentrale der Deutschen Telekom AG in Bonn und ist seit rund 40 Jahren als Verkehrshistoriker aktiv, widmet sich aber auch der Postgeschichte. Seine Erkenntnisse hat er in mittlerweile in zehn Fachbüchern dokumentiert.

"Mich interessieren die Zusammenhänge des Verkehrs im öffentlichen Raum, zu Lande, zu Wasser und in der Luft", sagt Stern zu seiner Passion. Das besondere Augenmerk gilt dabei dem Überlandlinien- und dem Schienenverkehr. Der gebürtige Bremer lebt in Friesdorf und betreibt auch die Webseite www.kraftpost.de. Dort berichtet er, wie es nach der Postkutsche weiterging.

Bonner Verkehrsgeschichte

  • 1844: Eröffnung der Bonn-Cölner Eisenbahn, 1856 verlängert nach Godesberg - Mehlem -Rolandseck.
  • 1870: Eröffnung der rechtsrheinischen Eisenbahnstrecke Oberkassel - Neuwied.
  • 1885 Eröffnung des heutigen Hauptbahnhofsgebäudes.
  • 1902: Die erste elektrische Straßenbahn verbindet Bonn mit dem Beueler Bahnhof.
  • 1906: Eröffnung der Rheinuferbahn.
  • 1945: Deutsche Truppen sprengen die alte Rheinbrücke Bonn - Beuel.
  • 1950: Der Flughafen in Wahn öffnet.
  • 1952: Godesberg gründet ein Busnetz in eigener Regie.
  • 1959/60: Bau und Eröffnung der Bonner Stadtautobahn vom Endenicher Ei bis zum Bonner Nordverteiler.
  • 1967: Herausnahme der Straßenbahnlinien aus der Friedrichstraße. Die Nordbrücke wird eröffnet, der Bau der U-Bahn beginnt.
  • 1969: Einstellung des Betriebs der Wesselbahn bis Poppelsdorf.
  • 1972: Die Südbrücke wird eröffnet.
  • 1974: Aufgabe des innerstädtischen Straßenbahnverkehrs über Münster- und Friedensplatz.
  • 1979: Schließung des Ellerbahnhofs in der Nordstadt.
  • 1982: Erster Betriebstag des Lufthansa-Airport-Express zwischen Düsseldorf und Frankfurt.
  • 1985: Letzter Betriebstag des Rheinuferbahnhofs.
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