Mangelnde Nachfrage Aus für die Bücherei im Waldkrankenhaus Schweinheim

Schweinheim · Die Bücherei im Waldkrankenhaus hat für immer geschlossen. Die Krankenhaus-Verwaltung gibt mangelnde Nachfrage als Grund an. Die Mitarbeiter sind traurig.

Nun sind die Zeiten vorbei, dass Manuela Fritzsche mit ihrem Bücherwagen ins Krankenzimmer rollt und einen Roman oder Krimi ans Bett bringt. Immer verbunden mit ein paar persönlichen Worten. Seit 1970 gab es die Bücherei im Waldkrankenhaus, Ende des vergangenen Monats wurde sie geschlossen.

„Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht“, sagt der Kaufmännische Direktor des Krankenhauses, Daniel Siepmann. „Es gibt drei Damen in der Bücherei, zwei gehen in den Altersruhestand.“ Das sei ein Anlass für die Schließung. Siepmann hinterfragt aber auch, wie zeitgemäß der Service heute noch sei, wo viele nicht mehr lesen oder sich selbst ein Tablet oder einen E-Book-Reader mitbringen. Außerdem blieben die Patienten heutzutage weniger lange im Krankenhaus als früher. Fritzsche und Berthamarie Hiss, die beide über einen Stundenlohn beschäftigt sind, sowie ihre ehrenamtlichen Kolleginnen Sigrid Kölzer und Agneta Köppern sind traurig.

Bestand von 400 Büchern

„Ich habe eine Ausbildung zur Büchereiassistentin bei der evangelischen Kirche gemacht“, erklärt Fritzsche, wie sie aufs Buch gekommen ist. Zunächst arbeitete sie für die kirchliche Bücherei in Mehlem und stieß dann 1985 zum evangelischen Waldkrankenhaus der Johanniter. „Damals war Minje Kessel die Leiterin. Sie war stadtbekannt und sehr aktiv“, sagt die 75-Jährige.

Im Bestand waren bis zuletzt 4000 Bücher. Die Patienten bestellten am liebsten Romane und Krimis, freuten sich aber auch über die „Landlust“ im Abo. Zu haben waren alle Sparten der Literatur, Ratgeber, Bücher über Psychologie, Kunst und Technik sowie Biographien, Gedichte, CDs und Hörbücher. An den Kinder- und Jugendbüchern bestand etwas weniger Interesse. Interessant ist, dass der Lesestoff in 27 Fremdsprachen zur Verfügung stand. Darunter waren zum Beispiel die indoarische Sprache Urdu, die in Pakistan und Indien zu finden ist, und Tagalog (Philipinnen). Bekannter wird es mit Kurdisch, Persisch, Russisch, Türkisch, Englisch, Italienisch, Spanisch, Bosnisch, Albanisch, Bulgarisch und auch Chinesisch – Letzteres eher ein Ladenhüter. Das Gegenteil galt für die Großdrucke, über die sich ältere Patienten freuten.

„Armutszeugnis für das Krankenhaus“

Fritzsche hatte den Bestand 2010 digitalisiert und in allen Sprachen aufgearbeitet. Der Bücherwagen kam dann immer einmal pro Woche an jedes Bett. Wer wollte, nahm sich einen Schmöker direkt runter oder wählte etwas aus der Liste aus – alles kostenlos. Fritzsche und ihre Kolleginnen schafften am Tag vier Stationen. Sie bestätigen, dass das Interesse nachgelassen habe. Früher brachten sie 80 Bücher am Tag an die Kranken, heute sind es nur noch rund 30.

Die Schließung sorgte laut Fritzsche für Aufruhr im Haus. „Ärzte und Pflegepersonal sind entsetzt.“ Viele hätten den menschlichen Dienst des Bücherservice geschätzt. „Viele haben sich für den Besuch bedankt“, sagt die 75-Jährige, auch mit Briefen und Karten. „Es ist ein Armutszeugnis für das Krankenhaus.“ Sie habe vorgeschlagen, ihre 14 Wochenstunden künftig pauschal für 350 Euro im Monat zu absolvieren, denn „ich kann das nicht kostenlos machen“. Wenn dann im Jahr noch für 500 Euro in neue Bücher investiert würden, koste der Fortbestand der Bibliothek die Johanniter 4700 Euro jährlich. Bis zuletzt waren es 7400.

"Wir wollen das Leben erhalten"

Mitarbeitervertreter Christoph Diehl findet die Schließung auch schade, da das Büchereiteam die Patienten abgelenkt habe. Das Personal selbst habe nämlich kaum noch Zeit, „ist von vorne bis hinten eingespannt. Ruhe für ein Gespräch kommt selten zustande“. Außerdem rege Lesen den Geist an. Diehl wollte zuletzt noch einmal mit der Verwaltung reden, ob noch was zu retten sei. Angesichts der Millionenumsätze des Krankenhauses könne es nicht an den Kosten liegen, sondern eher daran, dass man die Räume brauche.

„Raumnot gehört zum Krankenhaus“, sagt Siepmann. Man habe das Angebot mit seinem großen sozialen Anteil schweren Herzens aufgegeben. Es gebe aber auch noch den Besuchsdienst im ehrenamtlichen Bereich mit den grünen Damen. „Wir wollen das Lesen für die Patienten erhalten“, sagt der Kaufmännische Direktor. Bücher könnten künftig in Schränken auf den Stationen stehen. Was dann noch übrig bleibt, könne vielleicht gespendet oder auf einem Flohmarkt für einen guten Zweck verkauft werden.

Fritzsche selbst wird es als Integrationslotsin bei der Stadt Bonn nicht langweilig: „Das mache ich auf alle Fälle weiter“, sagt sie. So bleibt ihr vielleicht mehr Zeit, daheim in Ruhe zu einem Buch zu greifen. „Ich lese am liebsten moderne Romane“, verrät sie.

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