Aus ganz NRW kommen Zwillingsfamilien nach Bad Godesberg
Alles mal zwei - Geburtsvor- und -nachbereitung ins Haus der Familie
Bad Godesberg-Plittersdorf. Und jetzt genau hingeschaut. Zwischen Klein-Luzie und Minou, die da gerade von Vater Wolfgang Hartung in ihren Babysitzen ins Haus der Familie (HdF) getragen werden, ist bei aller Liebe kein Unterschied zu entdecken.
Bei Jana und Lisa, schon ein wenig eher. Macht's vielleicht die Frisur? Aber wenn Tobias jetzt nicht das fesche Halstuch anhätte, dann würde das Gros der Leute, die sich an diesem Nachmittag im HdF drängeln, ihn prompt mit Brüderchen Filip verwechseln.
An der Friesenstraße 6 sind 40 Familien aus ganz NRW mit ihren Zwillingen angereist. Am Boden, an den Tischen, im Sandkasten draußen wuselt es nur so von Kindern, die sich wie ein Ei dem anderen gleichen. Zumal viele im Partnerlook gekommen sind. Man glaubt unwillkürlich, doppelt zu sehen.
Linktipp Kontakt über das HdF unter der Telefonnummer (02 28) 37 36 60 oder unter www.hdf-bonn.de"Es ist ja bei Zwillingen auch alles mal zwei, die Sorgen vorher, die Verantwortung und die Arbeit nach der Geburt", meint Dorothee von Haugwitz vom Einladerduo. Sie ist Hebamme und dazu auch selbst als Zwillingsschwester "vom Fach". Neben ihr steht die Kollegin, Psychologin Petra Lerch, selbst Mutter von Lars und Jan, die hier beim Treffen die Kellner-Rolle übernommen haben. Die beiden sind zwölf - und sind fast identisch. "Nein", wirft Schwesterchen Rieke hier ein. "Ich habe sie immer auseinander halten können."
Wobei Mutter Petra Lerch durchaus zugibt, ihre Jungs im Babyalter selbst nicht ohne Namensbändchen gelassen zu haben. "Dann habe ich sie mir mal in Ruhe nackt nebeneinandergelegt und an den Ohren etwas Unterschiedliches entdeckt." Ihre Söhne lachen. Die Lehrerin habe das noch lange nicht raus. An jedem 1. April würden sie sie mit einem Platz- oder einem Brillenwechsel reinlegen. "Da ist die chancenlos."
Von Haugwitz und Lerch haben vor zehn Jahren den NRW- und wohl auch bundesweit ersten Geburtsvorbereitungskurs für Zwillingseltern auf die Beine gestellt, mit einem speziell erarbeiteten Konzept. Seit gut zwei Jahren ist das Bonner HdF Veranstaltungsort.
Zwillingsgebärende brauchten besondere Betreuung, um vor, während und nach der Geburt die doppelte Belastung zu schultern, erklärt die Hebamme. "Da ist ein unheimlicher Bedarf, weil sich diese Eltern in den normalen Kursen nicht angesprochen fühlen."
Auch sie habe sich damals, schwanger mit ihren pfiffigen Jungs, beunruhigt gefühlt, berichtet die Psychologin. "Ich sah ja im dritten Monat schon so aus wie andere im sechsten." So beschlossen von Haugwitz und Lerch, selbst spezielle Vorbereitung anzubieten und daraus ein Netzwerk für Zwillingsfamilien zu bilden. "Toll, dass jetzt jedes Jahr noch so viele wiederkommen."
Wie etwa Tiskaya Mercan aus Rösrath mit ihren Söhnen. Es sei nicht immer leicht bei Zwillingen, jedem einzelnen gerecht zu werden, gibt sie zu. Aber die Umwelt mache einem das Leben am schwersten. "In der Verwandtschaft, in Kindergarten und Schule: Die vergleichen sie dauernd." Das "Sieh mal, der Umutcan kann das schon oder der Sharacan ist hier schneller", könne sie langsam nicht mehr hören.
Deshalb habe sie die zweieiigen Zwillinge auch in getrennte Klassen geschickt. "Die sind nämlich sehr unterschiedlich: der eine wild und sportlich, der andere ruhig und fleißig." Meist könnten Zwillinge aber auch ganz locker ihre Rollen tauschen, erklärt von Haugwitz.
Und dann schließlich, wenn man ihnen gerecht werde, ganz entspannt ihren individuellen Weg gehen. "Sie sind eben nur zusammen schon mal ein unschlagbares Team." Deshalb brauche man eben auch nicht jedem Fachbuch Glauben schenken, lächelt Psychologin Lerch. "Eltern sollten die Sache ganz pragmatisch angehen."