"Black Jackets"-Prozess "Bad Godesberg gehört uns"

BONN · "Zu alt", entfährt es einem der Angeklagten. Dabei ist die Frage des Richters eher rhetorischer Natur. "Wenn ich jetzt dorthin komme und sage, ich möchte 'Black Jacket' werden - was passiert dann?", hat sich der Vorsitzende Richter den Aufnahmebedingungen der Straßenbande angenähert, als er mit der prompten Entgegnung beschieden wird.

Es ist am zweiten Prozesstag eine der wenigen Momente der Situationskomik in einem Verfahren, in dem sich vier Angeklagte als mutmaßliche Mitglieder der "Black Jackets" unter anderem wegen räuberischer Erpressung, schwerer Körperverletzung und bandenmäßigen Drogenhandels verantworten müssen. Mindestens neun Personen sind laut Anklageschrift durch Schläge und Tritte zu Schaden gekommen, als die "Black Jackets" zwischen Frühjahr und Herbst 2012 in Bad Godesberg und Bonn ihr Unwesen trieben.

All diesen Taten widmet sich der zweite Verhandlungstag nur kurz. Der Reihe nach signalisieren die vier Angeklagten, welche Vorwürfe sie einzuräumen gedenken und verweisen auf ihre Aussagen gegenüber der Polizei. Ins Detail der Sachverhalte wird es gehen, wenn an den insgesamt 24 anberaumten Sitzungsterminen die Geschädigten und Zeugen ihre Sicht der Dinge darlegen werden.

Vorerst gilt das ganze Interesse des Gerichts den Strukturen der Gruppe. "Untereinander ist man höflich und nett, nach außen erwartet man Respekt und sorgt notfalls dafür, dass man ihn bekommt", schildert der 24-Jährige Umgangsform und Anspruch.

Er selbst soll einst am Telefon geäußert haben: "Godesberg gehört uns." Ob damit die "Kontrolle eines Stadtteils" gemeint gewesen sei, möchte der Richter wissen. Es sei, befleißigt sich der sportliche Angeklagte darzulegen, um Rivalitäten zu anderen Gruppen wie den "Fist Fighters" gegangen. Am Bestreben, diesen in verschiedenen Bonner Diskotheken das Türsteher-Monopol streitig zu machen, seien aber wegen Uneinigkeit auch die "Black Jackets" zerbrochen, noch bevor es im Januar 2013 zur Razzia kam.

Ohnehin bemüht sich die Verteidigung, die vermeintliche Straßengang als Kinderkram abzutun. Dass es dort ähnlich wie bei den Hells Angels einen "Sergeant in Arms" gab, der für die adäquate Bewaffnung der 30 Personen starken Gruppe Sorge zu tragen hatte, notieren die Richter aufmerksam; ebenso wie Aussagen zum Mitgliederstatus. Um den war es bei den Vieren unterschiedlich bestellt: Vom "Türöffner" über den Seiteneinsteiger und den vermeintlich arglosen Sympathisanten mit Erinnerungslücken bis zum vergeblich um Aufnahme bittenden Anwärter ist alles vertreten.

Bereits am zweiten Tag wirkt der Prozess symptomatisch für viele Fälle, wie sie vor deutschen Gerichten allgegenwärtig sind. Junge Männer aus kinderreichen Migrantenfamilien, die trotz rechtschaffener Eltern ob ihrer Bildungsdefizite im Arbeitsmarkt keinen Fuß fassen. Als sich schließlich Frust, Langeweile und eine niedrige Hemmschwelle zu einer schwer bekömmlichen Melange verbinden, bekommen Altersgenossen die latente Gewaltbereitschaft auf offener Straße brutal zu spüren. Das Quartett aus Godesberg muss am kommenden Montag wieder auf der Anklagebank Platz nehmen.

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