Flüchtlingsarbeit in Bad Godesberg Am Runden Tisch sitzt nun ein neuer Vorsitzender

Bad Godesberg · Von Digitalisierungshilfen für sozial Schwache bis zur Sicherung von Ferienfreizeiten: Das Netzwerk Godesberger Flüchtlingshilfe setzt seine Arbeit mit neuer Leitung fort. Pater Gianluca Carlin löst Pfarrer Daniel Post als Vorsitzender ab. Mehr als 50 Organisationen machen beim Runden Tisch mit.

 Pfarrer Daniel Post (r.) übergibt die Leitung des Runden Tischs an Pater Gianluca Carlin. Seine Stellvertreterin wird Stephanie Scholz (2.v.l.), Koordinatorin bleibt Alice von Spee.

Pfarrer Daniel Post (r.) übergibt die Leitung des Runden Tischs an Pater Gianluca Carlin. Seine Stellvertreterin wird Stephanie Scholz (2.v.l.), Koordinatorin bleibt Alice von Spee.

Foto: Ebba Hagenberg-Miliu

Der „Runde Tisch Flüchtlingshilfe Bad Godesberg“ ist mit frischem Elan ins neue Jahr gestartet. „Die Bedeutung des Runden Tischs und die Vernetzung der Akteure haben seit 2015 an Dringlichkeit nicht verloren“, erklärte Pater Gianluca Carlin bei einem Pressegespräch. Der leitende Pfarrer des katholischen Gemeindeverbands Bad Godesberg hat gerade den Vorsitz der Arbeitsgruppe von seinem evangelischen Kollegen Pfarrer Daniel Post übernommen.

Er freue sich auf die Moderationsaufgabe in der Runde von 50 in der Flüchtlingsarbeit vor Ort tätigen Organisationen, Vereinen und Initiativen, erklärte Carlin. Und er sehe diese wichtige Netzwerkarbeit als „Chance gerade auch für uns Christen, unser Ureigenes wieder zu stärken“. Für Flüchtlinge habe es in Godesberg bislang schon enorme Hilfen gegeben. „Wir sollten uns jetzt fragen: Was haben diese Hilfen vor Ort für die Menschen, die bei uns geblieben sind, bewirkt?“ Aber auch die Perspektive der Einheimischen sollte im Blick sein. Anfangs sei es sicher ein Fehler gewesen, diese automatisch verpflichtet zu sehen, Verzicht zu üben, meinte Pfarrer Carlin. „Denn selbstverständlich waren die Hilfen eben nicht.“ Auch hier wolle er die Diskussion anregen und dafür werben, den Zuzug als Chance anzusehen.  

608 geflüchtete Menschen leben in Bad Godesberg

Laut Presseamt sind aktuell seitens der Stadt 608 geflüchtete Menschen in Godesberg untergebracht. Davon leben 158 in Gemeinschaftsunterkünften und die restlichen 450 schon selbstständig in Wohnungen. Die meisten kommen aus Syrien (168) und Afghanistan (135). Danach folgen der Irak (58) und die Flüchtlinge aus der russischen Föderation (45). Die zentrale Unterbringungseinrichtung des Landes in der Deutschherrenstraße, die bis zu 500 Menschen beherbergen kann, ist derzeit laut Aussage der Bezirksregierung aufgrund von Brandschutzarbeiten nicht belegt.

Er blicke auf eine trotz Pandemie kontinuierliche, gute Zusammenarbeit am Runden Tisch zurück, erklärte Pfarrer Post, der seit 2019 Vorsitzender war. Dabei kümmere sich die Arbeitsgruppe immer sowohl um die in Godesberg verteilten als auch um die in der Deutschherrenstraße betreuten Menschen. Die Schwerpunkte der Arbeit hätten sich natürlich verändert: Anfangs sei es um die Aufnahme und konkrete Unterstützung einzelner Personen oder Familien gegangen. „Inzwischen fragen wir: Wie funktioniert Integration in unserem Stadtbezirk?“, sagt Post. „Und wie können wir noch besser Wohnraum zur Verfügung stellen?“ Die großen Kirchen, deren Wirken aktuell so schmerzlich infrage gestellt werde, machten doch gerade in der Flüchtlingshilfe deutlich, „welchen Aufgaben wir uns in der Zivilgesellschaft stellen“.

Viele neue junge Ehrenamtliche machen mit

Wegen der Vielfalt der 50 Player am Runden Tisch sei es nicht möglich, für Godesberg eine Gesamtzahl der haupt- oder ehrenamtlich Tätigen zu nennen, ergänzt Alice von Spee als Koordinatorin des Runden Tischs. Aus den katholischen und evangelischen Gemeinden kämen jedenfalls über 100 Helfer, „tendenziell ein wenig mehr Frauen als Männer“. Sicher hätten sich im Laufe der Pandemie ältere Helfer mit Vorerkrankung lieber zurückgezogen, merkt von Spee an. „Aber zu unserer großen Freude kamen viele junge Menschen hinzu, die sich neben der Schule oder ihrem Vollzeitjob um Geflüchtete kümmern.“

Carlins neue Stellvertreterin am Runden Tisch, Stephanie Scholz vom Godesberger Verein Ausbildung statt Abschiebung (AsA), brachte die Perspektive nicht kirchlicher Mitglieder mit ein. Sie empfinde die unkomplizierte Vernetzung und Kooperation so unterschiedlicher Teilnehmer als ungeheuer bereichernd, meinte Scholz. „Alle können gemeinsam aktiv werden. Und die Arbeit liegt auf mehreren Schultern.“ Eine starke Leitung dieser wichtigen Plattform werde die Integration der Geflüchteten positiv beeinflussen, wandte sie sich an Pfarrer Carlin. Als wertvoll sah die AsA-Vertreterin besonders die jährliche Veranstaltungsreihe „Gemeinsam unsere Zukunft gestalten“ an, die sich auch in diesem Jahr ab März mit kostenlosen Fortbildungsangeboten an Ehrenamtliche wendet.

Dank an den scheidenden Vorsitzenden

Von Spee dankte Pfarrer Post für seinen Einsatz: „Wir haben ihn als engagierten und aktiven Moderator geschätzt.“ Der Tisch verfüge durch Spenden und Kirchenkollekten weiterhin über „ein gewisses Polster“, um Anträge positiv bescheiden zu können: In letzter Zeit seien etwa Hilfen zur Digitalisierung in sozial schwachen Ortsteilen und Zuschüsse für Ferienfreizeiten gewährt worden, so von Spee. Seit 2019 wurden Anträge im Gesamtwert von 2.500 Euro bewilligt. „Wir können also einiges wuppen.“ Jedoch sei man unbedingt auf weitere Spenden angewiesen.

Bekommt denn die Godesberger Flüchtlingshilfe auch Kritik von außen ab? Der bisherige Vorsitzende verneinte: Er habe keine Hassmails erhalten. Von Spee wiegte den Kopf. Als sich der Runde Tisch kürzlich dafür stark machte, dass Bonn bei Bedarf auch weitere Flüchtlinge aufnehmen möge, sei sie am Telefon beschimpft worden, berichtete die Koordinatorin. Was sie aber eigentlich alle nur bestärke, sich weiter zu engagieren.

Kontakt zum „Runden Tisch“, ☎ 01 75/2 37 81 09, E-Mail:rundertisch@godesberg.com

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