Philosophie im Haus der Familie An der Grenze zur Überforderung

PLITTERSDORF · Wie steht es um die Barmherzigkeit in unserer Gesellschaft angesichts der Flüchtlingsströme? Und warum fällt es oft schwer, im Alltag mit Fremdheit umzugehen?

Diese Fragen bestimmten den Montagabend, zu dem Regina Uhrig, Leiterin des Hauses der Familie der evangelischen Thomas-Kirchengemeinde, und die Referentin, Philosophin Christina Rose, in die Familienbildungsstätte eingeladen hatten.

"Die Idee zur Veranstaltung ist spontan entstanden. Nach der Ankunft der Flüchtlinge in München haben sich über 100 Menschen bei uns gemeldet, um zu helfen. Wir bauen derzeit ein Kontaktcafé auf, um möglichst in jeder Gemeinde längerfristig Kontakte zu Flüchtlingen herzustellen. Koordination ist gefragt, denn alle wollen was tun. Und dennoch: Ich bin nicht an Schnappatmung, sondern an einem langen Atem interessiert", sagte Uhrig.

Insbesondere wurde das moralische Handeln thematisiert. "Humanität ist das erste Gefühl von Menschlichkeit. Alle reden von Barmherzigkeit, solange die Anderen es machen. Was passiert aber, wenn die Menschen wirklich zu uns kommen? Es ist alles schön, wenn es die ersten drei Monate sind. Kann man sich langfristig darauf einlassen?", spitzte Uhrig bewusst zu.

Die Referentin Christina Rose zitierte den amerikanischen Intellektuellen und Philosophen Michael Walzer. "Moralisches Handeln ist nach Walzer auf zwei Wegen möglich. Durch die Emotion, sprich Barmherzigkeit, und zum anderen durch das Ergebnis von Gesprächen. Dem gegenüber steht das Zögern und Nachdenken. Beispielsweise: Sind das wirklich Flüchtlinge, die zu uns kommen? Oder sind meine Spenden wirklich entbehrlich?", erklärte Rose.

Die Teilnehmer diskutierten intensiv. Sie wünschten sich künftig mehr qualitative Informationen. "Medien sollten nicht so viel mit Emotionen spielen; weniger ist mehr!", so eine Teilnehmerin. Immer wieder kam auch die Frage auf, wie der Einzelne sich einbringen könnte.

Die Teilnehmer kamen zu dem Ergebnis, dass nur Selbstliebe die Voraussetzung und Notwendigkeit für Fremdliebe sein kann. "Wir müssen uns vielleicht auch überlegen, langsamer zu werden. Ich selber bin derzeit an der Grenze von Überforderung, es geht den Ehrenamtlichen genauso. Auf der anderen Seite ist es gut. Wir haben nicht so viel Not vor Ort und können uns auf die Menschen vorbereiten. In anderen Großstädten ist dies nicht so der Fall", bezog Regina Uhrig Stellung.

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