Alt aber modern An der Zellulose scheiden sich die Geister

Bad Godesberg · Beim Umbau ihres Altbaus zum Passivhaus hat die Bad Godesberger Eigentümerin mit den Vorgaben zu kämpfen. Eigentlich hat Eigentümerin Naphawan Böttcher Zukunftsweisendes vor mit ihrem geschichtsträchtigen Altbau, den sie Ende vergangenen Jahres an der Bonner Straße in Bad Godesberg erworben hat

 Mit Abstandsproblemen kämpfen Naphawan Böttcher (l.) und Architektin Nicole Wolff.

Mit Abstandsproblemen kämpfen Naphawan Böttcher (l.) und Architektin Nicole Wolff.

Foto: Axel Vogel

Nachdem das rund 200 Quadratmeter große Wohnhaus Bomben und Besatzer des Zweiten Weltkrieges, wie berichtet, ebenso überstanden hat wie den Bau des Stadttunnels, der genau unter dem 1905 gebauten Gebäude verläuft, soll es nun zum Passivhaus werden. Jenes Haus, in dem Bad Godesberger Arzt Paul Pies gewohnt hatte, der im März 1945 durch seine Beteiligung bei den Übergabeverhandlungen mit den anrückenden GIs Stadtgeschichte schrieb.

Die Herausforderung an dem Projekt ist: "Auch wenn Familie Böttcher möglichst ökologisch und energieeffizient sanieren will, soll die Architektur und die Besonderheiten des Altbaus weitgehend erhalten bleiben", erklärt Architektin Nicole Wolff. Was aber Bauherrin und Architektin bereits im Anfangsstadium ihr Sanierungsvorhaben schwer macht: Nach ersten Vorgesprächen mit der Stadt für den Bauantrag hat das zuständige Bauordnungsamt eine Reihe von Rückfragen. Mit ihrem Zeitplan sind sie deshalb in Verzug.

Es gibt gleich mehrere Punkte, die Architektin Wolff nun mittels einer "Bauvoranfrage" bei der Stadt klären muss. Diese nimmt in den Regel acht Wochen in Anspruch, so sagt sie. Erst dann kann der eigentliche Bauantrag eingereicht werden. "Durch die etwa 40 Zentimeter breite Dämmung der Gebäudehülle rückt der Bestandsbau vor allem auf der Südseite näher an die Nachbarbebauung heran. Nach der aktuellen Bauordnung muss ein Grenzabstand von drei Metern eingehalten werden. "Bei dem alten Pies-Haus waren es ohnehin nur 1,65 Meter, die sich jetzt noch um die Dämmung reduzieren würden", erklärt Wolff.

Es gibt weiteren Klärungsbedarf: "Die hocheffiziente nachträgliche Wärmedämmung würden wir sowohl an den Traufseiten wie auch am Giebel mittels eines Holzfachwerks ausführen, welches mit Zellulose ausgeflockt wird", schreibt Wolff in der Bauvoranfrage. Mit dem Dämmstoff hat die Stadt allerdings ein Problem.

Zu einem sei der Dämmstoff wenig bekannt, bekam Wolff bereits in dem Vorgespräch zu hören. Zudem wurde auf den Brandschutz verwiesen. Für Expertin Wolff völlig unverständlich: "Zellulose brennt nicht", sagt sie mit Hinweis auch auf einschlägige Fachmagazine. Zudem handele es sich bei dem Material um einen ökologischen Dämmstoff, der atmungsaktiv ist und auch gute Dienste als Wärmeschutz im Sommer leiste. Dass man in Sachen Brandschutz nicht genügend getan habe, bestreitet auch Bauherrin Böttcher: "Da die Giebelseite als Gebäudeabschlusswand gilt, wird der Brandschutz nach innen durch das bereits bestehende, starke Mauerwerk gewährleistet. Das erreicht auf alle Fälle die vorgeschriebene Feuerwiderstandsklasse F90", betont Böttcher. Anders formuliert: Das Material würde einem Feuer 90 Minuten lang Stand halten. "Andere Materialien kommen aufgrund der geringen Bauteilstärken nicht infrage", erklärt Architektin Wolff. Schaumglas wäre zwar geeignet. "Aber es ist rund doppelt so teuer wie Zellulose", sagt die Bauherrin.

Natürlich sei man gewillt, sich an die Vorschriften der Bauordnung zu halten. "Aber bei einem über 100 Jahren alten Haus, sollte man vonseiten der Stadt einem innovativen und sanierungswilligen Bauherren etwas mehr entgegen kommen und den Ermessensspielraum zur Optimierung des Bestandes nicht zu eng fassen", meint Naphawan Böttcher. Sie vermisst vor allem eine Hilfestellung der Entscheider.

Für Böttcher ist das umso bedauerlicher, weil ihr Haus einen gewissen Vorbildcharakter für die Sanierung weiterer Altbauten an der Bonner Straße bekommen könnte. Nicht von ungefähr hätte die Hochschule Bremerhaven eine Bachelorarbeit an eine Studentin vergeben, die sich jetzt mit der Straßenzugsanierung befassen wird, ergänzt Wolff. Als Aufhänger für die Arbeit diene eben das Haus der Familie Böttcher. Horst Behr, Vorsitzender des EnergieKompetenzKreis Bonn/Rhein-Sieg hatte eine solche Arbeit laut Wolff angeregt.

Bei der Verwaltung kann man die Vorwürfe nicht ganz nachvollziehen. "Es gab ja bereits kürzlich eine Vorbesprechung, bei der die zuständigen Kolleginnen der Familie erklärt haben, was geht und was nicht", sagte Elke Palm von der Pressestelle der Stadt. Um jetzt unklare Punkte zu klären, sei ja die Bauvoranfrage angeregt worden: "Das ist besser, als wenn man später in dem Bauantrag nachliefern muss", so Palm. Das, was die Stadt zu kritisieren habe wie den Brandschutz, seien lebenswichtige Dinge: "Da müssen wir auch schon die andere Seite sehen, so lobenswert auch ein ökologisch gedämmtes Haus ist". Gleiches gelte für die Zellulose: "Die ist brennbar und nicht ungefährlich."

Der General-Anzeiger berichtet in loser Folge über das Sanierungsprojekt in Bad Godesberg.

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