Kein Kunstrasen in Sicht Asche vernebelt Fußball-Zukunft

BAD GODESBERG · Im Sommer staubt es, im Herbst gleicht der Platz einem Tümpel, Spieler wechseln in Scharen zu umliegenden Vereinen. So beschreibt Anita Kirchner, Geschäftsführerin beim 1. FC Godesberg-Ringsdorff, die Situation in ihrem Verein. Der alte Tennenplatz in Mehlem bereitet dem Verein seit Jahren Sorgen.

Mittlerweile muss der Verein ohne eine A-Jugend-Mannschaft auskommen, die 17- bis 19-Jährigen kicken lieber in den umliegenden Vereinen, denn dort gibt es etwas, was sie beim Traditionsverein von 1919 nur allzu gerne hätten: Kunstrasen.

"Es ist eine Existenzfrage geworden", weiß Kirchner. Nicht nur in ihrem Verein. Der erst 2006 gegründete Godesberger Fußballverein (GFV) spielt im Alten Godesberger Stadion. Doch der Aufbau einer richtigen Jugendabteilung ist ob des maroden Tennenfelds schwierig. "Wir arbeiten aktuell daran, eine vierte Jugendmannschaft zusammen zu kriegen, aber die meisten Eltern wollen natürlich, dass die Kinder auf Kunstrasen spielen", berichtet Geschäftsführer Marc Walbröl.

Diese Erfahrung hat man auch beim ISC Al-Hilal gemacht, der auf dem Heiderhof den dritten verbliebenen Bad Godesberger Ascheplatz bespielt. Vor der Saison wechselte die gesamte F-Jugend, der Jahrgang für Kinder zwischen sieben und acht Jahren, nach Lannesdorf.

Dabei bildet der Verein, der 2010 und 2012 mit seinem Fußball-Projekt Integrationspreise gewann, eigene Trainer aus, Sportwart Younis Kamil selbst ist lizensierter DFB-Trainer. Er weiß aber auch: "Kunstrasenplätze ziehen mehr an als jeder gute Trainer." Der Verein hat über 1000 Mitglieder, Fußball dabei nur eine Abteilung - mit ungewisser Zukunftsperspektive. "Wir bringen jetzt die Saison zu Ende, dann schauen wir weiter", sagt Kamil.

Denn Besserung scheint auch in 2014 nicht in Sicht. Ende des vergangenen Jahres einigten sich 21 der im Stadtsportbund (SSB) organisierten Vereine zwar auf eine Prioritätenliste, die sich an einer Liste des Sport- und Bäderamts orientierte. Das Problem: Im September 2013 hatte die Ratsmehrheit diese Verwaltungsliste abgelehnt und das Amt beauftragt, den Kriterienkatalog zu ergänzen. Laut Martin Herkt, Leiter des Sport- und Bäderamts, seien die von der Politik gewünschten Punkte jedoch von Anfang berücksichtigt worden. Die Verwaltung plane daher aktuell keine weiteren Veränderungen.

Ohne die wollen wiederum die Koalitionsparteien an ihrem Beschluss festhalten und zunächst in Endenich, im Sportpark Nord und in Beuel Kunstrasenplätze bauen. Außerdem soll die Sanierung des Stadions Pennenfeld Priorität haben, bevor weitere Vereine den rund 500.000 Euro teuren Kunstgrünbelag erhalten.

Für die Godesberger Vereine, die in der Prioritätenliste des SSB auf Rang drei (1.FC Godesberg-Ringsdorff) und sechs (ISC Al-Hilal) stehen, oder im Fall des GFV gar nichtberücksichtigt werden, könnte es zu spät sein, müssten sie noch weitere Jahre warten. Ende 2013 wurde der Verwaltung daher ein Modell vorgestellt, dass es den Vereinen erlaubt, vorzeitig mit dem Platzumbau zu beginnen, in dem man in Eigenregie den nötigen Kredit aufnimmt, den die Stadt zu einem späteren Zeitpunkt tilgt.

In der Stadtverwaltung ist von dem Plan angetan, muss aber zunächst juristische Fragen klären, schließlich sind die Plätze städtisches Eigentum, Umbauarbeiten müssten folgerichtig auch von der Stadt ausgeschrieben werden. Man prüfe die Möglichkeiten, erklärt Martin Herkt im Gespräch mit dem GA und spielt den Ball zurück zur Politik: Voraussetzung für das oben beschriebene Modell sei ohnehin eine von allen Seiten akzeptierte Liste, die den Vereinen Klarheit verschafft, wann sie planmäßig mit einem Kunstrasenbelag rechnen können. Aktuell herrscht bei diesem Thema zwischen Verwaltung und Politik Stillstand. Wie vielleicht auch bald auf den Godesberger Ascheplätzen.

Kriterien der Prioritätenliste zum Kunstrasenbau

Bislang berücksichtigt die Verwaltung folgende acht Kriterien für die Prioritätenliste: Anzahl der Kinder- und Jugendlichen in der Fußballabteilung, künftige Nutzungsdauer, Anzahl der Mannschaften im Spielbetrieb, Bevölkerungsentwicklung im Einzugsgebiet, Ausgeglichenheit der Stadtbezirke, Mitgliederentwicklung in den Vereinen, Verhältnis lizenzierter Übungsleiter zu Mitgliedern, Besonderheiten in der Stadtentwicklung.

Die Politik möchte die Kriterien durch folgende Punkte ergänzt wissen: Soziale Rahmenbedingungen, Spielklasse des Vereins, die Anzahl Mannschaften und die stadtgeografische Positionierung (Entfernung zum nächsten Kunstrasenplatz).

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