Wachtberg für Einsteiger, Teil 5 Auf den Spuren der Wirtschaft im Drachenfelser Ländchen

BAD GODESBERG · Nirgendwo im Rhein-Sieg-Kreis gibt es mehr Kaufkraft als in der Gemeinde Wachtberg (26.228 Euro pro Einwohner). Irgendwo wollen die Leute doch sicherlich ihr Geld ausgeben, habe ich mich gefragt. Außerdem wollte ich herausfinden, wo denn die 2774 Menschen, die hier sozialversicherungspflichtig tätig sind, einen Arbeitsplatz finden.

 Adendorfer Brennfest: Töpfermeister Thomas Hansen mit dem Salzlöffel. Das Salz ist das Geheimnis der Glasur.

Adendorfer Brennfest: Töpfermeister Thomas Hansen mit dem Salzlöffel. Das Salz ist das Geheimnis der Glasur.

Foto: Axel Vogel

Also bin ich losgezogen: zu den traditionellen Handwerksstätten in Adendorf oder Fritzdorf, zu den kreativen Selbstständigen vom Backformverleih in Niederbachem wie auch zum größten Arbeitgeber im Ländchen, den beiden Instituten der Fraunhofer-Gesellschaft.

Töpferei in Adendorf

45 Töpfereien liegen entlang des Töpferpfads in Adendorf. Na gut, meist lagen sie auf dieser Route. Denn wo früher die Öfen qualmten, stehen heute Einfamilienhäuser. In einigen Fällen erinnert eine Tafel an das traditionelle Gewerbe, das früher in den dahinterstehenden vier Wänden ausgeübt wurde. Doch Ursula Perkams, die mich zum Rundgang eingeladen hat, kann auch zu den nicht ausgeschilderten Werkstätten Anekdoten erzählen.

Aber nur Anekdoten reichen nicht. Früher, im Kindergarten, war das Spielen mit Ton eine meiner liebsten Beschäftigungen. Sagen zumindest Erinnerungsfotos. Jetzt geht es in eine von drei verbliebenen Töpferwerkstätten, um zu erleben, dass aus Ton mehr als nur unförmige Klumpen werden können.

In der mittlerweile vierten Generation führt Thomas Hansen die Töpferei Hansen und erzählt: "Ich hatte Glück, dass ich eine Lücke auf dem Markt gefunden habe. Ohne die ist man sonst schnell platt." Besteckbehälter und Tongläser, vor allem aber Senftöpfe für die großen Kölner Brauhäuser und eine Düsseldorfer Senfmarke produziert der Adendorfer in seiner Kellerwerkstatt. Im Übrigen auch für mein Stamm-Brauhaus in der Südstadt. Sympathisch. Noch mehr Eindrücke aus der Adendorfer Töpfergeschichte gibt es dann noch im "Töpfereimuseum", das Senior Hansen oberhalb der Werkstatt eingerichtet hat und ab und an stolz für Besucher öffnet.

Backformladen in Niederbachem

"Ein wenig verrückt, so wie icke", besser könnte Esther-Michaela Turley ihr Geschäft nicht beschreiben. Mit Berliner Akzent, einer netten Ergänzung zum Ländchen-Mix aus Pfälzisch und Rheinländisch, erklärt sie mir "Emis Backformenverleih": "Wir haben über 900 Backformen im Angebot. Nur jede vierte kann man kaufen, der Rest ist zu selten, die verleihen wir nur." Der Laden, der einzige seiner Art bundesweit, liegt mitten in Niederbachem.

Und auch wenn ein Großteil der Anfragen über das Internet kommt, so soll man nicht meinen, Turley habe in den drei Stunden, die sie täglich öffnet, keine Kundschaft. Allein während meines Aufenthalts kommen drei von ihnen. Eine besondere Form für den Geburtstag des Neffen. Eine Vorbestellung für eine Hochzeitstorte oder einfach, um sich von den Formen-Maßen auf nicht mal 60 Quadratmetern begeistern und inspirieren zu lassen. Begeistert begrüßt wird jeder, der hier reinkommt, inklusive Rundum-Beratung: Welche Form für welchen Anlass? Esther-Michaela Turley kann helfen und hat meist auch noch einen Rezepttipp parat.

Mit der normalen Obsttorte werde ich mich zum nächsten Geburtstag nicht zufriedengeben. Nicht jetzt, wo ich weiß, was es alles für verrückte Backformen gibt.

Fraunhofer-Institut in Berkum

"Was ist eigentlich in dieser Kugel?", war, glaube ich, eine der ersten Fragen die mir durch den Kopf schoss, als ich durch Berkum fuhr. Nun bot sich die Chance, endlich mal hinter die Fassade des runden Etwas zu blicken, was da oben auf dem Wachtberg thront und verantwortet, dass im Radius von vier Kilometern kein Bauwerk eine bestimmte Höhe überschreiten darf.

Jens Fiege, Sprecher des Fraunhofer-Instituts für Hochfrequenzphysik und Radartechnik (FHR), empfängt mich nach einer Ausweiskontrolle mit Besucherschild ausgerüstet am Eingang und führt mich über das riesige Gelände, das Wachtbergs größten Arbeitgeber beherbergt. Fraunhofer beschäftigt hier in zwei Instituten rund 500 Mitarbeiter, gerade mal zehn bis 15 von ihnen sind für die riesige Radarkuppel zuständig.

Die wird im Übrigen noch bis zum Sommer renoviert und bekommt eine neue Hülle. Zu sehen ist davon bislang jedoch noch so gut wie nichts: Die Arbeiten verlaufen von innen nach außen, um die hochsensible Satellitenschüssel zu schützen. Beinah schade, denn die im Inneren aufgebaute Gerüstlandschaft ist absolut beeindruckend.

Treppenbauer in Fritzdorf

Seit 1958 baut Peter Schmitz Treppen in Fritzdorf. Anfangs waren er und sein Unternehmen eines unter vielen. Zwölf Treppenbaufirmen zählte der älteste Wachtberger Ort Anfang der 60er Jahre - heute gibt es neben Schmitz nur noch die beiden "Mitbewerber" von Treppenbau Kläser und Treppenbau Seidel. "Als die Industrie anfing, alles Mögliche in Treppen zu verwandeln, hat das das Handwerk des Treppenbauers zerstört", ist der 84-jährige Schmitz sicher.

Holztreppen sind heute ein Luxusgut, vor allem "die guten, die aus Eichenholz hergestellt werden", so der Unternehmer, der nach 50 Jahren an der Säge noch immer die Geschicke der Firma vom Büro aus leitet. Dort bekommt er mittlerweile immer weniger Neuaufträge, vielmehr gehe es darum, alte Treppen in denkmalgeschützten Häusern zu sanieren.

"Davon wird man kein Millionär mehr, aber es lässt sich leben", so Schmitz. Und es reicht, um auch sechs Mitarbeitern einen Arbeitsplatz zu geben und alle zwei Jahre einen neuen Auszubildenden einzustellen. Etwas, das dem ehemaligen Wachtberger Bürgermeister ein Anliegen ist: "Ausbildung gehört einfach dazu, sonst stirbt dieses schöne Handwerk bald endgültig."

Volo will's wissen

Clemens Boisserée ist seit Februar GA-Volontär. Die erste Station hat ihn in die Redaktion Bad Godesberg und Wachtberg geführt - in ein Gebiet, in das der gebürtige Kölner zuvor noch nie einen Fuß gesetzt hatte. Das ändert sich nun, der 24-Jährige soll Wachtberg mit all seinen Facetten kennenlernen.

In der letzten Folge blickt der "Volo" zurück auf die Zeit im Ländchen.

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