Verschwundene Wahrzeichen in Bad Godesberg Mit der Schmalspurbahn vom Heiderhof zum Rhein hinunter

Heiderhof · Bis vor 60 Jahren wurde in der Region noch Tagebau betrieben, zum Beispiel auf dem Heiderhof. Drei Förderbahnen führten zum Mehlemer Bahnhof und Rheinufer. Eine Spurensuche.

 Die Trassen der Förderbahnen führten von den Gruben hinunter ins Rheintal.

Die Trassen der Förderbahnen führten von den Gruben hinunter ins Rheintal.

Foto: Bonner Stadtarchiv

Basalt vom Lyngsberg, Quarzit vom Heiderhof und Ton von den Lannesdorfer Hängen – Der Süden Godesbergs hat einiges an Bodenschätzen zu bieten, was die hiesige Industrie jahrzehntelang stark geprägt hat. Heute kann man noch vereinzelt Spuren des einstigen Bergbaus entdecken.

Wer auf dem Heiderhof durch das vom Philosophenring umspannte Wohngebiet spaziert, kommt irgendwann an idyllischen Weihern vorbei – meist ohne zu wissen, dass sie ein Relikt des Tagebaus sind, der hier im 19. Jahrhundert seine Hochphase hatte. „Die Weiher sind nach der Stilllegung ehemaliger Gruben entstanden und haben sich durch Regenwasser und Grundwasser selbst befüllt“, erklärt Udo Schlosser vom Heiderhofer Bürgerverein. Heinrich Wolter (80) hat die letzten Jahre des Bergbaus und die Zeit danach als Kind und Jugendlicher erlebt. „Wir waren oben auf dem Weiher im Winter oft Schlittschuh laufen und im Sommer schwimmen“, berichtet der Lannesdorfer.

Bei der Recherche zu diesem Thema hilft auch ein Blick ins Archiv der Stadt Bonn und des Godesberger Heimatvereins sowie in die Festschrift vom Lannesdorfer Ortsausschuss. Demnach hat man an der vorspringenden Kuppe des Lyngsbergs schon im Mittelalter Basalt abgebaut; im 19. Jahrhundert kamen dann Ton und Quarzit hinzu. Abgebaut wurde zunächst unterirdisch in Schächten, dann oberirdisch im Tagebau. Die Bodenschätze wurden vor Ort zu feuerfestem Material verarbeitet oder am Mehlemer Bahnhof bzw. Rheinufer verladen.

Förderbahntrassen ersetzten Pferdefuhrwerke

Für den Abtransport benutzte man anfangs Pferdefuhrwerke, die jedoch mit ihren schweren Lasten vermehrt zu Wegschäden führten. So entstanden um 1880 sukzessive drei Förderbahntrassen, auf denen die vollen Kippwagen an Seilen heruntergelassen und die leeren gleichzeitig heraufgezogen wurden. Unten in der Ebene kamen dann wieder Pferdestärken zum Einsatz. „Mir Pänz sind gerne in die leeren Loren reingesprungen“, berichtet Heinrich Wolter, „aber oben natürlich kurz vorher wieder abgesprungen, damit sie uns nicht erwischten.“

Tausende von Waggons bahnten sich auf diese Weise Jahr für Jahr ihren Weg durch Lannesdorf, was in dem kleinen Ort zu großen Beeinträchtigungen führte, aber gleichzeitig zahlreiche Menschen in Lohn und Brot brachte. Auch viele Bauern betrieben neben ihrer Landwirtschaft noch ein lukratives Fuhrgeschäft.

Der Verlauf der drei Schmalspurbahnen ist mittlerweile mangels sichtbarer Schienen nur noch anhand alter Karten und Schriftstücke nachvollziehbar. Von der Grube unter dem verwaisten Heiderhofer Sportplatz lief die Strecke der Lyngsberg- bzw. Rhein-Dinas-Bahn durch eine Unterführung zur augenfälligen Vertiefung zwischen Lyngsberg- und Lindstraße – dem heutigen „Indianerspielplatz“.

Dort übernahmen Pferde den Weitertransport der Loren durch Splickgasse und Schenkpfädchen zum Mehlemer Bahnhof bzw. Firmengelände der Rheinischen Chamotte- und Dinas-Werke, die bis 1978 feuerfeste Steine für die Eisen- und Stahlindustrie sowie Baukeramik produzierten. Hier finden sich noch Spuren wie der Straßenname „Am Dinaswerk“ und mittendrin das elegante gelbe Haus, in dem früher die Verwaltung saß.

 Am Mehlemer Rheinufer verluden Arbeiter die schweren Gesteinsbrocken auf Lastschiffe.

Am Mehlemer Rheinufer verluden Arbeiter die schweren Gesteinsbrocken auf Lastschiffe.

Foto: Bonner Stadtarchiv

Die vom Dahlhausener Unternehmen Dr. Otto & Co. erbaute Fourthwegs- bzw. Otto-Bahn verlief von der Tongrube westlich des jetzigen Heiderhofer Tennisclubareals den Fourthweg entlang über Grubenstraße, Hoverstraße und Floßweg bis zum Umschlagplatz am Mehlemer Bahnhof.

 Das in Lannesdorf abgebaute Quarzit wurde zum Transport auf Kippwagen geladen.

Das in Lannesdorf abgebaute Quarzit wurde zum Transport auf Kippwagen geladen.

Foto: Bonner Stadtarchiv

Am längsten und bautechnisch aufwändigsten war die Vygen-Bahn, deren Strecke über drei Kilometer bis hinunter ans Mehlemer Rheinufer reichte. Ausgangspunkt war die Grube am heutigen Sommerbergweg, die nach ihrer Stilllegung zunächst als städtische Mülldeponie genutzt und anschließend rekultiviert wurde, bevor dort in den 1970er Jahren Tennisplätze entstanden.

 Die hölzernen Loren wurden an Seilen den Hang hinuntergelassen.

Die hölzernen Loren wurden an Seilen den Hang hinuntergelassen.

Foto: Bonner Stadtarchiv

Auf der Talstrecke lag der Vygen-Schopp, in dem Mahlwerk und Lagerhaus der Duisburger Firma untergebracht waren. „In der Halle sind keine Spuren mehr davon zu sehen“, erklärt Andreas Schildgen, der das am Ende der Grubenstraße gelegene Gebäude als Depot für seinen Dachdeckerbetrieb nutzt. Stummer Zeitzeuge ist das barocke Gliederkreuz auf der Ecke, das im Volksmund auch Vygenkreuz genannt wurde und das älteste Wegekreuz in Lannesdorf ist.

Apropos Weg und Kreuz: Da sich die Wege von Vygen- und Lyngsberg-Bahn an der Grubenstraße kreuzten, wurde die Vygen-Trasse hier über ein Viadukt geleitet. Von dort aus ging es weiter über Stahlbrücken am Mehlemer Friedhof vorbei und unter den Gleisen der Eisenbahn hindurch über den Severinsweg, wo die Straßenbahn kreuzte, die natürlich Vorfahrt hatte. Endstation der Förderbahn war die Vygen-Werft am Mehlemer Rheinufer. Der befestigte Abschnitt, an dem die Rheinkähne anlegen und beladen werden konnten, liegt vis-à-vis von Schloss Drachenburg und ist mit seinen einladenden Sitzbänken heute ein beliebter Panoramaplatz.

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde der Tonabbau in Godesberg eingestellt, die Quarzitförderung etwa um 1960. Danach hat man das von Höhen und Tiefen gekennzeichnete Gelände auf dem Heiderhof terrassenweise eingeebnet, sodass es bebaut werden konnte. Dabei kam in die stillgelegte Grube an der Kreuzung Nietzschestraße/Philosophenring 1968 einfach der Erdaushub des Hertie-Baus, an dessen Stelle heute die Fronhofer Galeria steht.

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