Besuch in Bad Godesberg Auf der Parkbank geboren

Rüngsdorf · Der Berliner Jens Oliver Reuß erblickte vor 52 Jahren an der Marienkapelle das Licht der Welt. Als er jetzt mit städtischer Genehmigung eine Plakette an eben jener Bank anbringen wollte, musste er feststellen: Sie ist weg.

 Da die richtige Geburtsbank auf der Flucht ist, imitiert Jens Oliver Reuß das Anbringen der Plakette, für das er extra aus Berlin angereist ist, kurzerhand an einem anderen Holzmöbel.

Da die richtige Geburtsbank auf der Flucht ist, imitiert Jens Oliver Reuß das Anbringen der Plakette, für das er extra aus Berlin angereist ist, kurzerhand an einem anderen Holzmöbel.

Foto: Thomas Kölsch

Eigentlich wollte Jens Oliver Reuß am vergangenen Wochenende seinen Geburtsort besuchen: Jene Bank vor der Marienkapelle in Rüngsdorf, auf der er in den frühen Stunden des Ostermontags 1964 das Licht der Welt erblickt hatte. Sogar eine Plakette hatte der Berliner Journalist mitgebracht, um sie an der vom Grünflächenamt frisch renovierten Sitzgelegenheit anbringen zu können. Doch diese war verschwunden. Schon wieder.

Dabei ist diese Bank eigentlich nichts Besonderes. Außer eben für Reuß. „Als bei meiner Mutter morgens um 3.30 Uhr die Wehen anfingen, haben sie und mein Vater sich zu Fuß auf den Weg zur Frauenklinik gemacht, die damals oberhalb des Rheinhotels Dreesen lag“, erzählt dieser. „Von meinem Elternhaus aus ist das eine Strecke von etwa einer Viertelstunde. Aber ich wollte offenbar unbedingt hinaus in die Welt, sodass meine Mutter es nicht mehr bis ins Krankenhaus schaffte. Und so wurde ich eben auf dieser Bank geboren.“

Der Vater durchtrennte die Nabelschnur

Der Vater habe mit seinem Taschenmesser die Nabelschnur durchtrennt – und genau zu diesem Zeitpunkt sei ein Mannschaftswagen der Polizei gekommen, der die letzten Meter bis zur Klinik übernahm. Reuß erzählt gerne von diesen ungewöhnlichen ersten Stunden in seinem Leben, die zwar in späteren Jahren keine großen Folgen hatten, ihn aber doch in gewisser Weise prägten. „Es war nie so, dass die Nachbarn mich darauf angesprochen haben oder es Witze auf meine Kosten gab“, sagt der 52-Jährige. „Nur einmal hat ein Klassenkamerad das Gerücht verbreitet, dass mein Vater wohl einfach zu geizig für ein Taxi gewesen sei. Aber damals, an einem Ostermontag, musste man so eines auch erst kriegen. Wahrscheinlich haben meine Eltern eher gedacht, dass sie zu Fuß schneller wären.“

Lange hat Reuß die Bank nicht mehr gesehen. Seit 25 Jahren lebt er zusammen mit seinem Partner Uwe Dokowicz in der Hauptstadt, ist nur noch selten im Rheinland, wo er seine ersten journalistischen Erfahrungen beim WDR sammelte (unter anderem war er bei der „Sendung mit der Maus“) und zusammen mit zwei Freunden die Gaststätte „Kleiner Bahnhof Mehlem“ betrieb. Mit dem Umzug nach Berlin wurde die Bank zu nicht mehr als einer schönen Anekdote.

Das Grünflächenamt hatte die Plakate genehmigt

Erst als sein Vater 2012 seinen 80. Geburtstag feierte, wollte die Familie diesen Ort noch einmal aufsuchen – doch die Bank war nicht da. Wie sich herausstellte, hatte das Grünflächenamt sie restauriert und schlichtweg vergessen, sie wieder aufzustellen. Auf Nachfrage von Reuß wurde dieser Fehler behoben und ihm die Genehmigung erteilt, eine kleine goldglänzende Tafel an der Bank anschrauben zu dürfen. „Auf dieser Bank erblickte Jens Oliver Reuß am 30. März 1964 das Licht der Welt“, steht darauf.

„Mich kennt ja in Rüngsdorf keiner mehr“, gesteht Reuß. „Aber mir gefällt die Vorstellung, dass ein paar neugierige Spaziergänger die Zeilen lesen und darüber schmunzeln müssen.“ Nun hofft er, dass die Stadt das Möbelstück wiederfindet und für ihn die Plakette befestigt. „Ich würde gerne noch einmal wiederkommen, wenn die Bank wieder steht“, sagt er lachend.

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