Missbrauchsfälle am Ako-pro-Seminar Aufklärungsbericht sorgt für heftige Diskussionen

BONN · Der am Freitag vom Aloisiuskolleg (Ako) vorgelegte neue Aufklärungsbericht zu "Grenzverletzungen im Ako-pro-Scouting" von Arnfried Bintig sorgt für Aufsehen.

Wie berichtet, schreibt Bintig, dass der bis 2010 agierende Vereinsleiter über viele Jahre eine übergriffige "Machokultur" eingerichtet habe, die "von niemandem kontrolliert wurde: nicht vom Ako-pro-Verein und auch nicht vom Träger Ako, nicht vom Orden der Jesuiten oder der Stadt Bonn." Der Mann habe wie ein "Rattenfänger" aus einem "Pool" von Kindern schöpfen können.

Bintig schildert Macht- und sexuellen Missbrauch. Vom Beschuldigten war am Wochenende keine Stellungnahme zu bekommen. Der Bericht fördere erschreckende Grausamkeiten zu Tage, urteilt Heiko Schnitzler, Geschäftsführer der Ako-Opfergruppe Eckiger Tisch. Empörend sei auch die beschriebene Verstrickung hochrangiger Bonner. "Wer sind diese Leute? Leider nennt der Bericht keine Namen", so Schnitzler.

Es sei unerträglich, dass Täter und Mitwisser bislang unbehelligt geblieben seien. "Wo waren die Verantwortlichen, als die Täter das Ako zum Selbstbedienungsladen für Kindermaterial machten? Der Bericht sagt dazu zu wenig." Man begrüße ausdrücklich die Bereitschaft des Akos zur Aufklärung. Dieser Weg sei aber längst nicht zu Ende.

"Dass Bintig die Geschehnisse des Ako-pro nicht in das Missbrauchsystem der Jesuiten einordnet, das am Ako selbst 40 Jahre Bestand hatte, ist ein großes Versäumnis." Dieses System gelte es durch unabhängige Dritte aufzuarbeiten. "Die Institution kann das nicht leisten", sagt Schnitzler. Nun komme es auf die Konsequenzen an, die das Ako ziehe, die Dinge, die es öffentlich beim Namen nenne und wie es sich um die Betroffenen kümmere.

Ako-pro-Opfer kritisieren den Bericht härter. Bereits im Vorfeld habe es "deutliche Vorbehalte" gegen Bintig als unabhängigen Untersuchenden gegeben, so eine betroffene Person. Die Bedenken würden leider im Bericht belegt. "Die Frage nach dem strukturellen Versagen des Ako wird nicht ergründet, es wird vielmehr versucht, sämtliche Verantwortung auf nicht mehr aktive Personen abzuwälzen."

Im Bericht gerät fast ausschließlich das Handeln des betagten Interimsrektors von 2010 bis 2011, Pater Ulrich Rabe, ins Fadenkreuz. Aber Bintig berichtet auch, ebenfalls ohne Namensnennung, vom Beisein der damaligen Vize-Schulleiterin Marie Käufer bei einem Scouter-Treffen auf Ako-Terrain - als der Beschuldigte Unterschriften unter anwaltlich vorformulierte eidesstattliche Unschuldserklärungen eingeholt habe. Käufer ist 2012 an eine andere Schule gewechselt.

"Der Bericht gibt Betroffenen die Gelegenheit, ihre Wahrheit zu beschreiben. Das ist gut. Die Mittäter werden aber geschont", bemängelt Monika Osterheld von der Ako-pro-Opfergruppe. Zudem schafften Berichte und die Gesprächsbereitschaft des Ako-Rektors immer noch keine Not aus der Welt. Über Betrugsverdacht und Vorwürfe über sexuellen Missbrauch von Mädchen und Jungen, unerlaubten Waffenbesitz und schlimmstes pädagogisches Fehlverhalten schreibe Bintig. "Da bleibt das Erstaunen, dass das alles in Bonn ohne Anklage über die Bühne geht", so Osterheld.

"Fassungslos" hat die Schulausschussvorsitzende Dorothee Paß-Weingartz den Bericht gelesen, entsetzt über die von Bintig geschilderte Perfidie, mit der der Leiter von Ako-pro über lange Jahre Kinder und Jugendliche für sich habe gefügig machen können. "Ich fordere weitere rückhaltlose Aufklärung." Es sei an der Zeit, dass das Ako sich mehr zu den Opfern bekenne. "Aber wir müssen auch seitens der Stadt darüber nachdenken, wo es an eigenen Kontrollmechanismen gefehlt hat."

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