Unterbringung Thema in der Bezirksvertretung Anwohner klagen über Probleme mit Obdachlosenunterkunft in Bad Godesberg

Bad Godesberg · Anwohner klagen über Probleme mit Bewohnern der Unterkunft für Wohnungslose in der Karl-Finkelnburg-Straße in Bad Godesberg. Dort leben 98 Menschen.

Anwohner beschweren sich über die Zustände der Einrichtung an der Karl-Finkelnburg-Staße: Martin Aichmayr (l.) und  Thomas Weger.

Anwohner beschweren sich über die Zustände der Einrichtung an der Karl-Finkelnburg-Staße: Martin Aichmayr (l.) und Thomas Weger.

Foto: Axel Vogel

Rund um das ehemalige Bürohochhaus der Deutschen Post an der Karl-Finkelnburg-Straße brennt die Sonne auf den Asphalt. Im Hof stehen ein paar alte Fahrräder. Über die nahe Unterführung rattert ein Zug. Am schattigen Eingang des siebenstöckigen Blocks sind junge Männer im Gespräch. Ein Zusteller der Deutschen Post kommt gerade vom Gelände. „Es sind freundliche Leute, die hier leben“, sagt er. Seit April 2021 hat die Stadt den Trakt zur Godesberger Unterkunft für 143 alleinstehende Wohnungslose gemacht. Derzeit leben hier 98 Personen. Mit dem GA will an diesem Tag aber offenbar kein Bewohner reden. Derweil kommen Mütter mit ihrem Nachwuchs aus der nahen Kinderarztpraxis vorbei. Dahinter hört man die Pänz einer Kindertagesstätte. Rundherum lugen ein paar ältere Mietshäuser und schmucke Jugendstil-Eigenheime aus gepflegten Gärten hervor.

„So friedlich ist es hier aber nicht immer“, sagt Nachbar Thomas Weger. Besonders dann nicht, wenn sich Suchtabhängige aus dem Obdachlosenheim direkt vor den anderen Häusern die nächste Spritze setzen. „Oder wenn die Schreifrau wieder loslegt“, ergänzt Nachbar Dietmar Heidemann. Seitdem diese offensichtlich psychisch kranke Person zu jeder Tages- oder Nachtzeit sowohl ihre Mitbewohner als auch die Nachbarschaft aufmische und die Drogenabhängigen an der Straße stünden, traue sich sein neunjähriger Sohn nicht mehr, allein zu Hause zu bleiben. „Wir alle informieren die Polizei und das Ordnungsamt. Und trotzdem ändert sich nichts. Das ist untragbar“, sagt Heidemann. Nachbar Martin Aichmayr führt den GA zu seinem Eingang. „Vom Obdachlosenhaus aus werde ich hier mit Müll beschmissen“, sagt er. Eine Unterschriftenaktion habe nichts gebracht.

Als 2016 die Stadt das Hochhaus gekauft und zur Flüchtlingsunterkunft gemacht hatte, „war das hier eine friedliche Angelegenheit“, blickt Thomas Weger zurück. Nachbarin Anja Koglin nickt. Doch seit der Komplex Obdachlosenheim sei, stünden schon morgens um 7 Uhr betrunkene Männer am Grundstück, sagt Weger. Und immer wieder machten psychisch Kranke Krach. Sicher, die meisten Bewohner seien friedlich, ist er sich mit Koglin einig. „Und ich bin prinzipiell auch einverstanden, dass die Unterkunft hier bei uns bleibt“, sagt die junge Mutter. „Mir tun die Leute leid.“ Aber ihnen müsse bestmöglich geholfen werden. Dass das passiert, daran hat Weger Zweifel. Es fehle eine engmaschige soziale Betreuung, findet er.

Auf Anfrage sind sich die städtische Verwaltung, die Polizei und der Verein für Gefährdetenhilfe (VfG) der Problematik vor Ort bewusst. „Im Laufe des Jahres wurde die Bonner Polizei rund 170 Mal zur Unterkunft gerufen, insbesondere weil es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Bewohnern kam, die lautstark oder auch mit körperlicher Gewalt ausgetragen wurden“, antwortet Polizeisprecher Simon Rott. Daraus hätten sich 46 Ermittlungsverfahren ergeben, darunter 16 Körperverletzungen, zehn Diebstahlsfälle, sechs Bedrohungen sowie je vier Beleidigungen und Drogendelikte.

Die Polizei schreite „lageangepasst konsequent“ ein. „Strafrechtlich relevantes Verhalten wird konsequent geahndet, Folgemaßnahmen geprüft“, betont Rott. Wenn Personen nahe der Unterkunft die Ruhe störten, sollte der Ordnungsaußendienst oder, außerhalb der Bereitschaftszeiten, die Polizei informiert werden. Wenn Ruhestörungen aus der Unterkunft kämen, könne das Ordnungsamt den 24-Stunden-Sicherheitsdienst vor Ort einsetzen.

„Freiwilligkeit der Betroffenen“ nötig für Hilfe

Markus Schmitz antwortet für die Verwaltung, der Stadtordnungsdienst könne immer dann tätig werden, wenn eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bestehe. Das Sozialamt wiederum sei dringlich bemüht, durch eine intensive Betreuung und Hilfestruktur „auf ein angemessenes Verhalten der Bewohner“ hinzuwirken. Flankierend biete man ärztliche und psychiatrische Unterstützung. Die in Anspruch zu nehmen, setze aber „Freiwilligkeit aufseiten der Betroffenen“ voraus. Eine anderweitige Unterbringung in der Psychiatrie erfordere ebenfalls Freiwilligkeit oder gerichtlich angeordnete Maßnahmen, sagt Schmitz.

Die bestätigt auch Susanne Fredebeul vom Verein für Gefährdetenhilfe (VfG): „Wenn psychisch kranke Menschen weder fremd- noch selbstgefährdend sind, können sie nicht geschlossen untergebracht werden.“ Und selbst wenn in seltenen Fällen eine Einweisung nach dem Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten möglich sei, „werden die Betreffenden ganz oft nach kurzer Zeit wieder entlassen, weil die rechtliche Grundlage für eine längerfristige geschlossene Unterbringung nicht gegeben ist.“ Der VfG übernehme in Absprache mit der Stadt auffällige Menschen aus der Godesberger Einrichtung in seine Notunterkunft Haus Sebastian. Geschäftsführerin Nelly Grunwald habe hier schon Kontakt mit Nachbarn gehabt. Aber auch im Haus Sebastian seien die Kapazitäten und Ressourcen nicht immer vorhanden, um alle problematischen Fälle aufzunehmen, so Fredebeul.

Laut Markus Schmitz vom Presseamt rechtfertigen die von den Anwohnern an der Karl-Finkelnburg-Straße beschriebenen Störungen im Verhalten, verbunden mit Alkoholmissbrauch, zunächst keine freiheitsentziehenden Maßnahmen in der Psychiatrie. Meldungen über psychisch kranke Personen, die ein akut eigen- oder fremdgefährdendes Verhalten zeigten, seien dem Ordnungsdienst seit Mai aus Godesberg ohnehin nicht mehr bekannt. Man bitte die Nachbarn, jegliche Störungen im Zusammenhang mit Bewohnern der Unterkunft unmittelbar dem Belegungsmanagement des Sozialamts (obdach@bonn.de) oder dem Sicherheitsdienst in der Unterkunft zu melden. Bei Ereignissen im öffentlichen Raum sollten sie sich an den Stadtordnungsdienst unter 0228 77 33 33 oder die Polizei wenden.

Nachbar Thomas Weger jedoch scheint resigniert zu haben. Er sei schon als „dreckige Judensau“ beschimpft worden, klagt er. Weger glaubt nicht, dass es mit einem Obdachlosenheim in einer reinen Wohngegend gut gehen könne. „Das macht mich auf Dauer kaputt. Ich habe vor wegzuziehen.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Müll ist im Naturschutzgebiet am Lyngsberg
Ein Trauerspiel in Lannesdorf
Kommentar zum Naturschutzgebiet LyngsbergEin Trauerspiel in Lannesdorf