Preissteigungen in Bonn Wie Wohnen in Bad Godesberg besser für alle werden soll

Bad Godesberg · Weniger Wohnfläche für den Einzelnen, aber mehr für das Gemeinwohl: In Bad Godesberg wurden verschiedene Vorschläge diskutiert, wie Wohnen günstiger und auch gemeinschaftlicher werden soll.

 Blick von Mehlem über Bad Godesberg in Richtung Bonn. Diskutiert wurde, wie Wohnen günstiger und auch gemeinschaftlicher werden soll.

Blick von Mehlem über Bad Godesberg in Richtung Bonn. Diskutiert wurde, wie Wohnen günstiger und auch gemeinschaftlicher werden soll.

Foto: Axel Vogel

Wohnraum in Bonn ist zu teuer, und die Preise steigen besonders schnell. Befürchtete man zum ausgehenden Jahrtausend noch, mit dem Hauptstadtbeschluss würde insbesondere Bad Godesberg verwaisen, so zeichnete die Realität bald ein anderes Bild. Bonns Bevölkerung wächst – und wird Hochrechnungen zufolge bis zur Jahrhundertmitte sogar 30.000 Bürger mehr haben. Das macht sich an den Mietpreisen bemerkbar: Um zehn Prozent sollen die in den letzten Jahren gestiegen sein, und dieses Jahr sei durch die Krisen Wohnen in Bonn nochmals um 5,5 Prozent teurer geworden, sagte Peter Kox vom Mieterbund Bonn/Rhein-Sieg/Ahr am Freitagabend im Pastoralen Zentrum St. Marien in Bad Godesberg.

Dort fand am Abend die fünfte Auflage des neuen Gesprächsformats „Heimat und Aufbruch“ statt, in der Politiker, Branchenvertreter, Gemeindemitglieder und Bürger aufeinandertreffen, um Geschichte, Ist-Zustand und die Zukunft Bad Godesbergs zu diskutieren. Moderatorin ist die Journalistin Ebba Hagenberg-Miliu. „Das wird abenteuerlich in den nächsten Jahren“, sagte Kox hinsichtlich der sich aufbäumenden Mietkosten in Bonn. Mitunter verschriene Stadtteile wie Tannenbusch oder Medinghoven seien bereits Teil eines Gentrifizierungsprozesses, welcher selbst Bewohner Königswinters dazu bewege, in die Eifel zu ziehen, um sich Wohnen leisten zu können.

Wohnfläche pro Kopf muss sinken

Ein Problem sieht Architektin und Initiatorin des Netzwerks „Wir sind Stadt“ Britta Körschgen in steigenden Ansprüchen. Der Wohnraum, den Deutsche beanspruchten, auch in Bad Godesberg, steige kontinuierlich. „Vor 50 Jahren lebte man im Schnitt auf 30 Quadratmetern pro Kopf, heute sind es 50. Das bedeutet auch mehr Baufläche, mehr Ressourcen und mehr CO2-Ausstoß“, veranschaulichte Körschgen. Kox unterstrich dies: „Die Wohnfläche pro Kopf muss sinken, das ist ein Fakt.“

Die Sorge, sich die eigene Wohnung mit den kommenden Nebenkostenabrechnungen nicht mehr leisten zu können, kennt auch Frank Wilbertz aus seinem Beruf. Er ist Mitglied des kommunalen Immobilienunternehmens Vebowag und des Quartiersmanagements Pennenfeld. Von der Vebowag werden geförderte Wohnungen gebaut, allerdings sind es 2021 nur 86 gewesen. Größter Gesellschafter ist die Stadt Bonn. „Es muss eben auch wirtschaftlich machbar sein. Der Markt ist durch die steigenden Mieten schwer einschätzbar“, sagte Wilbertz im Stuhlkreis des Podiums.

Gemeinwohlorientiertes Wohnen oder Wohnungstausch sind Lösungsansätze

An Ideen schien es den Diskussionsteilnehmern ebenso wenig zu mangeln, wie an bereits in der Praxis existenten Lösungsansätzen. Aber: nicht alles, was klug ist, funktioniert immer in der Umsetzung. Ein koordinierter Wohnungstausch etwa, wie ihn etwa Wilbertz begleitet, kann die Lösung für verschwendete Fläche auf der einen und zu wenig Wohnraum auf der anderen Seite sein: „Viele Eigentümer wohnen seit dem Erstbezug, beispielsweise seit den 50er-Jahren, in ihren Wohnungen. Die Kinder sind selbst schon alt, die Wohnung viel zu groß.“

Gleichzeitig suchen junge Familien händeringend nach mehr Fläche. Den Besitzern komme man dann mit einer kleineren, öffentlich geförderten Wohnung entgegen, die auch eine Betreuung inkludiere. Es scheitere dann aber manchmal daran, dass die Eigentümer zu sehr an den mit der Immobilie verbundenen Erinnerungen hängen oder sich noch gesund genug fühlen, um ein betreutes Wohnen in Anspruch zu nehmen. Kox ergänzte, es sei auf sein Betreiben hin eine Stelle bei der Stadtverwaltung geschaffen worden, die ebendieses „bedarfsgerechte Wohnen“ fördere. Sie sei daran gescheitert, dass viele Vermieter ihre Wohnungen nicht an die Ansprüche etwa mobilitätseingeschränkter Menschen anpassen wollten.

Genossenschaftliches und gemeinwohlorientiertes Wohnen ist Körschgens Antwort auf den Flächenmangel und gleichzeitig die „Entsolidarisierung“, die Kox und der auch anwesende Pater Gianluca Carlin bemängelten. Wenn man sich etwa in einer Wohngemeinschaft auf weniger private Fläche beschränke, werde mehr Raum für gemeinschaftliche Nutzung frei, etwa für eine hauseigene Werkstatt oder einen gemeinsamen Arbeitsplatz. Inklusives gemeinschaftliches Wohnen für Menschen mit und ohne Einschränkungen werde etwa in der Villa Emma in Villich-Müldorf gut realisiert.

„Dort kommt man mehr zusammen, die Menschen kochen zum Beispiel für einander. Klar, es stehen auch verschiedene Lebensentwürfe nebeneinander und es kann herausfordernd sein“, so Körschgen, dennoch funktioniere es gut. Beipflichtungen erfolgen aus dem Publikum gleich vonseiten mehrerer Seniorinnen, die in genossenschaftlich organisierten, gemeinschaftlichen Wohnformen leben und sich dort merklich wohlfühlen. Was laut Kox im aktuellen Koalitionsvertrag wieder stärker bedacht sei, brachte eine Godesbergerin auf den Punkt: Wohnraum sei zu sehr Kapital geworden, dabei ist sein Zweck im Artikel 14 des Grundgesetzes festgeschrieben: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“

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