Peter Schilling Bad Godesberger spricht über Krebserkrankung

Bad Godesberg · Peter Schilling erkrankte 2014 an Mundbodenkrebs. Dadurch verlor er einen Teil seines Kiefers. An der Uni-Klinik in Bonn leitet er eine Selbsthilfegruppe.

Im Café mit Blick aufs Schauspielhaus bekommt Peter Schilling gerade einen Espresso serviert. „Schön hier an diesem sonnigen Tag in der Stadt“, sagt seine Ehefrau Gisa Briesemeister-Schilling, die neben ihm sitzt. Schilling setzt vorsichtig die Tasse an und hält mit der anderen Hand eine Stoffserviette unter sein Gesicht. An einem Nebentisch blicken ein paar Gäste neugierig herüber zu dem Mann mit der Kappe. „Das bin ich gewöhnt. Ist aber kein Problem“, meint Schilling achselzuckend, während er sich den Mund abtupft. Bei dem geborenen Godesberger, Jahrgang 1950, stellten die Ärzte 2014 Mundbodenkrebs fest. Die Hälfte seiner Zunge und Teile seines Unterkiefers mussten sie operativ entfernen. Mit Gewebe der Brust füllten sie die Kieferpartie auf. „Seitdem sehe ich halt so aus, wie ich aussehe“, erklärt Schilling trocken. Und dann fügt er lächelnd hinzu. „Seit ich so aussehe, wie ich aussehe, gucken sich die Frauen öfter nach mir um.“

Die Gäste am Nebentisch haben sich schon längst wieder abgewandt. Gisa Briesemeister-Schilling dreht an ihrer Cappuccino-Tasse. „Viele mit dieser Krebsart gehen nicht mehr raus, verkriechen sich und vereinsamen“, berichtet sie. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts werden in Deutschland jedes Jahr bei rund 13.000 Menschen Tumore im Mund und Rachen festgestellt. „Und da frage ich mich: Wo sind die eigentlich? Man sieht sie nicht.“ Ihr Mann nickt. Auch wenn er nicht mehr essen könne und über eine Magensonde versorgt werde, wolle er am alltäglichen Leben teilnehmen. „Ich habe ansonsten alles, was ich brauche. Ich habe meine Frau an der Seite. Mir geht’s doch vergleichsweise gut,“ sagt Schilling.

Schwellung zunächst nicht bemerkt

Nach dem Besuch der Hauptschule an der Rheinallee ließ er sich zum Bestatter ausbilden. 16 Jahre war er danach in Bad Godesberg tätig, dann wechselte er ins Saarland und nach Köln. „Gewohnt habe ich da aber schon wieder in Berkum“, berichtet er. Die Schwellung im Mundbereich habe er unter seinem damaligen Vollbart anfangs gar nicht bemerkt, berichtet er und zeigt Fotos. Doch 2014 habe sich eine Fistel, die sich als Tumor entpuppt habe, unter der Zahnprothese entzündet. Der sei dann im Mund explodiert, blickt Schilling zurück. „Ich weiß gar nicht, wie ich das damals ausgehalten habe. Aber so was passiert halt“, sagt er. Er wisse, dass er viel geraucht habe und wohl auch selbst Schuld an der Krankheit trage.

Aber letztlich seien die schweren Clusterkopfschmerzen, an denen er als jüngerer Mann gelitten habe, viel schlimmer gewesen. „Ich bin nicht der Typ, der jammert“, meint Schilling. Und blickt zu seiner Frau hinüber, die ihm zunickt und sich dann an ihn schmiegt. Er mache sich natürlich auch Gedanken, was seine Erkrankung für seine Frau bedeute, setzt Schilling neu an. „Ja, manchmal möchte man schon mal ohne Hemmungen weinen“, kommt nach einem Zögern von ihr. Doch dann setzt sich Gisa Briesemeister-Schilling wieder gerade auf und lächelt freundlich über den Tisch. „Uns geht es gut. Ich kann eben nur nicht essen“, sagt ihr Mann. Sie gehen campen oder sind mit dem Motorrad unterwegs. Sie treffen sich mit Freunden im Rheinaue-Restaurant. „Und zu Hause wartet ein großer Garten.“

Sechs Leidensgenossen bekannt

Dem Paar sind in Bonn und Region sechs Leidensgenossen bekannt. Die kämen in die Selbsthilfegruppe, die sich einmal im Monat an der Hals-Nasen-Ohrenklinik des Uni-Klinikums trifft. Peter Schilling leitet sie mit dem ebenfalls betroffenen Gunthard Kissinger. Sie wollten die Arbeit weiter bekannt machen. „Letztlich suchen wir deutschlandweit Mitstreiter, um weitere Selbsthilfegruppen ins Leben zu rufen“, so Schilling. Kontakt mit Gleichgesinnten sei so wichtig. Es gebe andere Betroffene, die hätten sich das Leben genommen. Man suche Unterstützer, die helfen, dieses Krankheitsbild in die Öffentlichkeit zu tragen. „Das Leben darf dadurch nicht vorbei sein. Es gibt so vieles, was Spaß macht. Soll das auch vorbei sein? Niemals.“

Woher er denn die Kraft nehme, so positiv in den Tag zu blicken, heißt die letzte Frage. Peter Schilling hebt staunend den Kopf. Er habe so viele Menschen beerdigt, antwortet er dann. Und nicht jeder sterbe friedlich im Bett. „Ich hab' so vieles gesehen, was andere nicht verkraften würden“, fügt er hinzu. Und wenn jemand wirkliches Leid erleben wolle, dann möge er einfach mal einen Blick in die Kinderonkologie werfen. „Sterbende Kinder, das ist Leid.“

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