Hospizverein Bonn Begleitung von Sterbenden bringt Ehrenamtliche an ihre Grenze

Bad Godesberg · Anette Niefindt-Umlauff ist pensionierte Lehrerin und begeleitet nun ehrenamtlich Sterbende. Dafür ist sie vom Hospizverein über mehrere Monate ausgebildet worden. Der Kontakt zu den Sterbenden bringt sie trotzdem manchmal an ihre Grenzen.

 Bei der Ausbildung zur Hospizbegleiterin zeigen Anette Lahusen und Tina Müller der ehrnamtlichen Mitarbeiterin Anette Niefindt-Umlauff (v.l.), Emtionen und die eigene Stimmung anhand eines Spieles darzustellen.

Bei der Ausbildung zur Hospizbegleiterin zeigen Anette Lahusen und Tina Müller der ehrnamtlichen Mitarbeiterin Anette Niefindt-Umlauff (v.l.), Emtionen und die eigene Stimmung anhand eines Spieles darzustellen.

Foto: Meike Böschemeyer

„Ich begleite mit Freude ehrenamtlich Schwerstkranke und ihre Angehörigen“, sagt Anette Niefindt-Umlauff. Die pensionierte Lehrerin und Schulseelsorgerin, die am Amos-Comenius-Gymnasium weiterhin einige Stunden unterrichtet, kommt zum Gespräch in die Zentrale des Hospizvereins Bonn.

Sie hat mit elf weiteren Frauen und Männern im April einen mehrmonatigen Ausbildungskurs für ehrenamtliche Helfer dieses Vereins abgeschlossen, um Sterbenden ambulant beistehen zu können. Seither ist sie für Schwerkranke im Einsatz. „Die erste Person, die ich begleitete, war zuvor unheimlich kommunikativ gewesen“, erzählt Niefindt-Umlauff. „Aber irgendwann konnte der Mann sich nicht mehr äußern“, sagt sie über den inzwischen Verstorbenen.

Zum Schluss sei sie sich sogar nicht mehr sicher gewesen, ob er sie überhaupt noch erkannte, ergänzt die Hospizbegleiterin. Da komme man als Helfer auch an seine Grenzen, gibt Niefindt-Umlauff zu. „Man fragt sich schon: Kann ich diesen Menschen noch genug geben?“ Bestätigung für den Wert ihres Einsatzes und Antworten auf viele Fragen habe sie dabei immer von den hauptamtlichen Koordinatorinnen des Vereins erhalten, betont Niefindt-Umlauff, die inzwischen eine neue kranke Person begleitet.

Ehrenamtliche werden intensiv betreut

„Wir sind jederzeit für unsere Ehrenamtlichen, für die zu Begleitenden und deren An- und Zugehörige ansprechbar“, erklärt eine der Koordinatorinnen, Tina Müller, auch im Namen der Kolleginnen Annette Lahusen und Mareike Hartig. Die intensive Betreuung der Freiwilligen auch mit Hilfe von Supervision ist ein wichtiger Mosaikstein der Arbeit.

„Unsere Ehrenamtlichen besuchen die Menschen zu Hause oder im Pflegeheim bis zum Ende des Lebens regelmäßig“, erläutert Müller den kostenfreien Dienst, der im linksrheinischen Bonn und in Wachtberg angeboten wird. Anfänglich laufe das meist auf eine bis zwei Stunden in der Woche hinaus. Doch wenn es zum Lebensende komme, würden die Besuche häufiger und die Verweildauer kürzer, berichtet Müller aus der Praxis.

Sie als Koordinatorinnen versuchten schon beim Erstgespräch mit den Schwerkranken und deren Angehörigen herauszufinden, was die Vorlieben, Abneigungen, Wünsche und Bedürfnisse der zu Begleitenden seien, erläutert Müller den Ablauf des Hilfsdiensts. „Wir erfahren dabei wichtige Eckdaten des Lebenslaufs der Person und versuchen gemeinsam herauszufinden, worauf es ankommt, damit es eine gute, gelingende Begleitung werden kann.“

Genauso finde das Team dazu die passenden Ehrenamtlichen. „Wir suchen also bildlich gesprochen ein passendes Puzzleteil“, sagt Müller. Harmonierten Begleitende und Sterbende, heiße das aber nicht, dass keine Herausforderungen mehr auftreten könnten. „Wenn die begleitete Person oder der Ehrenamtliche das Gefühl hat, dass die Chemie nicht stimmt, dann kann von beiden Seiten selbstverständlich um einen Wechsel gebeten werden“, so Müller. Hauptsache sei, dass man offen und wertschätzend miteinander kommuniziere, um für alle Beteiligten, aber natürlich in erster Linie für den Sterbenden, gute Lösungen zu finden. „Unsere Begleitungen sollen die Menschen bereichern und entlasten. Das klappt nur, wenn kein Sand im Getriebe knirscht.“

Praktikum in einem stationären Hospiz

Diese Zugewandtheit allen Beteiligten gegenüber hat eine frisch ausgebildete Ehrenamtliche wie Anette Niefindt-Umlauf schon im Kurs und dem dazugehörigen Praktikum im stationären Hospiz am Waldkrankenhaus der Johanniter erfahren. „Wir haben gelernt, immer achtsam mit den Sterbenden umzugehen, immer darauf zu sehen, dass sie ihre Würde behalten“. Das habe dann durchaus auch etwas Tröstendes für den Begleitenden selbst, betont die Hospizhelferin. Man habe in der Ausbildung Grundlagen der Hospizarbeit und die Rolle von Ehrenamtlichen, den Umgang mit sterbenden Menschen sowie deren Bedürfnissen erlernt. Man habe sich in den Monaten aber auch auf eine Reise zum Thema Sterben und Tod und damit auch sich selbst gemacht.

Die Zahl der ausgebildeten Freiwilligen liege derzeit bei 60, so Koordinatorin Müller. Bei einigen müsse das Ehrenamt aber aus persönlichen Gründen oder Krankheit auch einmal ruhen. Aktuell sind 22 Ehrenamtliche für den Verein ambulant und in Pflegeeinrichtungen im Einsatz. 13 helfen im Wintergartendienst des stationären Hospizes, davon sind fünf Begleitende mit Hund.

„Begleitung bei Sterben, ob zu Hause oder im Heim, ist ein stiller Dienst und unspektakulär für die Öffentlichkeit“, sagt dazu Peter Schneemelcher als Vorsitzender des Hospizvereins Bonn. „Doch für unsere Gesellschaft ist es ein wichtiges Zeichen, dass Sterben und Tod nicht verdrängt werden, sondern als Teil des Lebens wahrgenommen werden.“ Dabei seien gerade auch die ehrenamtlichen Mitarbeiter für die stationäre und ambulante Hospizarbeit in Bonn unverzichtbar. „Jedes ehrenamtliche Engagement ist auch ein Zeichen, dass die Gesellschaft sich zum Guten verändern kann“, so Schneemelcher.

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