Biohandel in der Region Landwirt aus Wachtberg muss Gemüseproduktion einstellen

Friesdorf/ Wachtberg · Für Landwirt Albert Schmitz aus Wachtberg war das vergangene Jahr wirtschaftlich gesehen ein „Totaldesaster“. Im kommenden Jahr muss der Biobauer seine Gemüseproduktion vollständig einstellen. Die Branche kämpft mit neuen Gegebenheiten.

Albert Schmitz hofft auf das Herbstgeschäft mit seinen Äpfeln und Birnen.

Albert Schmitz hofft auf das Herbstgeschäft mit seinen Äpfeln und Birnen.

Foto: Axel Vogel

Landwirt Albert Schmitz wird im nächsten Jahr seine Gemüseproduktion vollständig einstellen und die Hälfte seiner Mitarbeiter nicht mehr beschäftigen. Damit reagiert der 44-jährige Wachtberger auf das Klima und die schwierige Marktlage im Biohandel. Der Krieg in der Ukraine und die steigende Inflation haben zu einem spürbaren Rückgang der Kaufkraft geführt. Verbraucher schauen in diesem Jahr schärfer auf die Preise – zulasten der Biolebensmittel. Um 20 Prozent soll der Absatz an Bio-Produkten eingebrochen sein. Supermarktketten wie SuperBioMarkt haben bereits Insolvenz angemeldet und auch Zwischenhändler sollen insolvent sein.

Die Probleme seien vielseitig, führt Schmitz gegenüber dem GA aus. In den vergangenen Jahren sind vermehrt Landwirte dem Bio-Trend gefolgt und haben ihre Höfe umgerüstet. „Das hat zu einem allgemeinen Druck auf dem Markt geführt“, beobachtet Schmitz. Mittlerweile scheuen deshalb konventionelle Betriebe den Umstieg.

„Vor einem Jahr hat es sich noch gelohnt – da waren die Anreize größer.“ Denn bekannte Discounter sollen die Verkaufspreise massiv drücken und es regionalen Betrieben schwer machen, auf dem Markt konkurrenzfähig zu bleiben. „Wenn man sich hauptsächlich von günstigeren Bauern aus dem Ausland beliefern lässt, gehen die Preise auch auf dem deutschen Markt runter“, meint Schmitz. „Dann produziert man irgendwann unter den Produktionskosten und das ist jetzt der Fall.“

Inflation und hohe Energiepreise

Kostenintensive Produkte wie Bio-Erdbeeren laufen in diesem Jahr katastrophal. „Wir haben nur 50 Prozent unserer Erdbeerernte vermarkten können“, schildert Schmitz. Inflation und hohe Energiepreise hätten dazu geführt, dass Bio-Erdbeeren in diesem Jahr mit einem Verkaufspreis von rund 20 Euro das Kilo angeboten wurden. Eine Preisansage, die wohl viele Käufer abgeschreckt hat. Schmitz macht den Verbrauchern keinen Vorwurf: „Ganz objektiv betrachtet, wenn das Portemonnaie leer ist, ist es leer“, sagt der Landwirt.

„Luxusfrüchte“ wie Johannisbeeren, Stachel- und Brombeeren sowie Heidelbeeren sollen ebenfalls einen geringen Absatz erfahren haben. Und auch Nischenprodukte wie Bioweine wurden nur wenig gekauft.

Hohe Bewässerungskosten

Um seine Haupteinnahmequelle zu decken, bestellt Schmitz die Erdbeerfelder bereits zwei Jahre im Voraus. Wirtschaftlich gesehen sei das Jahr ein „Totaldesaster.“

Hitze und Trockenheit haben die Bewässerungskosten zusätzlich in die Höhe getrieben, beklagt Schmitz. Kohlrabi, Kürbisse, Salate, Porree, Rote Beete und Kartoffeln will er deshalb im nächsten Jahr nicht mehr anbauen. „Das sind Intensivkulturen, die viel beregnet werden müssen.“ Seine betriebsspezifischen Kosten liegen zurzeit bei einem Euro pro Salatkopf – „Davon bleibt mir nichts. So kann ich zu den Konditionen, die der Markt fordert, nicht gewinnbringend produzieren“, sagt Schmitz. Der Bio-Bauer hofft nun auf das Herbstgeschäft mit seinen Äpfeln und Birnen. „Jeder kann etwas tun, indem jeder darauf achtet, was er wo kauft, aber vor allem soll jeder regional kaufen“, sagt Schmitz.

30 Prozent weniger Ertrag

Für das Kilogramm Bio-Äpfel rechnet der Bauer in diesem Jahr mit Produktionskosten von 1,20 Euro. Bis zu 30 Prozent weniger Ertrag muss Schmitz hier bereits einrechnen, da Äpfel und Birnen massiven Schaden durch Sonne und eine Wespenplage davongetragen haben.

Dass man als Biobetrieb auch krisenfester agieren kann, zeigt der Leyenhof in Friesdorf. Der Biohof produziert nicht für den Großhandel, sondern ausschließlich für den Privatkunden.

Mitgründer Helgo Schmidt (67) produziert und handelt seit 35 Jahren mit Bioprodukten. In der Sparte habe es schon immer Wellenbewegungen im Kaufverhalten gegeben, beobachtet der 67-Jährige. „Die Pandemie hat dazu geführt, dass die Leute wesentlich mehr zu Hause waren und die Nachfrage gestiegen ist“, berichtet der Biobauer. In diesem Jahr seien die Besuche in Bioläden hingegen seltener geworden.

Biobauer Helgo Schmidt freut sich über die Salaternte (67).

Biobauer Helgo Schmidt freut sich über die Salaternte (67).

Foto: Niklas Schröder

„Das ist aber nicht bei allen Biomärkten der Fall“, betont Schmidt. Der Leyenhof etwa profitiere von seiner „krisenfesten“ Stammkundschaft und ganz einfach auch von der Selbstvermarktung. „Wir haben leichte Umsatzrückgänge, zum Teil sind die auf das Sommerloch zurückzuführen, da in diesem Jahr viele Menschen in den Urlaub gefahren sind“, sagt Schmidt.

Die Produktpreise habe man trotz gestiegener Produktionskosten nur „vereinzelt“ erhöhen müssen, erklärt der Biogärtner. „Wir haben uns Gedanken gemacht, wie wir Energie einsparen können.“ So habe der Leyenhof, zusätzlich zu den Solaranlagen auf dem Dach, eine neue Kühlanlage installiert, die rund 8000 Kilowattstunden einsparen soll. Mit Blick auf die Trockenheit wolle man zudem verstärkt auf eine wassersparende Bewässerung umstellen. „Wir müssen uns auf klimabedingte Veränderungen einstellen“, fordert Schmidt.

Perforierte Schläuche sollen das Wasser nun direkt an die Pflanzen bringen und so den Wasserverbrauch einsparen. „Die Pflanzen werden direkt versorgt, obwohl der Boden staubtrocken ist.“ Zudem habe man auf dem Gelände einen Wasserbunker installiert, wo das Regenwasser gesammelt wird. Etwas Gutes hat übrigens auch das Sommerwetter, denn ein nasser Sommer fördert Pilzkrankheiten. Vor allem Salate und Tomaten profitieren derzeit von der Trockenheit.

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