Lächeln trotz Pflegenotstand Drei Bonner Absolventen erzählen von ihrem Einstieg in den Pflegeberuf

Bad Godesberg · Wer sind die Menschen, die in der heutigen Zeit einen Beruf ergreifen, den so viele nicht machen wollen? Drei Auszubildende des Pflege- und Gesundheitszentrums der Diakonie in Bad Godesberg berichten von ihrem Weg. Und sie erzählen, warum sie nach erfolgreichem Berufsabschluss als gefragte Fachkräfte in ihrem bisherigen Arbeitsumfeld geblieben sind.

 Bleiben nach ihrer Ausbildung als Fachkräfte bei der Diakonie: (v.l.) Chikezie Anuka, Henriette Feugap und Nirma Armasz.

Bleiben nach ihrer Ausbildung als Fachkräfte bei der Diakonie: (v.l.) Chikezie Anuka, Henriette Feugap und Nirma Armasz.

Foto: Alexander Barth

Es braucht keine lange Zeit mit ihm in einem Raum bis zur Feststellung, dass Chikezie Anuka viel Freundlichkeit ausstrahlt. Ein breites Lächeln setzt er zwischen begeisterte Botschaften, wenn es um seinen Beruf geht, dem er jetzt mit Brief und Siegel nachgehen kann.

Anuka hat erfolgreich die Ausbildung am Pflege- und Gesundheitszentrum der Diakonie absolviert, ebenso wie Henriette Feugap und Nirma Armasz. Die beiden Frauen sind seine Kolleginnen in einem Beruf, in dem landauf landab zig Stellen unbesetzt sind. Der Pflegenotstand ist in aller Munde, und er offenbart sich auch an etlichen Stellen in der Bundesstadt. Alle drei beantworten die Frage nach dem „Warum“, nach der Entscheidung für den Weg in den Pflegeberuf unterschiedlich – und doch irgendwie gleich. Ihren Arbeitsplatz hätten sie sich aussuchen können. Entschieden haben sie sich zum Bleiben.

„Es geht nicht ohne ein kleines Helfersyndrom“, sagt Anuka, der in Nigeria geboren wurde, auf die Frage nach den Voraussetzungen für einen Job in der Pflege. Wieder setzt er das besagte Lächeln auf. „Ich bin so ein Typ, dem es Spaß macht, zu helfen“, berichtet er. Das habe er allerdings nicht schon immer gewusst: Vom Philosophiestudenten zum examinierten Pfleger – das ist die Kurzversion seiner beruflichen Biografie.

„Dazwischen habe ich alle möglichen Jobs gemacht, um die Familie zu ernähren. Es war aber nichts dabei, was mich lange gehalten hat. Jetzt sage ich, dass ich den Beruf habe, der meine Berufung ist“, so Anuka. Wie seine Mitabsolventinnen ist er Spezialist für ambulante Pflege, sprich: Der Arbeitsplatz ist das Zuhause der Pflegebedürftigen.

Prekäre Lage der Branche schreckt nicht ab

Natürlich wisse er um die teils prekäre Lage zur Sicherung der Pflege und die händeringende Suche von Fachkräften, sagt Anuka. Die fehlende Attraktivität der Branche ist ihm bewusst. „Man muss es wollen. Aber wenn man es will, ist es toll“, lautet seine Überzeugung. Motivation komme ganz von allein im Umgang mit den Menschen. „Ich weiß, es klingt abgedroschen, aber wenn man ein Dankeschön oder nur ein freundliches Lächeln bekommt, dann ist das eine große Bestätigung.“

„Du musst immer mit einem positiven Grundgefühl zu den Menschen kommen“, ist Henrietta Feugap überzeugt. „Vielleicht bist Du das einzige freundliche Gesicht, das sie heute sehen.“ Sie hat nach Jahren in verschiedenen Bürojobs, gestartet in ihrem Geburtsland Kamerun und später auch in Belgien und Bonn ausgeübt, für ihren neuen Beruf einen durchaus traditionellen Aspekt aufgegriffen: „In meiner Heimat werden die Alten oft noch von der Familie gepflegt. Das ist in Deutschland längst nicht mehr üblich. Ich möchte den Betreuten das Gefühl geben, von einem Familienmitglied begleitet zu werden.“

Sonderschichten jederzeit möglich

Nirma Armasz führt den Faktor Zukunftssicherheit ins Feld. Sie stammt aus Ecuador, hat vor ihrer Bonner Zeit schon in Spanien in der Pflege gearbeitet, vorher war sie Friseurin. „Der Job gibt mir die Perspektive, mit meiner Familie in Deutschland ein gutes Leben zu führen“, so ihre Überzeugung. Die Tatsache, dass wegen der unbesetzten Stellen und kurzfristigen Ausfälle ständig Sonderschichten drohen, preist sie ein: „Es gehört dazu. Aber wir machen es trotzdem.“ Die anderen nicken zustimmend. „Natürlich wünschen wir uns wie alle Pflegekräfte Wertschätzung in Form von Arbeitsentlastung und angemessenem Lohn“, ergänzt Anuka.

Das Trio mit seinen unterschiedlichen Lebenswegen und Arbeitserfahrungen hat sich vor einigen Jahren unter dem Dach des Ausbildungszentrums der Diakonie an der Godesberger Allee zusammengefunden. Aktuell werden dort pro Jahr sechs Fachkräfte für den anspruchsvollen Job in der ambulanten Pflege geschult. Neun vollqualifizierte Mitarbeitende, darunter das jetzt „fertige“ Trio, gehören zum 21-köpfigen Team.

„Wir könnten noch mehr gebrauchen, das ist kein Geheimnis“, sagt Marion Schaefer, Mitglied der Geschäftsleitung der Diakonie Bonn. „Darum sind wir erst einmal froh, dass die drei sich entschlossen haben, bei uns zu bleiben“. Die Lage auf dem Pflegemarkt umschreibt sie klar und deutlich: „Die Institutionen und Anbieter streiten sich ums qualifizierte Personal.“

Die genaue Zahl der offenen Stellen in den verschiedenen Pflegbereichen in Bonn lasse sich schwer erfassen, sagt Schaefer. „Man kann aber zu 100 Prozent davon ausgehen, dass alle dasselbe Problem haben.“ In Sachen Attraktivität gäbe für einzelne Arbeitgeber kaum Spielraum, was Bezahlung oder Belastung angeht. „Ich wünschte, ich könnte aktuell einmal wieder verkünden, dass wir mehr Geld von den Pflegekassen bekommen, das wir an das Personal weitergeben könnten“, sagt die Prokuristin der Diakonie.

So bleibt vor allem offenbar eine kaum messbare, dafür umso emotionalere Komponente: „Ich bleibe, weil das Team toll ist“, sagt Armasz. Die Aussicht, die ständige pflegerische Verantwortung für etwa 15 Menschen zu übernehmen, schreckt sie nicht. „Wir wurden gut ausgebildet. Das ist das Wichtigste.“ Neben der Leidenschaft fürs Helfen womöglich.

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