Ausstellung im Bonner Polizeipräsidium Wie Beamte zu Handlangern der Nazis wurden

Bonn · Eine Wanderausstellung im Bonner Polizeipräsidium beleuchtet die Verstrickung der Kriminalpolizei in NS-Verbrechen und die verhinderte Aufarbeitung nach 1945.

 Machenschaften der Kriminalpolizei in der Nazizeit hat der Düsseldorfer Historiker Bastian Fleermann untersucht und dokumentiert.

Machenschaften der Kriminalpolizei in der Nazizeit hat der Düsseldorfer Historiker Bastian Fleermann untersucht und dokumentiert.

Foto: Meike Böschemeyer

Mai 1940: In den Kölner Messehallen werden rund 1000 Frauen, Männer und Kinder aus dem Rheinland zwischen Wuppertal, Aachen und Koblenz zusammengezogen. Es sind Angehörige der Sinti und Roma. Sie werden in Sammeltransporten anschließend nach Osten deportiert, vor allem zur Zwangsarbeit in Polen, aber auch in die Vernichtungslager. An der Aktion beteiligt sind – das ist inzwischen zweifelsfrei dokumentiert – auch Beamte der Kriminalpolizei unter den Leitstellen Köln und Düsseldorf.

Solange sie lebten, haben Richter und Staatsanwälte, Offiziere der Wehrmacht, Ärzte und Psychiater und eben auch Kriminalpolizisten, die zwischen 1933 und 1945 Dienst taten, ihre Hände in Unschuld gewaschen. Sie haben einen sauberen Staat innerhalb des NS-Regimes für sich reklamiert, der ideologisch unbelastet einfach weitergearbeitet habe. In den vergangenen 30 Jahren ist dieses Narrativ als Selbstverleugnung eigener Schuld überführt worden. „Auch die Kriminalpolizei hat sich jahrzehntelang hinter der Geheimen Staatspolizei versteckt. Leitende Beamte haben nach Kriegsende mit eigenen Büchern den Diskurs bestimmt“, urteilt der Historiker Bastian Fleermann. Die ersten vier Leiter des Landeskriminalamtes seien belastete Nazis gewesen.

Kriminalarbeit wie im Labor

Als Leiter der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf hat Fleermann in mehrjähriger Arbeit die Entwicklung und Arbeitsweise der Kripo-Leitstelle Düsseldorf erforscht und in einem Buch dokumentiert. Einen stark komprimierten Auszug zeigt er jetzt auf elf Stellwänden einer Wanderausstellung, die auf Anregung von Innenminister Herbert Reul durchs Land tourt. Bis Anfang April ist sie im Foyer des Bonner Polizeipräsidiums zu Gast.

Ausstellung "Die Kriminalpolizei an Rhein und Ruhr von 1920 bis 1950"
13 Bilder

Ausstellung "Die Kriminalpolizei an Rhein und Ruhr von 1920 bis 1950"

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Die Schau macht auf mit einem gestellten Foto aus dem Düsseldorfer Polizeipräsidium. Man wähnt sich in einem wissenschaftlichen Labor. Herren in weißen Kitteln untersuchen Brandursachen mit chemischen Analysen im Reagenzglas, sortieren Fingerabdrücke und Haarproben. Die Kripo – erst kurz vor der Jahrhundertwende entstanden – nutzt in den Weimarer Jahren alle neuen technischen Möglichkeiten. Voll ausgestattete „Mordautos“ rasen zu Tatorten. Mit chirurgischer Präzision will man Straftäter überführen.

Vorbild für die TV-Serie Babylon Berlin

Aus Fleermanns Sicht ist damit der Boden bereitet für den von den Nationalsozialisten propagierten „Volkskörper“, der zur „Volksgesundheit“ von Schädlingen befreit werden müsse. Der Wunsch nach hartem Durchgreifen wird umso stärker, als 1929 ein Serienmörder das Rheinland in schiere Hysterie versetzt. 12 000 Hinweise gehen ein, darunter auch mindestens drei auf den tatsächlichen Täter. Dennoch dauert es Jahre, bis Peter Kürten, der „Vampir von Düsseldorf“, nach nachweislich acht Morden endlich gefasst wird. Das Land Preußen hat zur Aufklärung Kriminalrat Ernst Gennat an den Rhein geschickt, das reale Vorbild für den gleichnamigen Ermittler in der Kult-TV-Serie „Babylon Berlin“.

Für die Rheinländer ist der Fall 1931 eine Schmach ohnegleichen. Als ihnen das NS-Regime ab 1933 weitgehend freie Hand lässt, greifen die Kriminaler umso härter durch. Prostituierte, sogenannte Arbeitsscheue und Kleinkriminelle stellen über Jahre, so berichtet Fleemann, die Mehrheit der Insassen in den Konzentrationslagern. Eine weitgehend unerzählte Geschichte. Die Opfer lösten nicht den üblichen Mitleidsreflex aus. Ab 1940 seien dann viele Kripo-Beamte in die besetzten Gebiete im Osten entsandt worden und hätten an vorderster Front den Vernichtungskrieg geführt.

Versagen Bonner Beamter in der Nazi-Zeit

Von einer „Dokumentation des Versagens“ spricht der stellvertretende Dienststellenleiter Andreas Koch bei der Ausstellungseröffnung anstelle des erkrankten Polizeipräsidenten Frank Hoever. Aus Beamten seien Täter eines Unrechtsregimes geworden. Vergleichbares dürfe sich niemals wiederholen. Mit Blick auf die Ereignisse in der Ukraine und das Regime in Russland warnt er: „Gewaltherrschaft ist kein Thema der Vergangenheit“.

Auch wenn die Ausstellung sich eher mit Düsseldorf und dem Ruhrgebiet befasst, seien ihre Erkenntnisse auch auf Bonn übertragbar, sagt Fleermann. Bürgermeisterin Ursula Sautter erinnert an die Beschlagnahme des Endenicher Klosters zur ewigen Anbetung durch die Bonner Polizei 1940 und die Deportation von 474 dort ghettoisierter jüdischer Mitbürger. Häufig genug hätten die Beamten ihre Spielräume eher zu noch schärferen Maßnahmen genutzt, als diese von ihnen gefordert wurden.

Aber es gab auch Ausnahmen wie Kriminalkommissar Otto Kessel aus Bad Godesberg (1893 – 1984). Mehrfach soll er politische Gegner des NS-Regimes vor einer Verfolgung gewarnt oder jüdische Mitbürger vor der Deportation geschützt haben. Seit 17 Jahren steht Kessel auf der Straßenbenennungsliste der Stadt Bonn. Bislang vergeblich.

Das Buch zur Ausstellung: Bastian Fleermann, Die Kommissare, Kriminalpolizei in Düsseldorf und im rheinisch-westfälischen Industriegebiet 1920 – 1950, Droste Verlag, 498 Seiten, 49 Euro.

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