In 35 Minuten von Mehlem nach Bonn Erinnerungen an die alte Godesberger Straßenbahn

Bad Godesberg · Beim „Klaaf“ in der Offenen Türe Duerenstraße erinnerte der Heimat- und Geschichtsverein gemeinsam mit Zeitzeugen an die ehemalige Godesberger Straßenbahn. Ein Gast kam extra aus Bayern angereist, der die Bahn als Modellbauwaggons dabei hatte.

 Das Foto zeigt die Straßenbahn der Linie 3 in der Mainzer Straße im März 1975.

Das Foto zeigt die Straßenbahn der Linie 3 in der Mainzer Straße im März 1975.

Foto: Arndt Uwe Mann/Sammlung Volkhard Stern

Als Reiner Möller an diesem Nachmittag in der Offenen Türe Duerenstraße seine drei originalgetreu nachgebauten Waggons der ehemaligen Godesberger Straßenbahn auf den Tisch stellte, da ging ein Raunen durch den Raum. Der Heimat- und Geschichtsverein hatte zum „Klaaf“-Gespräch über die frühere oberirdische Stadtbahnverbindung von Mehlem bis Bonn eingeladen. Und über 60 Godesberger der Jahrgänge, die noch selbst die Bahn auf dem Weg zu Schule, Einkauf oder Arbeit genutzt hatten, waren gekommen. Moderator Horst Naass hatte auf die Historie der einstigen „Kastenwagen mit der Badewanne in der Mitte“ Appetit gemacht. Und so feierte Referent Gerhard Lemm „Os ahl Strôôßebahn - von Jodesberch noh Bonn un Mehlem“ in einem gewitzten mundartlichen Vortrag, der die Einwicklung der Bahn von ihren Anfängen bis zur Einstellung 1976 nachzeichnete.

1911 wurde der Dampfbetrieb eingestellt

So berichtete er mit Hilfe von Dias, wie 1892 zuerst auf eingleisiger Strecke die ersten vierachsigen Dampftrambahnen zwischen Bonn und Godesberg dem Verkehr übergeben werden konnten. Bald darauf wurde auch die Verlängerung nach Mehlem in Betrieb genommen. Ab 1911 wurde der Dampfbahnbetrieb eingestellt und auf elektrischen Betrieb umgesattelt. „Alle Stunde fuhr damals eine Bahn von Bonn nach Godesberg, und von Mehlem sogar alle 40 Minuten eine zurück“, erzählte Lemm. Die Fahrzeit von der Endhaltestelle Schlossallee bis in die Bonner City habe nur 35 Minuten betragen. „Früher kam man mit der Straßenbahn also schneller von Mehlem nach Bonn als heute mit Bus und U-Bahn“, resümierte der Referent mit einem tiefen Seufzer.

Nach dem Zweiten Weltkrieg sei dann die Gesamtstrecke wieder ab November 1945 befahren worden. Und ab 1953 wurde man dann endlich in neuen komfortableren Dreiwagenzügen transportiert. Auch die Mitarbeiter der vielen in Godesberg angesiedelten Botschaften seien zugestiegen. Im beachtlichen Sieben-Minuten-Takt seien Bahnen mit den gelben Waggons unterwegs gewesen. Er selbst habe sie ab 1964 regelmäßig genutzt, blickte Lemm auf seine Schulzeit zurück. „Manchmal kamen wir Schüler oft gar nicht hinein, so proppenvoll waren die Waggons.“ Hatte man aber einen der roten Plastiksitze erobert, habe man vor Unterrichtsbeginn noch gemütlich die Hausaufgaben vom Nachbarn abschreiben können.

Zuhörer hatten viele Anekdoten zu erzählen

Bei jedem der von Lemm gezeigten Dias fielen auch seinen Zuhörern weitere Histörchen zu den einstigen Fahrten ein. Reiner Möller etwa, der Zeitzeuge, der seine sorgsam gehüteten großen Modellbauwaggons zum „Klaaf“ mitgebracht hatte, war als Ehrengast extra aus dem bayerischen Weilheim zu dem Termin gekommen. Bass erstaunt war das Publikum, in ihm einen ihrer einstigen Schaffner wiederzusehen. „Ich habe selbst in Mehlem gewohnt und habe in den Semesterferien 1957 und 1958 Dienst auf der Bahn gemacht“, erklärte der heute 85-Jährige, ein pensionierter Offizier. Als Godesberger sei er von klein auf begeistert von der Bahn gewesen und ihr mit dem Fahrrad hinterhergesaust. Ob sich die Jungen von damals auch an die Waggons drangehängt hätten, fragte Lemm forsch nach. „Nein, da war ja kein Griff dran“, konterte Möller.

Ehemaliger Straßenbahnschaffner Reiner Möller berichtet, auf dem Tisch stehen seine großen Modelleisenwagen

Ehemaliger Straßenbahnschaffner Reiner Möller berichtet, auf dem Tisch stehen seine großen Modelleisenwagen

Foto: Ebba Hagenberg-Miliu

„Männchen“ passte auf, dass kein Unfall passierte

Und er berichtete von Fahrten mit besonders vielen Kunden, bei denen der Fahrer sogar noch einmal extra Schwung bei Steigungen nehmen musste. Möller erinnerte sich auch noch an den Tag, an dem die Bahn an der Wurzerstraße mit einem Kohlenlaster kollidierte. Plötzlich stand mit Albert Brenig auch ein Nachfolger Möllers aus dem Jahr 1974 auf und ergänzte einiges zur letzten Phase des Bahnbetriebs. „Wer weiß noch etwas vom Bimmelmännchen von viel früher?“, fragte mit Günter Gratzfeld schließlich ein hochbetagter Gast in die Runde. Das „Männchen“ sei ein kriegsversehrter älterer Herr gewesen, der am Engpass an der Bürgerstraße kommende Züge mit einem Pfeifen und einer weißroten Fahne habe ankündigen müssen, damit kein Unfall passierte. Ab und zu hätten Jungen dieses Trillern nachgeahmt, so dass die Bahn schon von der Rheinallee Richtung Bonn abgefahren sei, bevor der Schaffner überhaupt zugestiegen war.

Bernd Birkholz vom Einlader Heimatverein hatte ebenfalls Vergnügliches vorbereitet. Und zwar las er ein altes Gedicht über die wunderbaren sinnlichen Eindrücke, die man als Passagier der früheren Straßenbahn aus Bonn von Station zu Station habe sammeln können. Von à la Veilchen parfümierten jungen Mädchen wird da geschwärmt und von einer nach Pfirsichblüten duftenden Schaffnerin, bei der sich ein Herr Schmitt in der Bahn vor Freude gleich noch ein Zusatzticket bis Mehlem kaufte. Frei nach dem früheren Gassenhauer, den die „Klaaf Kapelle“ daraufhin auch gleich zum Besten gab: So erschallte nahe der Station Rheinallee das Lied von der „lieben kleinen Schaffnerin, gern bleib' ich im Wagen drin. Und ich küsse dann sehr galant, deine kleine entzückende, kleine berückende, fahrkartenzwickende Hand.“

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