Sprungbrett Literaturzeitschrift aus Bad Godesberg sucht Autoren

Bad Godesberg · Nach dem Generationenwechsel ist der Sitz der renommierten Literaturzeitschrift „Dichtungsring“ in Bad Godesberg. Die Herausgeber planen nun mit weiteren Bonner Autoren in Kontakt zu treten, etwa beim Literaturfrühstück.

 Die Literaturzeitschrift „Dichtungsring“ zeigt auch regelmäßig Bilder, wie das Aquarell „Boot“ von Editha Pröbstle.

Die Literaturzeitschrift „Dichtungsring“ zeigt auch regelmäßig Bilder, wie das Aquarell „Boot“ von Editha Pröbstle.

Foto: Zeitschrift Dichtungsring

Wo „das Anthrazit des Himmels“ endet? Und „die Welt ihr Versprechen der Ferne“ noch einhält? Das fragen sich, etwa in den Versen der Lyrikerin Eline Menke, zum Ausklang dieses seltsamen Corona-Jahres 47 Autoren in der neuesten Ausgabe der Literaturzeitschrift „Dichtungsring“. Die wird seit 1981 zweimal im Jahr von einer Gruppe literaturbegeisterter Bonner herausgegeben. Und widmete sich die vorherige Ausgabe noch dem Beethoven-Jubiläum, so dreht sich im aktuellen Heft alles um die Sehnsuchtsorte einer von der Pandemie gestressten Welt.

„Zu Zeiten, in denen es ein gesundheitliches Risiko darstellt, hinauszugehen und andere Personen zu treffen, drängte sich das Thema ‚Unterwegs’“ geradezu auf, sagen die Herausgeberinnen Susanne Schmincke und Sigune Schnabel. Und sie haben dem 130-Seiten-Heft passende Bildbeiträge von Editha Pröbstle beigegeben: Etwa das Aquarell „Boot“, das den Leser unwiderstehlich auf weite Fahrt ins wogende Meer der Gedanken lockt.

Vor 39 Jahren fing alles an

Angefangen hatte es mit der Gruppe vor 39 Jahren damit, dass sich die Studenten Hubert Katzmarz und Thomas Rugo mit Romanistik-Professor Alfons Knauth zusammentaten. Knauth habe in seiner Wohnung gerade den tropfenden Wasserhahn seines Waschbeckens repariert, also dessen Dichtungsring erneuert, als ihn ein Anruf mit der Frage erreichte, wie denn die kommende Literaturgruppe am besten heißen könne, erinnert sich Mitbegründer Ulrich Bergmann. Der findige Knauth habe dann einfach diesen kleinen, aber enorm wichtigen Wasserabdichtungsring ins Spiel gebracht. Und bei der konstituierenden Sitzung bei Kulturmanager Rugo in der Prinz-Albert-Straße sei dann das Foto eines tropfenden Wasserhahns zum Leitbild der Gruppe und ihrer Zeitschrift auserkoren worden.

Die aktuelle Ausgabe ist mit seiner Redaktionsadresse nun erstmals in Bad Godesberg verortet. Denn 2020 hat ein Generationswechsel stattgefunden. Die bisherigen Vorstandsmitglieder Bergmann (75) und Ines Hagemeyer (82), die über Jahrzehnte sozusagen die Segel der Gruppe setzten, kandidierten im August nicht mehr. „Das Ziel muss sein, jüngere Leser und jüngere Mitglieder zu gewinnen. Somit auch junge Themen“, hofften beide.

Literatur und kulturellen Austausch fördern

Ja, man trete verjüngt und verändert an, bestätigt Susanne Schmincke vom neuen Vorstand. „Aber auch wir drei sind schon seit vielen Jahren dabei.“ Sie selbst war Zahnmedizinerin, veröffentlicht schon seit Jahren Prosa bei den „Brückenschreibern Koblenz“. Im Vorstand arbeitet sie nun mit dem Bad Godesberger Juristen und Lyriker Werner Pelzer sowie dem Bonner Historiker und Autoren Cornelius van Alsum zusammen. „Wir sehen es als unsere ehrenamtliche Aufgabe an, die Literatur und damit einen kulturellen Austausch mit Autoren auch aus anderen Ländern zu fördern“, sagt Schmincke. Im Mittelpunkt stehe die gedruckte Zeitschrift. Dazu komme der jährlich ausgeschriebene Literaturpreis.

Im Hinblick auf das 40-Jährige sei die Gruppe natürlich durchaus ein wenig stolz auf die vergangenen Jahre. „Denn nur wenige Literaturzeitschriften existieren derart lange Zeit. Und viele später bekannt gewordene Autorinnen und Autoren haben bei uns veröffentlicht.“ Die Zeitschrift ist bewusst interkulturell, multilingual und gattungsoffen angelegt. Lyrik und Prosa, konkrete und visuelle Poesie, Essay, Satire, Brief, Hörspiel, dramatische Szenen – all das war immer willkommen. Französische, englische, spanische, portugiesische, italienische und rumänische Texte wurden ins Deutsche übersetzt.

Jubiläumsheft soll Doppelausgabe werden

Auch ein Oskar Pastior, eine Friederike Mayröcker und ein Primo Levi haben schon zu den Autoren gehört. Es sei für jeden wichtig, die eigenen Worte gedruckt zu lesen und sie in diesem hochwertigen Rahmen in Begleitung von Kunstfotos wiederzufinden, sagt Schmincke. Denn wer ahne schon, wie viele Stunden Autoren an den Tasten sitzen, lesen, ändern und kürzen? „Allein schon ein Thema und eine Ausschreibungsfrist motiviert die Hirnzellen, zu schreiben.“

Die Gruppe plane nun, in Kontakt zu weiteren Bonner Autoren zu treten und zu einem Literaturfrühstück einzuladen, bei dem Werke diskutiert werden können. „Der Ort steht schon fest, aber auch uns machen die Corona-Einschränkungen zu schaffen.“ Zudem soll das Jubiläumsheft eine Doppelausgabe werden, und man wolle auch den Literaturpreis wieder ausschreiben. Dafür suche man noch einen Hauptsponsor und weitere Abonnenten. Sicher hilft da die aktuelle Ausgabe „Unterwegs“ zu Corona-Zeiten. Die eben vielstimmig auch mit jungen Autoren wie Apolonia Gottwald (siehe Kasten „Abendwanderung“) in Prosa und Lyrik von Gedankenreisen „nach draußen“ erzählt, vom Blick hoch zu den fliehenden Kranichen, vom Unterwegssein auch in digitalen Welten, von Tagträumereien „im Dickicht der Sinne“ und von neuen Wegen auf Landkarten, die man noch nie zu nutzen gewagt hat. 

„Dichtungsring. Zeitschrift für Literatur“, Heft 58, „Unterwegs“, Bonn 2020, 9 Euro (plus 2 Euro Versandgebühren) zu beziehen über www.dichtungsring-ev.de

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