Verschwundene Wahrzeichen aus Bonn Nur die Kastanie ist vom Haus Miramonti geblieben

Serie | Bad Godesberg · Privat-Sanatorium, Hotel, Bundesbehörde, heute Wohnkomplex: An das frühere"Haus Miramonti" in Bad Godesberg erinnert heute noch der Name der Bushaltestelle am Standort.

 Das Haus Miramonti nach dem Umbau zum Privat-Sanatorium. Die Postkarte von 1928 ist in den Godesberger Heimatblättern abgebildet.

Das Haus Miramonti nach dem Umbau zum Privat-Sanatorium. Die Postkarte von 1928 ist in den Godesberger Heimatblättern abgebildet.

Foto: Stefan Knopp

An die Kastanie erinnert sich Michael Turley noch gut. Der imposante und zum Glück geschützte Baum steht hinter dem Wohnhaus zwischen Deutschherrenstraße und An der Kelter und ist der einzige verbliebene Zeuge dessen, was hier früher mal war – abgesehen von der Benennung der Bushaltestelle direkt vor der Haustür. „Miramonti“ heißt sie, und diesen Namen trug zwischenzeitlich das Gebäude, das dort mal stand. Ein wahrhaft verschwundenes Wahrzeichen.

Turley kannte die Adresse noch als seinen Arbeitsplatz. Bis 2006 war dort die Außenstelle des Bundesamtes für Zivilschutz – die Zentrale lag in Endenich, heute heißt diese Behörde „Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe“ und hat ihren Sitz in Lengsdorf –, und er erinnert sich noch an den Balkon, auf dem er öfters Pause gemacht hatte. Ab 1978 arbeitete er dort bis zum Ruhestand. Damals hatte man ringsherum eine Apfel-Streuobstwiese angelegt, der Zaun war mit einer dichten Brombeerhecke bewachsen, die gerne für Marmelade abgeerntet wurde. Leider wurde das Gebäude immer mehr zum Funktionsbau umgewandelt, erinnert er sich. Nach so viel Abriss und Anbau sei es nicht mehr für den Denkmalschutz geeignet gewesen. Vor rund zehn Jahren fiel dann die Entscheidung: Abriss und Neubau mit Wohnhaus und Einfamilienhäusern auf dem Grundstück.

Postkarte vom „Großen Kurfürsten“

Da wurde ein kleiner architektonischer Schatz immer weiter umgebaut, jetzt ist davon nichts geblieben, bis auf die Kastanie. Die Geschichte reicht wenigstens bis Anfang des 20. Jahrhunderts zurück: Auf einer Postkarte von 1912 ist dort die Hotel-Pension Hochgürtel „Zum Großen Kurfürsten“ zu sehen, 1924 fand eine Eröffnung des Hotel-Restaurants „Europäischer Hof“ statt. Gastronomie blieb es bis 1927. Da verkaufte der bisherige Eigentümer Hochgürtel das Grundstück an den Mediziner Constantin Kleefisch und seine Frau Else, die es umfangreich zum Privat-Sanatorium umbauten – unter anderem richteten sie eine Warmwasser-Zentralheizung ein, schufen einen Wintergarten und installierten eine hauseigene Wechselstromversorgung mittels Generator ein, damals höchstmodern, um zum Beispiel Röntgen- oder Rotlichtbestrahlung sowie Wärme und Lichtbehandlung zu ermöglichen.

 Das Haus Miramonti nach dem Umbau zum Privat-Sanatorium. Die Postkarte von 1928 ist in den Godesberger Heimatblättern abgebildet.

Das Haus Miramonti nach dem Umbau zum Privat-Sanatorium. Die Postkarte von 1928 ist in den Godesberger Heimatblättern abgebildet.

Foto: Stefan Knopp

„Bewundere die Berge!“

Dass das alles bekannt ist, ist auch Kleefischs Tochter Hildegard Hoppe zu verdanken, die alles Wissenswerte darüber für einen Artikel in Band 32 der Godesberger Heimatblätter zusammentrug. Sie schrieb auch, dass der neue Name für die Einrichtung „vollauf berechtigt“ gewesen sei: „Miramonti“ bedeutet „bewundere die Berge!“, und in der Tat war der Blick auf das Siebengebirge damals noch nicht verbaut. „Mein Vater konnte nun hoffen, seine damals noch sehr neuartigen (heute allgemein verbreiteten) ganzheitlichen Behandlungsmethoden für nervöse Leiden zu verwirklichen“, schreibt Hoppe. Ihre Eltern hätten ihr ganzes Geld in das Projekt gesteckt, und das Haus sei von Beginn an gut belegt gewesen.

 Das Haus Miramonti nach dem Umbau zum Privat-Sanatorium. Die Postkarte von 1928 ist in den Godesberger Heimatblättern abgebildet.

Das Haus Miramonti nach dem Umbau zum Privat-Sanatorium. Die Postkarte von 1928 ist in den Godesberger Heimatblättern abgebildet.

Foto: Stefan Knopp

Wehrmacht beschlagnahmte das Haus

Dann kamen drei problematische Entwicklungen zusammen: Der wirtschaftliche Abschwung nach der Inflation von 1923 sei auch nach Ende der „Goldenen Zwanziger“ weitergegangen, was eine hohe Arbeitslosigkeit mit sich brachte, vor allem bei den Mittelständlern – „die Zielgruppe für unser Haus“, so Hoppe. Darüber hinaus war nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten das Konzept eines Privat-Sanatoriums nicht mehr gerne gesehen, und schließlich begann 1939 der Zweite Weltkrieg. „Unser Haus wurde von der Wehrmacht beschlagnahmt“, schreibt Hoppe, die vermutete, dass das an der modernen Stromversorgung lag. „Ich erinnere mich noch an die Feldküche im Wirtschaftshof, an die Motorräder im großen Saal und an all die Fahrzeuge verschiedenster Art im Kastanienhof“, beschreibt sie. Nach Truppenabzug konnten ihre Eltern das Haus nicht mehr finanzieren, es wurde 1941 „weit unter Wert“ versteigert. Sie selbst verließ im gleichen Jahr mit ihren Kindern Bonn und fand nach ihrer Rückkehr 1946 das Gebäude stark umgebaut vor, über dem Haupteingang prangte der Schriftzug „Hotel Miramonti“, aber im Lauf der Zeit konnte man die Berge nicht mehr sehen.

 Das Haus Miramonti nach dem Umbau zum Privat-Sanatorium. Die Postkarte von 1928 ist in den Godesberger Heimatblättern abgebildet.

Das Haus Miramonti nach dem Umbau zum Privat-Sanatorium. Die Postkarte von 1928 ist in den Godesberger Heimatblättern abgebildet.

Foto: Stefan Knopp

Schließlich kaufte der Bund das Gebäude. „Da sollten Laboratorien eingerichtet werden“, erinnert sich Turley. Geforscht wurde an chemischen und physikalischen Neuerungen, „alles, was im Kalten Krieg en vogue war“. Und wo heute die Tiefgarage des Wohnkomplexes ist, seien früher Versuchsschutzräume angelegt worden.

Schon zu seinen Dienstzeiten war vom alten Charme des Hauses Miramonti, das als Sanatorium so gut zum Kurortcharakter von Bad Godesberg gepasst hatte, kaum etwas geblieben. Turley bedauert das. „Wir hatten das Haus liebgewonnen“ sagt er. Zumindest sollte die Bushaltestelle nicht umbenannt werden, die an dieses verschwundene Wahrzeichen erinnert.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort