"Eckladen 1910" in Mehlem Bonner Nostalgie-Geschäft ermöglicht eine Zeitreise

MEHLEM · Eine Zeitreise ins vergangene Jahrhundert ermöglicht ein Besuch im Mehlemer „Eckladen 1910“. Der Name ist Programm: Es gibt dort allerhand Schönes, Nützliches und Spielerisches von anno dazumal.

 Kerstin Sievert führt den "Eckladen 1910"

Kerstin Sievert führt den "Eckladen 1910"

Foto: Benjamin Westhoff

Er liegt zwar nicht an einer Ecke, heißt aber dennoch so: Der „Eckladen 1910“ im Herzen Mehlems. Wenn Kerstin Sievert an vier Tagen in der Woche draußen die weiße „Geöffnet“-Flagge hisst, lädt das Türschild „Stöbern erwünscht“ jeden Passanten, der an der bunten Schaufensterauslage stehenbleibt, zum Reinkommen ein. Wer die Tür öffnet und sich mit blechernem Glockenklang ankündigt, taucht unweigerlich in längst vergangene Zeiten ein – mit erzgebirgischen Weihnachtsartikeln, Emaille-Geschirr und Steiff-Teddybären. Die „gute alte Kaffeemühle“ ist natürlich neu und voll funktionstüchtig, und der Porzellanfilter feiert schon längst seine Renaissance in der Barista-Szene.

„Oh, Glanzbilder!“, klingt es oft schwärmerisch, wenn ältere Kunden den Laden betreten. Auch neu aufgelegte Buchklassiker, nostalgischer Baumschmuck oder Blechspielzeug lassen ältere Generationen ebenso in Erinnerung schwelgen wie die Seifen einer Heidelberger Manufaktur. „Die gibt es schon seit 1840“, stellt Kerstin Sievert fest, die oft Großeltern begrüßt, die ihren Enkeln zeigen wollen, was es zu ihrer Zeit so alles gab. Doch wer glaubt, dass Kinder von heute keine Dampfmaschine mehr kennen, der irrt. „An unserem Marktstand erklärte ein Dreikäsehoch einmal einem Zweikäsehoch die genaue Funktion“, erinnert sich die Inhaberin, „und zwar richtig.“ Wenn der „Eckladen 1910“ auf Märkten unterwegs ist, ist das Publikumsinteresse für die Waren von anno dazumal groß. „Das kenne ich auch! Wo kommt das her?“, wird oft gefragt. „Anfangs haben wir 75 Prozent erklärt und 25 Prozent verkauft“, erzählt Ehemann Peter Sievert. „Jetzt ist es 50/50.“

Der „Eckladen 1910“ entstand aus dem gemeinsamen Hobby des Paares. Um ihr umfangreiches historisches Wissen an andere weiterzugeben, entschieden sich Kerstin und Peter Sievert vor sieben Jahren zur Teilnahme am Bad Honnefer Martinimarkt und am Weihnachtsmarkt auf Schloss Drachenburg. Hinzu kam der„Jahrmarkt anno dazumal“ im Freilichtmuseum Kommern und mit der Zeit weitere Märkte. Als sich 2015 die Möglichkeit bot, das leerstehende Ladenlokal auf der Mainzer Straße 184 anzumieten, beschloss Kerstin Sievert, hier „sesshaft“ zu werden, obgleich sie weiterhin an vielen Märkten wie der „Einzigartigen Weihnachtszeit“ auf Schloss Drachenburg teilnimmt. Dort sind insbesondere die angebotenen Schnittmuster gefragt. „Menschen, die historische Zeiten darstellen, schneidern meist selbst“, so Sievert, die ihren „Eckladen 1910“ nebenberuflich betreibt. „Daher die eingeschränkten Öffnungszeiten“, erklärt sie.

Bilder vom Bonner Nostalgie-Geschäft in Mehlem
12 Bilder

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Im Mehlemer Nostalgie-Laden lebt die gelernte Handelsassistentin ihre Leidenschaft für Geschichte aus; mit Unterstützung von Ehemann Peter, der ebenfalls begeisterter Hobbyhistoriker ist und sich besonders in der Preußenzeit gut auskennt. „Der Schwerpunkt unserer Waren stammt aus der Zeit um 1910“, erläutert Kerstin Sievert die Namenswahl für ihr Geschäft. Woher sie weiß, was es damals gab? „Da existierten schon Versandhauskataloge“, sagt sie. Und im „Laden an der Ecke“ gab es auch früher schon Kolonialwaren wie Schokolade, Kaffee, Tee und Gewürze. So wie bei Kerstin Sievert. „Aber nur fair gehandelt“, betont die Inhaberin mit Hinweis auf die damalige Ausbeutung der Kolonien. „Das hängt den Menschen dort bis heute nach.“

Sieverts Regal mit dem Blechspielzeug mutet wie ein Bild vergangener Tage an, da viele Verpackungen der Replikate in ihren Abbildungen und Schriftzügen originalgetreu geblieben sind. Peter Sievert holt einen 100 Jahre alten Steinbaukasten aus dem Regal, den man im Laden an der Mainzer Straße 184 auch als Replikat erwerben kann. „Das sind die gleichen Farben wie bei den Steinen auf Schloss Drachenburg“, erklärt der Fachmann lächelnd. Und der Laie staunt.

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