GA-Serie „Ruhestand 4.0“ Ehemaliger Polizeipsychologe gibt Einblick in die Psyche von Tätern

Serie | Bad Godesberg · Der frühere Polizeipsychologe Reinhard Haselow aus Plitterdorf ist auch als Pensionär ein gefragter Experte. Als Dozent und Zeitzeuge berichtet er Studenten beispielweise vom Gladbecker Geiseldrama, das 1988 auf der A3 im Siebengebirge ein Ende fand.

In der Wache an der Zeppelinstraße hat Reinhard Haselow seine Polizeikarriere vor vielen Jahrzehnten begonnen.

In der Wache an der Zeppelinstraße hat Reinhard Haselow seine Polizeikarriere vor vielen Jahrzehnten begonnen.

Foto: Alfred Schmelzeisen

Seinen Ruhestand seit nunmehr acht Jahren füllt der Sozialwissenschaftler und Dozent Reinhard Haselow aus Bad Godesberg auf vielfältige Weise aus: im Karneval oder als Lehrbeauftragter an der Hochschule für Polizei und Verwaltung NRW. Bei vielen Kriminalfällen in den vergangenen Jahrzehnten war Haselow als polizei- und kriminalwissenschaftlicher Berater und Gutachter tätig, beispielsweise in der Mordkommission zum Kölner „Parkhausmord“.

Das Geiseldrama von Gladbeck

An einen spektakulären Fall denkt Haselow aber besonders zurück: Als Polizeiführer im Rhein-Sieg-Kreis war er 1988 Zeitzeuge des Geiseldramas von Gladbeck. Die Ereignisse sind noch vielen Menschen in Erinnerung. Am 16. August 1988 hatten Hans-Jürgen Rösner und Dieter Degowski als Haupttäter eine Bank in Gladbeck überfallen. Dort sowie während der mehrere Tage andauernden Flucht durch Nordrhein-Westfalen, nach Bremen und in die Niederlande nahmen sie mehrmals Geiseln.

Noch heute wird Teilen der Medienvertreter ein Fehlverhalten vorgeworfen, beispielsweise Interviews in der Kölner City mit den Geiselnehmern geführt zu haben. Das Geiseldrama wurde schließlich auf der Autobahn A3 im Siebengebirge durch den Zugriff eines Sondereinsatzkommandos (SEK) der Kölner Polizei beendet. Dabei wurde die Geisel Silke Bischoff getötet.

Haselow war mit einer Abordnung zum Polizeipräsidium Köln in die Nachbereitung dieses spektakulären Verbrechens eingebunden. Die psychologische Betreuung von betroffenen Beamten des SEK war ihm ebenso übertragen worden. Niemals werde er die ergreifenden und aufwühlenden Reaktionen einiger SEK-Beamten vergessen. Sie sähen sich verantwortlich für den aus ihrer Sicht letztlich „gescheiterten“ Zugriff auf der A3. In der Folge sei die Krisenintervention sowie der Umgang mit solchen Ereignissen bei Einsatzkräften und der Polizeiführung überdacht worden.

Haselow gibt Erfahrungen an Studenten weiter

Haselow habe auch einen der Täter erlebt. „Später habe ich den Gladbecker Geiselnehmer Hans-Jürgen Rösner in einem exklusiven Interview, das meine Studenten im Rahmen eines kriminologischen Forschungsprojektes in der JVA Bochum geführt haben, als „typischen Psychopathen“ erfahren“, sagt er. Die Erkenntnisse verwende Haselow noch heute in seinen kriminologischen Vorlesungen zur Veranschaulichung. Für Studenten bietet der Polizeiexperte damit auch noch Jahre nach seinem Ruhestandsbeginn einen Fundus von Erfahrungen aus vielen Polizei-Einsätzen.

An einen Ruhestand ist nicht zu denken

Überhaupt denkt der im Bad Godesberger Ortsteil Plittersdorf wohnende Sozialwissenschaftler noch lange nicht an Ruhestand. Als Referent sei er in zahlreichen Bereichen des Öffentlichen Dienstes weiter tätig. Erst jüngst habe er den Ruf für eine Gastdozentur an die Brandenburgische Technische Universität im Bereich der Forensik, der Kriminologie beziehungsweise Polizeipsychologie erhalten. Im Sommersemester 2020 werden die Studenten dann auch dort von Haselow der als Polizeipsychologe oft bei der Personalauswahl für Führung und Management gefordert war, Wissenswertes erfahren.

Auch für das Profiling und die Prävention gilt Haselow als gefragter Fachmann. Hierbei habe er beispielsweise den Deutschen Fußballbund als Hauptgutachter 2004/2005 bei der Vorbereitung zur Weltmeisterschaft unterstützt, um mit anderen Polizeispezialisten rechtsextreme Phänomene in Fußballstadien aufzudecken.

Zudem stammen auch zahlreiche Bücher, unter anderem zum „Prüfungswissen Psychologie“ sowie zum „Wandel der Volkspolizei“, archiviert im Haus der Geschichte Bonn, aus der Feder Haselows. Seine Werke als Mitautor der Bücher „Hartz IV“ und „Fallmanagement“ fänden nach wie vor ihre Umsetzung in den Jobcentern.

Wissenschaftliche Karriere startete an der Uni Bonn

Seine wissenschaftliche Karriere hatte Haselow – neben seiner Tätigkeit bei der Polizei – an der Universität Bonn begonnen. Später promovierte er in den Fächern Psychologie, Soziologie und Politik. „Die Doktorprüfung bestand ich mit ‚sehr gut’, eine gute Voraussetzung für die Lehre und meine Qualifikation zum wissenschaftlichen Supervisor oder Coach“, sagt Haselow rückblickend.

In Bad Godesberg führt er zudem den Karnevalsclub „Die Jecken Goten“ seit mehr als zehn Jahren an und genießt als gebürtiger Westfale das rheinische Brauchtum. Und wenn nicht die nächste Karnevalssession vorzubereiten ist, wirkt das soziale Engagement von Haselow. Seit zehn Jahren gestaltet er mit seinem Vorstandsteam beispielsweise für benachteiligte Kinder in Bad Godesberg während der Sommerferien im Rahmen der Piratenwoche ein Ferienprogramm mit. Und auch für die Älteren hat Haselow ein großes Herz, lädt mit seinem Karnevalsverein seit Jahren zu Weihnachten ins Goten-Vereinshaus an die Godesberger Straße ein.

Wenn Haselow die Zeit findet, dann spielt er auf den hiesigen Plätzen Golf. Und mit seiner Ehefrau Erika, die ihn seit 53 Jahren bei seinen vielen Aktivitäten begleitet und unterstützt, möchte er bald goldene Hochzeit feiern. „Meine karnevalistischen Wege finden bei ihr nur wenig Anklang, doch im kriminologischen Bereich ist sie nicht selten eine gute Ratgeberin, letztlich sind Krimis auch ihre Leidenschaft … das passt“, sagt Haselow und schmunzelt.

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