Gerd Nieke Bonns ehemaliger Baudezernent wird 90 und ist immer noch als Experte gefragt

BONN · Was viele Menschen in Bonn und der Region nach dem schweren Unwetter durchmachen müssen, kann Gerd Nieke nur allzu gut nachvollziehen. Der frühere Baudezernent der Stadt Bonn wohnt mit seiner Frau Ute an der Fasanenstraße in Rüngsdorf.

 Wenn Gerd Nieke über seine fast 30 Jahre als Baudezernent der Stadt Bonn erzählt, kommen ihm viele Geschichten zur Entwicklung Bonns in den Sinn.

Wenn Gerd Nieke über seine fast 30 Jahre als Baudezernent der Stadt Bonn erzählt, kommen ihm viele Geschichten zur Entwicklung Bonns in den Sinn.

Foto: barbara frommann/BARBARA FROMMANN

Das Haus stammt aus den 1930er Jahren und liegt unmittelbar am Rheinufer, mitten im Landschaftsschutzgebiet. "Heute würde man dort nicht mehr bauen", sagt Nieke. Nasse Füße sind er und seine Frau gewohnt.

Seit 1965 leben sie in dem Zweifamilienhaus. Ihre Wohnung hatten sie zunächst gemietet, später dann als Eigentum erworben. "Unser Haus hat schon oft ein Inseldasein geführt, wenn der Rhein mal wieder sein Bett verlassen hatte", sagt Ute Nieke. Ihr Mann wühlt derweil in alten Unterlagen. Heute wird der Architekt und Bauingenieur 90. Fast ein Drittel seines Lebens hat er im Dienste der Stadt Bonn gestanden.

Nieke ist ein Feingeist. Im Wintersemester besucht er mit seiner Frau regelmäßig Vorlesungen der Philosophischen Fakultät der Bonner Universität. Doch wenn er am Esszimmertisch der Familie mit schwarz polierter Holzplatte sein Leben Revue passieren lässt, könnte man fast meinen, er sitzt wieder am Besprechungstisch mit Kollegen des Planungsdezernats im Stadthaus. Das Stadthaus. "Ich hätte so etwas niemals geplant", entrüstet er sich. Also Abriss? "Nein. auf keinen Fall", sagt er. "Das Stadthaus steht für seine Zeit."

Als Nieke, der seit 1965 für die Stadt Bad Godesberg nach der Raumordnung 1969 zur Stadt Bonn kam, stand die Planung für das Stadthaus bereits. "Ich mochte sie nicht, aber ich musste die Pläne umsetzen. Ein Zurück gab es nicht." Das galt auch für die Planung der Altstadtsanierung in Bad Godesberg.

Sie war ebenfalls in trockenen Tüchern, als Nieke von Hürth in die Badestadt wechselte. Stolz schwingt in seiner Stimme mit, als er erzählt, dass er die Sanierungsfläche halbieren konnte und somit die kurfürstliche Häuserzeile vor dem Abriss bewahrte. Und dafür sorgte, dass der Stadt- und Redoutenpark für die Fußgänger verbunden wurde.

Seit 25 Jahren ist der gebürtige Breslauer, der als junger Soldat im Zweiten Weltkrieg fünfmal verwundet wurde, nicht mehr im Amt. "In meinem Kopf steckt noch immer eine Kugel", verrät er. Dank guter Verfassung kann der Vater von drei erwachsenen Kindern und Großvater von mittlerweile acht Enkelkindern noch recht aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Immer noch ist sein Rat gefragt, wenn er die Versammlungen seiner Berufsverbände besucht.

Treu geblieben ist Nieke auch der FDP, der er seit mehr als 60 Jahren angehört. Die Diskussion ums WCCB und um das Festspielhaus verfolgt er mit großem Interesse. "Wenn man nicht ein zweites Debakel erleben will, muss man die Planung des Festspielhaus gründlich und solide vorbereiten", warnt er. Natürlich wünscht er der Stadt ein Festspielhaus. "Aber dafür muss das Geld da sein. Und was ist mit dem Nutzungsumfang und den Betriebskosten?", fragt er.

Nieke hat für das gesamte Gebiet der Stadt Bonn Planungen aufgestellt und den Ausbau der Stadt zur Bundeshauptstadt eng begleitet. Seine Erinnerungen an die Zeit Anfang der 1970er Jahre, als der Stadtrat mit dem "Projekt 77" noch eine Autobahn durch Bonn plante und dafür rund ein Drittel der Südstadt opfern wollte, sitzen tief. "Ich war strikt dagegen. Doch die Ratsmehrheit versuchte mit allen Mitteln, mich vom Gegenteil zu überzeugen."

Mit Hilfe seines Freundes Professor Max Guther, Vater des neuen Tannenbuschs, kam es zu einem Expertencolloquium. Das Ergebnis: Die Autobahn wurde nicht gebaut. Darüber ist der Grandseigneur der Bonner Städtebauer noch heute froh. "Bauen", sagte Nieke vor zehn Jahren anlässlich seines 80. Geburtstages dem GA, "ist für mich ein Lebenselixier." Ein Elixier, das bei dem Jubilar augenscheinlich bis heute seine Wirkung nicht verfehlt hat.

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