GA-Interview Coletta Manemann: "Nur die Tür zu öffnen, genügt nicht"

Bonn · Seit der General-Anzeiger am vergangenen Wochenende über die Gründung einer Moschee durch Salafisten berichtete, ist die Aufregung in Mehlem groß. Wir sprachen mit Coletta Manemann, der Integrationsbeauftragten der Stadt Bonn, über das Thema.

Coletta Manemann am Mittwoch im Alten Rathaus.

Coletta Manemann am Mittwoch im Alten Rathaus.

Foto: Max Malsch

Frau Manemann, hatten Sie schon Kontakt zu den Salafisten in Mehlem?

Coletta Manemann: Nein. Es ist ja nicht so, dass die Integrationsbeauftragte sofort tätig wird, wenn sich irgendwo ein Verein gründet, und unmittelbar das Gespräch sucht. Insofern weiß ich bislang nicht ganz genau, um was für eine Gruppe es sich handelt und wer im Einzelnen dazu gehört. Der Dialog mit Muslimen ist nur eines von einer großen Palette an Integrationsthemen. Schließlich gibt es auch viele Migranten in Bonn, die keine Muslime sind.

Ist Ihnen denn etwas berichtet worden?

Manemann: Soweit ich gehört habe, soll es sich bei der neuen Moscheegemeinde um Muslime aus dem Godesberger Süden handeln. Aber wer genau dahinter steckt und wie diese Personen möglicherweise mit anderen Gruppen in Bonn in Verbindung stehen, dazu kann ich nichts sagen. Ganz sicher weiß ich aber, dass viele Muslime in Bad Godesberg über die Entwicklung und die Art des öffentlichen Auftretens der Gruppe alles andere als froh sind.

Seit wann haben Sie Kenntnis von salafistischen Aktivitäten in Mehlem?

Manemann: Es ist ungefähr vier Wochen her, dass sich besorgte und aufgeregte Bürger bei der Stadt gemeldet haben. Es hieß, dass sich ein neuer Verein gegründet habe, hinter dem bekennende Salafisten stehen sollen. Auch im Internet gab es ja Hinweise auf eine fundamentalistische Ausrichtung dieser Gruppe.

Es erstaunt, dass die Polizei das Objekt bereits im Auge hat, während die Stadtverwaltung noch von "Gerüchten" spricht. Was sagen Sie dazu? Konnte oder wollte die Stadt die Gründung nicht von vornherein unterbinden?

Manemann: Wenn ein Verein ein Ladenlokal mietet, dann ist dies für eine Kommune zunächst noch kein Anlass zur sofortigen Überprüfung. Dafür bedarf es schon genauer Hinweise auf mögliche Rechtsverstöße. Die Stadt hat in Gestalt des Bauordnungsamtes ja auch reagiert. Aber man muss hier klar trennen: Die Aufgaben der Sicherheitsbehörden sind nicht die der Stadt. Und auch eine Integrationsbeauftragte ist weder Expertin für extremistische Gruppen noch für bestimmte Richtungen im Islam. Auch ich muss mich hier stets gründlich kundig machen und eine erste Einordnung entwickeln.

Was sagen Sie zur Einschätzung von Polizei und Verfassungsschutz, nach der Bonn ein Schwerpunkt der Salafisten in Nordrhein-Westfalen ist?

Manemann: Ich verfolge diese Stellungnahmen immer sehr aufmerksam. Wenn die Sicherheitsbehörden das so sagen, werden sie auch Anhaltspunkte dafür haben. Inwieweit konkret Personen beobachtet werden, entzieht sich aber meiner Kenntnis.

Was bedeutet diese Entwicklung für die Arbeit der Integrationsbeauftragten?

Manemann: Für unsere Arbeit insgesamt wäre es natürlich kein gutes Zeichen, wenn sich dieser Eindruck erhärten würde. Dies gilt besonders insoweit, als wir sehr viele Muslime in Bonn haben, deren gute Integration, etwa durch ihr Engagement in Vereinen, in Moscheegemeinden, auch als Integrationslotsen der Stadt Bonn übrigens, beispielhaft ist. Insofern ist es kontraproduktiv, wenn extremistische Gruppen die Diskussion beherrschen. Anderseits sehe ich auch, dass die Öffentlichkeit inzwischen durchaus imstande ist, zwischen der moderaten Mehrheit und radikalen Minderheiten zu differenzieren und kleine, politisch motivierte Gruppen auch als solche zu erkennen. Diese Unterscheidung ist sehr wichtig, weil man anderenfalls extremistische Gruppen unverhältnismäßig aufwerten würde, die es ja genau darauf anlegen.

Ähnlich wie bei den aktuellen Koranverteilungen in den Innenstädten?

Manemann: Ja! Und auch das habe ich mir sehr genau angesehen und die Aktion eher als Ab- statt als Aufwertung des Koran wahrgenommen. Er wurde unters Volk gebracht wie irgendein beliebiges Buch. Man schien sichtlich in Kauf zu nehmen, dass viele Exemplare in den nächsten Papierkorb wandern würden. Viele religiöse Muslime dürften dies als unseriös empfinden. Insofern ist die Differenzierung wichtig. Mir gegenüber äußern Muslime oft die Sorge, dass fundamentalistische Aktivitäten - auch in Bad Godesberg - die zahlreichen und intensiven Integrationsbemühungen konterkarieren könnten.

Wie äußert sich diese Sorge konkret?

Manemann: Die große Mehrheit, mit der wir zusammenarbeiten, schätzt das Grundgesetz gerade deshalb, weil es Religionsfreiheit garantiert, und vermittelt dieses Bewusstsein auch ihren Kindern. Insofern stört es sie, wenn Prediger mit einfachen, schlichten Botschaften, aber auch Drohungen solche Aufmerksamkeit erzeugen.

Beschränken sich die salafistischen Betätigungen auf Bad Godesberg, oder gibt es ähnliche Entwicklungen auch in anderen Stadtbezirken?

Manemann: Ich kann das nicht ausschließen, es ist aber nicht meine Aufgabe, fundamentalistische Bestrebungen zu identifizieren oder gar zu verfolgen. Die Arbeit einer Integrationsbeauftragten lebt letztlich vom Vertrauen und von konstruktiven, positiven Zielen, die man gemeinsam setzt. Natürlich arbeite ich am liebsten mit Vereinen und Moscheegemeinden zusammen, die sich klar und deutlich zu unserer Gesellschaft bekennen und offen und interessiert sind. Solche Kooperationspartner habe ich in Bad Godesberg und darüber bin ich sehr froh.

Gleichzeitig aber ist gerade in Bad Godesberg die Sorge vor einem Erstarken von Parallelgesellschaften groß. Beispielsweise wächst der Unmut über die zunehmende Zahl vollverschleierter Frauen. Reichen die zahlreichen Integrationsbemühungen nicht aus?

Manemann: Eine offene, plurale Gesellschaft wird immer auch Gruppen haben, die dem einen oder anderen nicht gefallen. Natürlich kann man nicht ausschließen, dass es in Stadtteilen Gruppen gibt, die den Eindruck machen, sich abzuschotten. Anderseits müssen in einer Demokratie mitunter Dinge ausgehalten werden, die einem selbst nicht gefallen, die man aber deshalb noch lange nicht verbieten kann. Gleichzeitig besteht kein Zweifel daran, dass die Integrationsbemühungen noch erheblich intensiviert werden müssen. Gerade in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist noch viel zu tun. Die Stadt Bonn und viele andere arbeiten intensiv daran.

Was müssen die Muslime dazu beitragen?

Manemann: Ich appelliere an alle muslimischen Vereine, sich ganz klar zu dieser Gesellschaft zu bekennen und auch im eigenen Umfeld und im Stadtteil zu vermitteln, wie ihre Haltung beispielsweise zu Salafisten ist. Denn Teilhabe und Partizipation bedeuten auch, sich bei diesen Themen zu positionieren und zu verdeutlichen, wie der eigene Beitrag zur Integration aussieht. Wer mit uns zusammenarbeiten möchte, sollte sich in solchen Fragen eindeutig bekennen. Dies gilt für mich insbesondere für Erwachsene mit Blick auf die Vorbildfunktion für Kinder und Jugendliche.

Wie bewerten Sie die Integration in Bonn insgesamt?

Manemann: Wir haben viel getan und viel erreicht. Aber es kann kein Zweifel daran bestehen, dass noch eine Menge Arbeit auf uns wartet. Nur die Tür zu öffnen, genügt nicht. Ich wünsche mir, dass Bonn ein Vorbild ist für gut integrierte Muslime, die unsere Gesellschaft in Vereinen und in Stadtteilen, in Schulen und Kindergärten und an vielen anderen Stellen aktiv mitgestalten.

Zur Person: Coletta Manemann (51 ) ist seit 2008 Integrationsbeauftragte der Stadt Bonn. Die Diplom-Pädagogin lebt seit 1979 in Bonn.

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