Ausstellung im Haus an der Redoute Corona hinterlässt deutliche Spuren
BAD GODESBERG · Godesberger Kunst in der Pandemie: Bis zum 27. März ist im Haus an der Redoute nach einem Jahr Pause wieder die traditionelle „Schwarz-Weiß-Ausstellung“ zu sehen.
Am Eingang des Hauses an der Redoute erwartet den Ausstellungsbetrachter seit Aschermittwoch eine große knotige Plastik. „Verschlingungen“ hat sie die Künstlerin Annegret Goebels genannt. Bewegungen erscheinen in den Papiersträngen abrupt ausgebremst und zu Kursänderungen gezwungen. Und doch ergeben alle Windungen unserer komplizierten Welt letztlich ein Ganzes. Vis-à-vis grüßt das immense triptychonartige Fotoensemble „Friday for Future“ von Bernhard Karsten herüber. Ein Weg führt durch bucklige kahle Bäume. Wird der Mensch es schaffen, die Klimakrise zu bewältigen, steht als Frage im Raum. Und drüben erinnert Ulla Schmitz per Acrylbild „Intensivstation“ daran, dass wir weiter mit dem Coronavirus leben müssen. Im Kabeldickicht sieht man vom todkranken Menschen nur noch eine schlaffe Hand.
Die Natur und ihre Gefährdungen
Damit setzt der Eingangsraum der diesjährigen „Schwarz-Weiß-Ausstellung“ schon einmal den Akkord. In einem Jahr, das abermals 365 Tage von der Pandemie geprägt war, ist die lokale Kunst zur Konzentration auf die Natur und ihre Gefährdungen, auf den vereinzelten Menschen sowie auf Vergänglichkeit und Tod geworden. Eigentlich sind keine der die Jahre zuvor immer aufleuchtenden ironischen Brechungen zu entdecken. Sieht man einmal von Cornelia Harss` Acryl-Bild „Schwarz-Weiß-Denker“ ab, das das gedankliche Leichtgewicht grimmig mit einer Klinge in der Hand agieren lässt. Die Zeiten sind ernst. Der Mensch zieht sich aufs Elementare zurück. Wobei klar ist, dass das aktuelle Kriegsgeschehen noch nicht Eingang in die schon länger vorbereitete Ausstellung hat finden können.
„Nach anfänglicher Ratlosigkeit finde ich es richtig und wichtig, trotz des brutalen Angriffs der Putin-Administration unsere 41. Ausstellung an diesem Aschermittwoch zu eröffnen und die ausgewählten Werke wie geplant zu zeigen“, sagte dazu Jurymitglied Jürgen Laue beim Pressetermin. Diese Ausstellung sei Teil der kulturellen Grundbedürfnisse für Godesberger und andere Kunstliebenden. „Ein Jahr Zwangspause ist genug. Dem Coronavirus mussten wir uns beugen. Kriegsverbrechern beugen wir uns aber nicht“, betonte der Vorsitzende des Godesberger Kunstvereins. Bezirksbürgermeister Christoph Jansen erklärte, von den 54 Bewerbern habe die Jury 31 ausgewählt, die insgesamt 51 Werke zeigen. Jeder habe bis zu drei aktuelle Arbeiten einreichen können, die nur in Schwarz und Weiß und den sich daraus ergebenden Grautönen zugelassen waren. „Hieraus entstanden ist erneut ein beeindruckender Querschnitt durch die Bad Godesberger Kunstszene“, so Jansen.
Winterstarre Baumgestalten
Farblich also in Sack und Asche beeindrucken schon einmal die Werke in den unterschiedlichsten Techniken, die sich auf das Naturerleben fokussieren. Kornelia Brinkmann-Rodens „Olivenbaum“ sieht wie durch den Klimawandel verbrannt aus. Aus Rose Kretzschmars winterstarren „Baumgestalten“ sprießen fast schon wieder die ersten Blätter. Lilo Brockmanns „Natur-Strukturen“ deklinieren Maserungen durch, Monika Rossas „Eis-Kunst“ die Musterungen gefrorenen Wassers und Herbert Spangs „Meeresschaum“ Ozeanvariationen. Rubert Noske vertieft sich in Nordsee-„Salzwiesen“, Holger Figge in am Weg sprießende knollige Weiden und Annegret Ikelle-Matiba im Detail auf den Wandel natürlicher Strukturen.
Die Pandemie spiegelt sich eindrucksvoll in Brigitte Schlombs Speckstein-Maske unter dem Titel „Must have 2020, 2021…“ und in Victoria Salmas Bild „In Memoriam“, auf dem sich das Portrait einer Verstorbenen immer mehr zu verflüchtigen scheint. Auch Cornelia Hartkopfs Linolschnitte „Tarot-le Diable“ zeigen die Ausgeliefertheit des Menschen, dessen Körper sich nur noch im freien Fall befindet. Ljiljana Nedoviv-Hesselmann geht das Thema per Fotodruck mit Textilapplikationen großflächig und in Triptychon-Form an: Zerschnitten ist das alte Hochzeitsfoto. Und zwischen den getrennten Eheleuten fallen zum Thema „In guten wie in schlechten Tagen“ weiße und schwarze Rosen hernieder.
Abschiedsbrief Bonhoeffers
Da bleibt für einige Künstler nur noch die Besinnung auf den Menschen. Picasso-ähnlich blickt auf Gitta Büschs „Nah und Fern“-Acrylbild eine Frau ins Weite, während auf ihrem Körper die Raster heutiger Online-Kartendienste schimmern. Alla Buryakova bannt den Einzelnen zum Titel „Das Trio in C-Dur“ mit ein paar Tuschestrichen im Tanz. Michael Taucherts großes Holzskulptur-Ensemble wagt immerhin wieder eine erste „Begegnung“. Gesichtslos verloren scheinen wiederum die Menschen in Maria Kontz` Collage „Drucksplitter“, einsam auf Michael Holsteins Fotografie „Lonely“. Dass aber auch angesichts des Todes Hoffnung keimen kann, zeigt Anja Eichens bildliche Variation des Abschiedsbriefs Klaus Bonhoeffers, der wie sein berühmter Bruder Dietrich 1945 von den Nazis ermordet wurde. Eichen zerlegt seine Zeilen unter der Handschrift. Und plötzlich leuchten Sätze wie „Schaut auf die gute Seite“ hervor.