Glockenspiel aus dem Stadtpark wird restauriert Das Bad Godesberger Carillon geht auf Reisen

Bad Godesberg · Seit 1981 erklingt das Carillon weit hörbar aus dem Bad Godesberger Stadtpark. Nach 40 Jahren wird das ungewöhnliche Instrument jetzt ausgiebig saniert. Dazu muss es aber auf Reisen gehen.

 Eine niederländische Spezialfirma hat den Glockenturm des Carillons für die Restaurierung abgebaut.

Eine niederländische Spezialfirma hat den Glockenturm des Carillons für die Restaurierung abgebaut.

Foto: Axel Vogel

In den kommenden Monaten wird ein lieb gewonnener Klangkörper vorübergehend verstummen. Seit 1981 steht das Carillon im Stadtpark und erfreut seitdem als ungewöhnliches Freilichtinstrument, jetzt nach über 40 Jahren ist das Glockenspiel allerdings dringend restaurierungsbedürftig.

Am Mittwoch haben Mitarbeiter einer Spezialfirma aus den Niederlanden die markante Stahlkonstruktion des rund vier Meter hohen Glockenturms abgebaut, ebenso die Klaviatur. Sie werden jetzt am Stammsitz des Traditionsunternehmens, der Glockengießerei Royal Eijsbouts, nahe Venlo fachgerecht restauriert.

Die ebenerdige Spielkabine als Teil dieser unter den derzeit rund 430 existierenden Carillons in Europa einzigartigen Konstruktion bleibt hingegen in Bonn. Die Stadtverwaltung kümmert sich in den nächsten Wochen in einer Ausschreibung darum, das verglaste Häuschen ebenfalls überholen zu lassen. Im Sommer 2023 soll das runderneuerte Carillon wieder erklingen.

Zum Abbau am Vormittag bei herbstlichem Sonnenschein hat sich eine kleine Riege von Carillon-Experten und -fans eingefunden. Einer von ihnen ist der Mann, der das ungewöhnliche Großinstrument zuletzt spielen durfte: „Wir haben uns mit einem kleinen Konzert am Montag vom Carillon vorübergehend verabschiedet“, sagt Georg Wagner.

Der Organist gibt bei der Gelegenheit auch einen dezenten Hinweis auf die richtige Aussprache: „Das Wort Papillon ist eine gute Referenz“, sagt er und meint das zum sanften „J“ veränderte Doppel-L. „Aber ich bin da nicht so. Wie man es spricht, das geht auch.“ Wagner erzählt auch von einer Besonderheit, durch die nach der Restaurierung quasi erstmals ein vollständiges Klangbild entsteht: „Es werden drei Bassglocken ergänzt, die seit Fertigung des Instruments fehlten.“

Erbauer des Carillon übernehmen auch die Restaurierung

Mit einem Kran und einem Transporter war ein vierköpfiges Team der niederländischen Firma angereist, um den Glockenturm vom Dach der Kabine zu heben und einzupacken. Tatsächlich hatte selbiges Unternehmen auch schon Ende der 1970er das Instrument gefertigt – ein Glücksfall, dass man jetzt wieder im Boot sei, sagt Wagner, der sich seit einigen Jahren regelmäßig an die Klaviatur im Stadtpark setzt. „Es gibt eigentlich nur zwei Glockenbau-Werkstätten in Europa, die infrage kommen. Bei Royal Eijsbouts liegen sogar noch sämtliche Konstruktionspläne, besser könnte es mit Blick auf die Restaurierung nicht laufen.“

Die Geschichte des Godesberger Carillons beginnt streng genommen in der Rheinaue. „Es wurde zur Bundesgartenschau 1979 auf dem dortigen Glockenhügel aufgestellt. Nach der Schau stand man vor der Herausforderung: Verschrotten oder anderswo erhalten“, skizziert Joachim Schäfer vom Verein Bürger.Bad.Godesberg die damalige Ausgangslage.

Ein Unterstützerkreis um den damaligen Ratsherrn und Bezirksvorsteher Norbert Hauser nahm sich dem Instrument an und erreichter die Aufstellung in Bad Godesberg – übrigens wieder auf einem kleinen Hügel. Die Bürger.Bad.Godesberg haben durch Spendengelder aus Patenschaften jetzt mitermöglicht, dass das altehrwürdige Klanggut erhalten bleibt.

Finazierung der Frischzellenkur durch drei geteilt

Rund 32.000 Euro der geschätzten 150.000 Euro für die Sanierung kommen vom Verein, das Land NRW steuert über das Heimat-Förderprogramm rund 102.000 Euro bei. Den Rest, der vor allem in die Erneuerung der Kabine fließt, steuert die Stadt Bonn bei. Für die Verwaltung ist Jan Stiller für die Frischzellenkur des Carillon verantwortlich. Sein persönlicher Erstkontakt mit einem solchen Glockenspiel entstammt einer erfolgreichen Filmkomödie: „Ich habe – wie so viele – ‚Willkommen bei den Sch´tis’ gesehen, da wusste ich in etwa, was mich erwartet“. Im Film spielt die Hauptfigur Antoine allerdings eine Kirchenversion, soll heißen: Klaviatur und Glockenspiel befinden sich in einem Turm.

„Das ist eine weitere Besonderheit unseres Carillons: Die Spielkabine ist ebenerdig“, sagt Organist Wagner. Das werde auch nach der Restaurierung so sein, für ihn und die beiden anderen ausgebildeten Carilloneure Ariane Toffel und Rolf Linden soll es eine weitere Annehmlichkeit geben: „Wir können aufrecht sitzen.“ Dafür wird die Glaskonstruktion der Kabine extra umgebaut, um nach mehr als 40 Jahren beim beengten Platz etwas Bequemlichkeit zu erreichen.

Mehr Reichweite mit mehr Glocken?

Stillers Aufgabe für die kommenden Wochen lautet: Eine regionale Metallbaufirma finden, die die Kabine samt Rundherum-Verglasung fachgerecht erneuert. „Im Idealfall“ seien die Arbeiten, die nun an zwei verschiedenen Orten stattfinden, nahezu zeitgleich im kommenden Jahr abgeschlossen. „Damit wir nicht allzu lange in Wehmut auf den nackten Hügel blicken müssen“, sagt Carillon-Experte Wagner mit einem Augenzwinkern.

Im Idealfall sei der Klang des ungewöhnlichen Instruments übrigens bis nach Muffendorf zu hören. „Mit den 23 Glocken kommt man gut den Berg hinauf. Bisher konnten wir ein Spektrum von zwei Oktaven erreichen. Mit den neuen Bassglocken erweitert sich die Klangbreite noch einmal deutlich“ – und womöglich auch die Reichweite in den Bad Godesberger Raum.

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