Statue vor der Redoute Das bewegte Leben einer Nymphe

BAD GODESBERG · Die zarte nackte junge Frau vor der Redoute blickt sinnend ins Weite. Kniend dreht sie sich zwar leicht dem Betrachter vom Kiesweg aus zu. Doch das schlanke sanfte Wesen mit dem Schleierrest am Bein scheint sich hier im Grünstreifen unbeobachtet zu fühlen. Sehr groß ist das Mädchen.

 Die Statue vor der Redoute.

Die Statue vor der Redoute.

Foto: Hagenberg-Miliu

Martin Ammermüller hat nachgemessen: "Es sind vom Knie bis zum Kopfende zwar nur 145 Zentimeter, rechnet man jedoch die 55 Zentimeter vom Knie bis zur Fußsohle hinzu, würde die Figur stehend eine Höhe von zwei Metern erreichen", schreibt der Vorsitzende des Heimat- und Geschichtsvereins in seinem neusten Beitrag fürs Heimatblatt 52, das im Februar 2015 erscheinen wird. Ammermüller hat sogar recherchiert, dass Bildhauer Georg Kolbe 1911 für diese seine "Nymphen"-Skulptur die damals 18-jährige Charlotte "Lotte" Kaprolat als Modell genutzt haben dürfte. Die hatte sein Malerfreund Max Pechstein auch in seinen damaligen expressionistischen Bildern auf die Leinwand gebracht - und dann geheiratet.

Doch halt: Warum blickt die nackte Schöne, die einst der Bankier Karl von der Heydt seinen Mitbürgern als Teil eines Godesberger Skulpturenparks schenkte, mit lädiertem Gesicht zur Redoute hin? Warum fehlt ihr die Nase? Und hat eigentlich ihr Kopf seit gut 100 Jahren immer auf dem Körper gesteckt? Zeigt sich am Hals doch eine unübersichtliche Trennlinie. Das Mädchen dürfte wohl eine bewegte Geschichte hinter sich haben.

Und hier beginnt die Detektivarbeit des Martin Ammermüller, die er in einem spannend geschriebenen und reich bebilderten ausführlichen Artikel vor dem Leser ausbreitet. Denn schon kurz nach der Aufstellung damals an der Rheinpromenade im Jahr 1912 verlebte unsere sanfte Schöne zwei Winter unter einem Holzverschlag. Sie hatte gerade einen Anschlag von Jungmännern abbekommen, die die Skulptur mit dicker Ölfarbe "bekleiden" wollten.

Seitdem standen Polizisten nachts Wache, sollten aber in den kalten Monaten nicht frieren: Da verschwand eben unsere Nymphe zeitweise unter Holz. Und warum der Zirkus? Mit dem Argument, man stelle Figuren mit nackten Brüsten nicht an einen öffentlichen Ort, sondern gefälligst ins Museum, hatte eine Front zumeist katholischer Godesberger gegen das Kunstwerk gewettert. "Die Figur trägt den Charakter der Laszivität an sich: Sie streckt den Unterkörper ostentativ vor, um zu zeigen, was sie will", schmähte man.

Woraufhin sich das Nymphlein erst recht zum deutschlandweiten Touristenmagneten und beliebtesten Godesberger Postkartenmotiv mauserte. Ammermüller setzt hier an, beschreibt unterhaltsam, aber unparteiisch die Winkelzüge des evangelischen Schenkers, das Kunstwerk doch am Platz zu halten, ebenso wie die Motivation der Nymphen-Feinde. Er schildert, wie Kolbes Kunstwerk dann doch noch die beiden Weltkriege und die Nazizeit unbehelligt in Godesberg überlebte.

Was bislang weniger bekannt war, ist der abenteuerliche Lebensweg der Nymphe nach 1948, als ihr der Kopf abgeschlagen, der Torso auf Lager genommen und dann für 300 DM verkauft wurde. Ammermüller geht akribisch jeder Spur nach, die die sanfte Zwei-Meter-Frau hinterließ: wie sie im Hausgarten des bekannten Kunstsammlers Josef Haubrich in Köln-Müngersdorf und nach dessen Tod bei seiner vierten Ehefrau, der bekannten Schauspielerin Lucy Millowitsch, landete.

Jahrelanger Streit um Verbleib der Statue

Im jahrelangen Streit um den Verbleib des Kopfes und den Wert der Statue lässt Ammermüller nun Fakten sprechen. Und schildert dann, wie das gute Stück 1988 schließlich mit finanzieller Hilfe der Sparkasse von der Stadt Bonn für 33 000 DM erworben und im Vorgarten der Redoute aufgestellt werden konnte.

"Godesberg hatte großes Glück, die Nymphe rechtzeitig wiedergefunden und günstig zurückgekauft zu haben. Sie könnte wohl heute auf dem Kunstmarkt einen Preis von etwa einer Million Euro erzielen", schreibt Ammermüller, der sich mit seinem Verein nun schon seit Jahren für den neuen Skulpturenpark in der Rathausmeile engagiert. Georg Kolbes Nackte bildet darin zweifellos einen der Glanzpunkte. "Eine gewisse Erotik wird man der Figur nicht ohne weiteres absprechen können", schreibt Ammermüller übrigens schmunzelnd. "Selbst nicht mit unseren veränderten Sehgewohnheiten."

Der Text "Das bewegte Leben der Godesberger Nymphe von Georg Kolbe" von Martin Ammermüller erscheint im Godesberger Heimatblatt 52, das im Februar 2015 erscheint.

Der Bildhauer

Georg Kolbe (1877-1947) gilt als erfolgreichster deutscher Bildhauer der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Als Hauptexponent der idealistischen Aktplastik prägte er seine Generation.

Um 1911/12, als er auch die Godesberger "Nymphe" schuf, fand Kolbe zu einer eigenständigen plastischen Formensprache.

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