Ständige Vertretung der DDR in Bonn Das Herzstück der Spionage

BAD GODESBERG · Mit der Wiedervereinigung und dem Ende der DDR hatte auch deren Ständige Vertretung in Bonn ihre Daseinsberechtigung verloren. Doch obwohl das 1974 errichtete Gebäude inzwischen längst von den Mitarbeitern der Deutschen Gesellschaft für Ernährung bevölkert wird - der grimmige "Charme" des Arbeiter- und Bauernstaates lässt sich noch heute erahnen.

 Nichts erinnert mehr an DDR-Diplomaten und Stasi-Agenten: Die gingen an der Godesberger Allee bis 1990 ein und aus. Heute ist die frühere Ständige Vertretung Sitz der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.

Nichts erinnert mehr an DDR-Diplomaten und Stasi-Agenten: Die gingen an der Godesberger Allee bis 1990 ein und aus. Heute ist die frühere Ständige Vertretung Sitz der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.

Foto: Ronald Friese

Zu den ersten, die das Gebäude nach dem Ende der DDR betraten, gehörten Elke und Mario Melzer. In der neuen Landesvertretung des Freistaates Sachsen, der sich das Haus fortan mit den Kollegen aus Mecklenburg-Vorpommern teilte, gehörten sie zu den Mitarbeitern der ersten Stunde. "Es sah so aus, als hätten es die Botschaftsangehörigen in aller Eile verlassen, auch wenn dafür ja eigentlich kein Grund bestand. Keiner hatte Schlüssel, es musste eine wüste Übergabe stattgefunden haben", erinnert sich Mario Melzer. "Mit Ausnahme von Großküche und Medizinraum", ergänzt seine Frau, "denn deren Bestände waren beachtlich".

Beachtlich sei auch das Überwachungssystem in allen Räumen, inklusive der Mitarbeiterwohnungen, gewesen: "Unter den Tapeten war alles verwanzt", so Mario Melzer. Wer in den Jahren darauf Gast im legendären "Radeberger Bierkeller", in der "Kajüte" der Mecklenburger oder bei den beliebten erzgebirgischen Weihnachtsmärkten war, kann jedoch beruhigt sein: Bei der Sanierung verschwanden auch die Abhörsysteme.

Für einiges Schmunzeln hatte die DDR-Führung im politischen Bonn insofern noch 1988 gesorgt, als sie das Gelände mit einem 1,40 Meter hohen Metallgitterzaun "einfrieden" wollte. "Vielleicht will man die häuslichen Verhältnisse auf den Boden der Bundeshauptstadt übertragen", spottete damals der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Heinrich Lummer.

Nahm sich die Frage nach der Einzäunung noch wie eine Provinzposse aus, so war das, was später über die Aktivitäten der DDR-Vertretung bekannt wurde, von anderer Qualität. So tauchte bei den Enthüllungen über die Mord- und Spionagepraktiken der DDR-Staatssicherheit immer wieder auch die Adresse an der Godesberger Allee auf.

Spionage bis zum Jahr der Wende

So gaben nach dem Zusammenbruch der DDR mehrere ehemalige Mitarbeiter an, dass die Mission bis zur Wende im Herbst 1989 eine Spionagezentrale gewesen sei - sogar in ungeklärte Todesfälle und Entführungsaktionen verstrickt, bei denen DDR-Flüchtlinge oder ehemalige Dissidenten in den Arbeiter- und Bauernstaat zurückgeholt wurden. Auch für derlei Aktionen liefen früheren Mitarbeitern zufolge die Drähte in Godesberg zusammen, ebenso wie die Mitschnitte der von der Stasi abgehörten Telefongespräche aus Bonner Ministerien.

Im Spätsommer 1990 war endgültig Schluss: Mit Horst Neubauer kehrten der letzte Ständige Vertreter sowie rund 70 Mitarbeiter und Angehörige in die DDR zurück, die noch zweieinhalb Monate Bestand hatte. Am 2. Oktober, Schlag Mitternacht, waren auch ihre insgesamt rund 1800 Diplomaten schlichtweg überflüssig. Übernommen wurden vom Auswärtigen Amt allenfalls Fahrer oder Pförtner.

Fortan nutzten vor allem in den Sitzungswochen des Bundestages Abgeordnete und Minister die von Staatssekretär Günter Ermisch geleitete Landesvertretung als Refugium. Im Jahr 2000, als die beiden Landesvertretungen dem Bundestag nach Berlin folgten, war auch damit Schluss.

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