"Lindentraum" in Rüngsdorf Das Leben ist ein Café

RÜNGSDORF · Halbe Sachen macht sie eigentlich nicht - bis auf den Halbmarathon, den sie früher oft gelaufen ist. Heute ist sie froh, wenn sie zwei- bis dreimal in der Woche zum Joggen kommt. Michaela Dissmann hat sich vor ziemlich genau zwei Jahren einen Herzenswunsch erfüllt: ein eigenes Café. Das Café Lindentraum in der Rüngsdorfer Straße. Seither ist ihr Leben durchgetaktet, denn der Laden brummt.

 Im Café Lindentraum: Michaela Dissmann schätzt die rheinische Lebensfreude und serviert hausgemachten Kuchen und Kaffee aus eigener Röstung.

Im Café Lindentraum: Michaela Dissmann schätzt die rheinische Lebensfreude und serviert hausgemachten Kuchen und Kaffee aus eigener Röstung.

Foto: Ronald Friese

Man hört es ja öfter mal, von Bekannten, von Freunden, von Fremden: "Ich würde gerne mal ein Café eröffnen." Na ja, denken dann vermutlich die meisten: Mach Du mal.

Auch Michaela Dissmann hat sich so ihre Gedanken gemacht - und sie hat sich vorher umgehört, bei Bekannten, bei Freunden, bei Fremden. "Die Männer haben mich gefragt: Was hast Du für ein Konzept? Und die Frauen haben sich einfach ein Café zum Wohlfühlen gewünscht", erzählt sie. So sind sie wohl, die Frauen, und die Männer.

"Es fehlte hier wirklich ein Café." Darauf besteht Dissmann. Vielleicht liegt es an dem anderen Blick einer "Zugezogenen." Erst mit 30 kam sie mit ihrem damaligen Mann und der kleinen Tochter von Saarbrücken nach Bad Godesberg. Die Sache mit dem Regierungs- und Diplomatenumzug hatte sich bis ins Saarland herumgesprochen.

"Wir dachten damals, dass hier viele Häuser frei werden", erzählt sie. Die Familie landete gleich einen Volltreffer, zog 1999 in ein hübsches Haus im Villenviertel und blieb. "Ich bin hier bis heute super happy", sagt Michaela Dissmann auf ihrer wunderbaren Terrasse mit noch wunderbarerem Blick auf die Godesburg.

"Man kann hier alles zu Fuß erreichen, an jeder Ecke gibt's ne Schule. Es ist wie ein großes städtisches Dorf", sagt sie voller Begeisterung, die man ihr sofort abnimmt. Und das hat nichts damit zu tun, dass sie aus Schloß Holte-Stukenbrock in Ostwestfalen kommt, einem 26 000-Einwohner-Städtchen im Kreis Gütersloh.

Textilien sind dort ein großes Thema. "Schon in der fünften Klasse habe ich meine erste Bluse genäht." Kein Wunder, dass die Jüngste von fünf Geschwistern später bei der berühmten Bielefelder Hemden-Firma Seidensticker eine Ausbildung als Schnitttechnikerin machte, später auf der "Kö" in der Boutique "Amica" Maßanfertigungen anbot und später noch ein Intermezzo in Hannover in Sachen Übergrößen hatte.

Schon ihre Eltern hatten eine Bekleidungsfirma. "Selbstständigkeit war bei uns zu Hause ein Dauerthema. Und das lehrt einen zum Beispiel auch Disziplin, egal ob du Lust hast oder nicht."

2009 begann sie im Restaurant "Friedrich", Rüngsdorfer Straße, zu arbeiten. Es war der Einstieg in die Gastronomie und später in eine neue Partnerschaft mit Inhaber Manni Delschen. Der hatte nach seiner Rückkehr aus Amerika 2002 die Eckkneipe seiner Eltern "Zum Kurfürst" übernommen und kurzerhand daraus ein schickes zeitgeistiges Restaurant gemacht.

Fürs Villenviertel damals eine kleine gastronomische Sensation. "Manni", wie ihn die meisten hier nennen, kommt aus einer durch und durch gastronomisch vorgebildeten Familie.

Die Eltern besaßen viele Jahre in Rüngsdorf das Hotel "Zur Krone", ehe sie Anfang der 1980er Jahre den "Kurfürst" an der Ecke Rüngsdorfer Straße/Friedrichallee eröffneten. Seinen Traum vom Glück verwirklichte er sich schließlich mit dem "Friedrich".

Heute leben der fröhliche Rheinländer und die pragmatisch zupackende Westfälin unter einem Dach in Delschens Elternhaus, ein Stück gelebtes NRW in Patchworkverhältnissen, er mit Sohn, sie mit beiden Töchtern.

Sie schätzt die rheinische Lebensart: "Ihr strahlt einfach Lebensfreude aus", meint sie. Das Kompliment gibt's gleich zurück: "Sie hat sich schnell in unsere Mentalität eingefunden, weil sie ein offenes und lockeres Wesen hat", meint Manni Delschen. Und die berüchtigte Sturheit der Ostwestfalen? "Hab ich", entgegnet sie, "vor allem, wenn ich was will." Siehe Café Lindentraum.

Als es um die sogenannte Nutzungsänderung zu einem Café ging, gab es viele bürokratische Hindernisse. Als man sie in der Stadtverwaltung um Daten und Fakten bat, "hatten die drei Tage später von mir alles auf dem Tisch. Damit hatten die wohl nicht gerechnet", erinnert sich Dissmann.

Ihr späteres Café, gleich gegenüber vom "Friedrich", hatte sie schon kennengelernt, als eine Freundin dort noch eine Kinderboutique betrieb. Das "Herzstück" ihres Cafés wurde eine alte Holztheke.

Die hatte Mannis Vater noch zu "Kurfürst"-Zeiten einem Gast abgeluchst, der Teile seines Deckels lieber in Handfestem begleichen wollte. Die schöne Theke landete irgendwann im Keller, genauer, in Mannis Partykeller. Ein weiterer Teil des Mobiliars kam von Flohmärkten aus Belgien.

Die Speisekarte: Originell, wie beispielsweise das Frühstück "Oma Anna", das ihrer Mutter gewidmet ist. Eine eigene Kaffeeröstung sorgt für weitere Individualität, ebenso der hausgemachte Kuchen. Neulich fand ein Kunde den Weg ins Café, der auf Mallorca davon gehört hatte. Das Leben ist eine Kneipe, pardon: ein Café.

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