Seniorenzentrum Bad Godesberg Demenztherapie mit Leih-Hühnern

Schweinheim · Das Seniorenzentrum Heinrich Kolfhaus hat für drei Wochen Leih-Hennen im Garten, zur Freude der Bewohner und als Demenztherapie. Bei Erfolg will man dauerhaft Hühner halten.

 Die Hühner nehmen ihre neues Zuhause auf Zeit in Besitz. Die Senioren begrüßen sie mit Eierlikör.

Die Hühner nehmen ihre neues Zuhause auf Zeit in Besitz. Die Senioren begrüßen sie mit Eierlikör.

Foto: Stefan Knopp

Karl Wolf erinnert sich an seine Kindheit: „Wir hatten ein Huhn, das ist uns zugelaufen. Wie haben es abends in der Werkstatt eingeschlossen und es hat jeden Tag gelegt.“ Das ist lange her, jetzt wohnt er im Seniorenzentrum Heinrich Kolfhaus an der Venner Straße und sieht wieder Hühner. Die sind zwar nicht zugelaufen, wurden aber am Montag geliefert und haben ein Übergangsheim im Garten rund um einen mit Rindenmulch gesäumten Baum. Passend begrüßten die Bewohner sie mit einem Schlückchen Eierlikör.

„Chicken on Tour“ heißt das Angebot, das die Einrichtung jetzt  für drei Wochen ausprobiert. Hoftiere hautnah: Kinder können zuschauen, wie Küken aus Eiern schlüpfen oder den Hennen nahe kommen und ihre Eier einsammeln. In Seniorenheimen haben Hühner vor allem für die demenzkranken Bewohner eine positive therapeutische Bedeutung. „Diese Menschen können auf ihr Langzeitgedächtnis zurückgreifen“, erklärt Uta Granderath vom Sozialen Dienst der Einrichtung. „Dann kommen viele Geschichten und Anekdoten, die denen wieder einfallen.“ Etwa über eine Kindheit auf dem Bauernhof mit Eltern und Großeltern oder von Hausschlachtungen während des Krieges.

Die Tiere sind die Nähe von Menschen gewöhnt und lassen sich anfassen. Auch das ist Teil der Therapie. Das Wichtigste, sagt Granderath, sei aber der Entspannungsfaktor. „Demenzkranke sind im Dauerstress: Sie erhalten täglich tausend Eindrücke, die sie nicht verarbeiten können.“ Bei dieser Reizüberflutung seien die Hennen ein beruhigendes Gegengewicht. Sie sind selten laut und bewegen sich, wenn sie nicht gestört werden, unermüdlich durch das Gehege, scharren hier im Rindenmulch, picken da, glucken vor sich hin, es hat in seiner Gleichmäßigkeit etwas Meditatives.

Die Bewohner können die Hühner auch füttern. Spezielle Hühnerleckerlis, geraspelte Möhrenschalen, aufgeweichtes Brot, vieles ist möglich, solange das Essen nicht verdorben ist. Überrascht stellt Granderath fest: „Sie mögen Wassermelone.“ Darüber hinaus wolle man nach Möglichkeit einige Bewohner in die Pflege einbinden, so Granderath: Streu auswechseln, Eier sammeln und dergleichen. Die Eier dürften leider nicht im Haus verarbeitet werden, wegen einer möglichen Salmonellengefahr, erklärt sie. Stattdessen könnten Mitarbeiter sie gelegentlich mit nach Hause nehmen.

Karl Wolf findet die Idee mit den Hühnern gut. „Nur warum muss man sie einzäunen?“ Der Garten ist zwar groß, aber dennoch könnten die Vögel auf die angrenzende Straße gelangen und überfahren werden. Zudem wäre es schwer, sie im Blick zu behalten. Und das wichtigste Argument: In der Gegend treibt sich ein Marderpärchen herum, sagt Granderath. Dem soll keine Gelegenheit gegeben werden, eins der Hühner zu reißen oder nachts in den kleinen Stall einzudringen. Dorthin gehen die Hühner eigenständig, sobald es dunkel wird, die Türe schließt automatisch und öffnet sich morgens wieder.

„Ich bin ganz begeistert“, sagt Bewohnerin Leonore Schmitz, Jahrgang 1933. „Ich habe mir das gar nicht so richtig vorstellen können mit den Leih-Hühnern.“ Es wecke auch Erinnerungen an die Nachkriegszeit, als die Eltern Hühner und Kaninchen im Stall hielten. Auch Renate Vollmary erzählt von den Hühnern, die ihre Großeltern hatten. „Ich finde sie besonders schön gepflegt“, meint die 79-Jährige. „Es wäre ein Traum, wenn alle Hühner so leben könnten.“

Wenn es gut läuft, überlege man, dauerhaft Hühner im Garten zu haben, so Granderath. „Chicken on tour“ bietet das bislang noch nicht an. „Aber da wollen wir hin“, erklärt Tjomme Feige auf Nachfrage. Das erfordere aber noch einmal andere Genehmigungen als die Vermietung.

Die Leih-Hühner haben in den zwei Jahren, seit es das Angebot gibt, voll eingeschlagen. Anfangs habe man hauptsächlich an Einrichtungen vermietet, so Feige, später – vor allem in der Corona-Pandemie – zunehmend an Privatpersonen. Die wollten das Halten von Hühnern meistens erstmal ausprobieren, und dafür sind die Hennen auf Zeit ideal. „So kann man den Leuten die Möglichkeit geben, sich mit der Tierhaltung zu beschäftigen, ohne dass sie gleich die Verantwortung haben.“

Oft entstehe schnell eine Bindung zu den Tieren, die jedoch irgendwann wieder weg sind. Das sei die Schattenseite, sagt Feige: „Liefern tun wir gerne, abholen nicht.“ Besonders in Kindergärten liefen dann die Tränen. Die Anweisung, dass die Eier zum Schutz vor Salmonellen nicht gegessen werden sollen, kommt im Übrigen nicht von „Chicken on Tour“ – das Unternehmen wirbt sogar mit dem Frühstücksei aus dem eigenen Hühnerstall. Das würden die Einrichtungen individuell entscheiden, erläutert Feige.

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