Hotels im Villenviertel Die guten Stuben Bad Godesbergs erleben Licht und Schatten

Bad Godesberg · Im Godesberger Villenviertel haben sich Hotels den Charme vergangener Zeiten bewahrt. Dass dies sowohl Charakter-Merkmal als auch Problem sein kann, beobachten die Betreiber spätestens seit der Corona-Pandemie. Einige reagieren mit Investitionen oder stellen den Betrieb um, andere müssen dem Abschied entgegen blicken.

 Das Hotel Kronprinzen in der Rheinallee stellt den Betrieb aktuell auf ein „Boarding House“ mit monatsweiser Vermietung um.

Das Hotel Kronprinzen in der Rheinallee stellt den Betrieb aktuell auf ein „Boarding House“ mit monatsweiser Vermietung um.

Foto: Alexander Barth

Wer das Villenviertel im Schlaf erleben will, muss keinen längerfristigen Miet- oder gar Kaufvertrag abschließen. Übernachten unter hohen Stuckdecken im – bestenfalls – architektonisch wertvollen Ambiente ist nach wie vor an etlichen Stellen auch als Kurzzeiterlebnis möglich.

Inhabergeführte Hotels gehören nach wie vor zu Bad Godesbergs guter Stube, wenn auch in jüngerer Vergangenheit einige alteingesessene Betriebe die Segel gestrichen haben. Die, die noch da sind, arrangieren sich unter anderem mit den Umständen von Online-Zeitgeist und Corona-Nachwirkungen oder haben den Herbergsbetrieb auf längerfristige Verhältnisse umgestellt. Anderswo stehen die Zeichen langsam auf Abschied, während an einem früheren Schauplatz Stillstand herrscht.

Oliver Meyer hat in den vergangenen 37 Jahren den kompletten Wandel einer Branche erlebt, wie er sagt. Einer Branche, der er beruflich eigentlich überhaupt nicht nahestand. „Ich war Architekt“, sagt der heute 64-Jährige, der seit 1985 gemeinsam mit seiner Frau das Hotel Kronprinzen führt. Sie, aus einer aus den Niederlanden stammenden Hotelier-Familie, habe ihn „da mit reingezogen“, es folgt ein Augenzwinkern.

Hotelier erinnert sich an hohe Gewinnmargen

Das Abenteuer begann für die beiden damaligen Mittzwanziger mit jeder Menge Verantwortung – und zu einer Zeit, „in der die Gewinnmargen in der Branche noch hervorragend waren“. Herzblut sei von Anfang an dabei gewesen, und ist es bis heute. „Streng genommen sind wir aber kein Hotel mehr. Wir haben alle Zimmer zu sogenannten Boarding-House-Apartments umgerüstet.“

 Am Empfang des Hotel Rheinland ist viel von der Tradition des Hauses ablesbar. Allerdings droht der Abriss.

Am Empfang des Hotel Rheinland ist viel von der Tradition des Hauses ablesbar. Allerdings droht der Abriss.

Foto: Alexander Barth

Soll heißen: Unter dem Einfluss der Corona-Pandemie entstanden kleine Wohnungen, in denen sich jetzt Gäste für mehrere Monate einmieten. „Frühstück machen wir hier nicht mehr, das bereiten sich die Leute auf dem Zimmer“, erklärt Weyer eine von vielen Änderungen der jüngeren Vergangenheit.

Noch hat sich das alte Hotel, in dem in den vergangenen Jahrzehnten Politik-Größen, Diplomaten, UN-Honoratioren oder Wirtschaftsvertreter residierten, den Charme vergangener Zeiten bewahrt. Eine herrlich altmodische Rezeption, Postkartenständer, abgegriffene Lektüre zur Ausleihe, alles noch da. „Das bleibt auch so, trotz der Veränderung. Gegenüber im Hotel Haus Berlin können Sie noch immer Zimmer buchen, so wie es immer war“, sagt der Chef, der heute eher Hausmeister als Hotelier ist.

Die Kundschaft der Hoteliers hat sich gewandelt

 Das Hotel Flora in der Viktoriastraße hat 2018 die Segel gestrichen, der Umbau des Hauses ist aktuell ins Stocken geraten.

Das Hotel Flora in der Viktoriastraße hat 2018 die Segel gestrichen, der Umbau des Hauses ist aktuell ins Stocken geraten.

Foto: Alexander Barth

Das Klientel vergangener Jahre spiegelt sich auch in den Erzählungen von Isabell Wernicke-Busch. Seit 15 Jahren arbeitet sie als Rezeptionistin im Hotel Rheinland in der Rheinallee. Wie Weyer berichtet sie von einer veränderten Hotel-Realität mit dem Ausbleiben von Business-Kundschaft und der vermehrten Nachfrage von anspruchsvollen Urlaubsreisenden.

„Da liegt das Problem. Über uns schwebt seit Jahren das Damokles-Schwert eines möglichen Abrisses. Eine Modernisierung wäre dringend nötig.“ Die ist aber nicht in Sicht, weil die Eigentümerfamilie das Gebäude als nicht mehr zeitgemäß für einen Hotelbetrieb ansieht und deshalb mehr als laut über eine Niederlegung nachdenkt.

Auch das Hotel Rheinland lebt vom Charme der Vergangenheit, der sich im Interieur ebenso wie in der persönlichen Betreuung ausdrückt, ist die Empfangschefin überzeugt. „Die Leute kommen, weil sie hier direkte Ansprache erfahren, Fragen stellen oder einfach einen Sonderwunsch zum Frühstück äußern können. „Das finden Sie bei den Ketten eher nicht“, wirft ein älterer Herr ein, der sich als Stammgast vorstellt. „Mir ist es egal, ob die Ausstattung älter ist, solange ich nett behandelt werde.“

Etliche Hotels haben geschlossen

 Mit der Villa Godesberg hat Olaf Dreesen den wohl modernsten Hotelbetrieb in einem historischen Ambiente im Villenviertel am Markt.

Mit der Villa Godesberg hat Olaf Dreesen den wohl modernsten Hotelbetrieb in einem historischen Ambiente im Villenviertel am Markt.

Foto: Alexander Barth

In den vergangenen Jahren sind etliche Traditionsbetriebe aus dem Villenviertel verschwunden. Als letztes schloss das Hotel Flora in der Viktoriastraße vor rund vier Jahren. Wie es mit dem Haus weitergeht, ist unklar. Die ehemaligen Eigentümer sollen verkauft haben, Bau- und Sanierungstätigkeit ist erkennbar, „aber seit Monaten ist nichts passiert“, sagt eine Nachbarin auf Nachfrage.

Die Schließung sei seinerzeit für sie nicht überraschend gewesen: „Das war alles reichlich angestaubt. Ich habe mal meine Eltern dort untergebracht und mich beinahe geschämt. Entweder sanieren oder dichtmachen, hat man sich wohl dort auch gesagt.“ Eine Wiedereröffnung als Hotel ist mehr als unwahrscheinlich.

Machten Geschäftsreisende in der Vergangenheit einen wesentlichen Teil der Kundschaft aus, haben die kleinen Hotels mittlerweile längst Städtereisende im Blick.

„Wir bedienen eine Nische“, erklärt Olaf Dreesen, der seit Ende 2018 die Villa Godesberg betreibt. „Die Ansprüche machen es nötig, dass wir einen modernen Standard in historischem Ambiente bieten.“ In dem aus zwei herrschaftlichen Häusern bestehenden Ensemble hat er sich in jüngerer Vergangenheit daran gemacht, „mit entsprechenden Investitionen, versteht sich.“

Inhaber haben modernisiert, um zu bestehen

Gut zwei Kilometer vom Villenviertel entfernt, im Hotel Sebastianushof, in zweiter Generation vom Geschwisterpaar Birgit Heinrichs und Silke Enders geführt, ist Jörg Enders mitverantwortlich für die Veränderungen der jüngeren Vergangenheit. „Wir haben in der Corona-Hoch-Zeit nichts verdient, wie alle anderen auch. Dann haben wir die Flucht nach vorn gewählt, viel renoviert, um up to date und nahe am Bedarf zu sein.“

Die Lage für die Godesberger Mitbewerber im Villenviertel beobachtet Enders mit nüchternem Blick. „Diejenigen, die in der jüngeren Vergangenheit dichtgemacht haben, waren in vielerlei Hinsicht von gestern. Wer nicht mit der Zeit gehen kann oder will, dürfte es schwer haben.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort