"Holzwurm und Blattlaus" Die letzten Schätze werden geborgen

Bonn/Bad Godesberg · Das Siemenshaus steht vor dem Abriss. Kunsthandwerker sichert sich schmucke Materialien zur Weiterverarbeitung

Das Eichenparkett in dem großen Eckbüro mit Blick auf die Münsterstraße ist herausgerissen, im Büro nebenan gibt es kein Durchkommen, weil sich dort meterhoch zertrümmerte Sperrholzmöbel stapeln. Dort, wo bis vor kurzem noch Mitarbeiter des Jugendamtes, die Gleichstellungsbeauftragte und der Personalrat der Stadt arbeiteten, machen sich zurzeit die Abbrucharbeiter zu schaffen.

Die Tage des Siemenshauses am Mülheimer Platz, direkt neben der Zentralbibliothek, sind gezählt. Das Gebäude, das in der 1950er Jahren gebaut wurde, aber nicht unter Denkmalschutz steht, wird in den nächsten Wochen abgerissen. Es muss dem neuen "Haus der Bildung" weichen, in dem die Zentralbibliothek und die Volkshochschule einziehen werden.

Von außen durchaus immer noch ansehnlich - vor allem der Ecktrakt mit seinem Arkadengang strahlte italienisches Flair aus - ist im Gebäude selbst nichts mehr, wie es mal war. Am Montag nutzte Klaus Thull die letzte Gelegenheit, verwertbares Material auszubauen. Der Kunsthandwerker ist häufig zur Stelle, wenn bekannte historische Gebäude abgerissen werden. "Ich habe schon Material aus der alten Münsterschule, aus dem ehemaligen Bonner Gefängnis, der bekannten Bonner Drogerie Segschneider und dem Rheinuferbahnhof gesichert.

" In seiner Werkstatt "Holzwurm und Blattlaus" sammelt er, was ihm verwertbar beziehungsweise verkäuflich erscheint. Im Siemenshaus sicherte sich Thull jetzt beispielsweise die kniehohen Fenstergitter aus Eisen und Messing. "Die kann man sich als langes Gitter zusammensetzen oder auch ein Tischuntergestell draus machen", schwärmt er. Auch ein altes Ausgussbecken und ein Treppenhandlauf aus Messing haben es ihm angetan.

In Absprache mit dem Abrissunternehmer baut er sie aus. "Entweder nutzen meine Kunden diese Dinge in ihrer jetzigen Form oder ich mache im Auftrag etwas Neues daraus", so Thull. Auf ein paar hohe Fenster mit Eisenrahmen im Treppenhaus hat er ebenfalls ein Auge geworfen - und auf einen alten Feuerwehrschlauch, "aus dem eine Kollegin Handtaschen herstellt".

Ansonsten finden die Arbeiter des Abbruchunternehmens Bernd Hagen so gut wie nichts, was sie verwerten können. "Im Großen und Ganzen landet das Abbruchmaterial auf der Deponie beziehungsweise wird der Bauschutt recycelt", sagt Hagen. Sein Unternehmen wird in den nächsten Wochen Etage für Etage abreißen - bis zur Straßenebene.

Der Abbruch beginnt laut Stadtverwaltung nächste Woche. Er soll nach dem Zeitplan des städtischen Gebäudemanagements Ende September abgeschlossen sein. "Die Kosten für den Abriss inklusive Nebenkosten belaufen sich auf zirka 200 000 Euro", teilte Monika Frömbgen vom Presseamt mit. Für den Abriss des Siemenshauses muss ein Teil des Mülheimer Platzes abgesperrt werden. Die Ausfahrt aus der Tiefgarage bleibt geöffnet.

In der Münsterstraße kann es zu Verkehrsbeeinträchtigungen kommen, für Fußgänger wird am Siemenshaus entlang ein Tunnelgang errichtet. "Während der gesamten Aktion lassen sich Lärm, Staub und geringfügige Vibrationen nicht ganz vermeiden", so Frömbgen. Damit die Kinder in der benachbarten Kita nicht gefährdet werden, seien die Abbrucharbeiten so konzipiert, dass die obersten Geschosse während der Ferien der Kita abgetragen werden.