Die Kleider meiner Mutter Ehemalige Cusanus-Schülerin startet Corona-Kunstprojekt
Bad Godesberg/Florida · Susanne Nielsen hat als Diplomatenkind 1976 am Plittersdorfer Nicolaus-Cusanus-Gymnasium Abitur gemacht. Als ihre Eltern Bonn verlassen mussten, blieb sie noch zum Studium. Von Florida aus hat sie jetzt mit ihrer 91-jährigen Mutter in Deutschland ein ungewöhnliches Kunstprojekt umgesetzt.
Vor 38 Jahren hat Susanne Nielsen Bad Godesberg Richtung Amerika verlassen, losgelassen hat sie der Stadtbezirk jedoch nie. Als Diplomatenkind besuchte sie wie so viele damals das Nicolaus-Cusanus-Gymnasium in Plittersdorf und hat über die Jahre viele ihrer 100 Mitabiturienten von 1967 ausfindig gemacht (der GA berichtete). Die 63-jährige Deutsch-Amerikanerin ist auch Mitglied in Godesberger Facebook-Gruppen und postete hier neulich ein Kunstwerk. Genau genommen zwölf Kunstwerke in einem. Die Besonderheit: Auf jedem ist ihre Mutter in selbst genähter Robe zu sehen.
„Das war unser Corona-Projekt“, sagt Nielsen bei einem Telefonat. Die ausdrucksstarke Frau auf den Bildern ist inzwischen 91 und lebt in Deutschland. In den letzten zwölf Monaten blieben nur Videotelefonate über Whatsapp nach Florida. Täglich zwei Stunden. „Wir haben angefangen, über ihre Kleidung zu sprechen“, sagt ihre Tochter, die Hochschullehrerin für Kunst ist. Ihr Vater Otto Schmidt hatte für das Auswärtige Amt als Ökonom gearbeitet. „Meiner Mutter blieb nur die Rolle als Repräsentantin“, sagt ihre Tochter ein wenig wehmütig.
Die Mutter wäre gerne Modedesignerin geworden
Denn die Leidenschaft von Anneliese Schmidt war stets das Nähen, gerne wäre sie ins Modegeschäft eingestiegen. „Da sie sich zunächst um ihre kranke Mutter kümmern musste, hatte sie Apothekenhelferin gelernt“, erzählt Nielsen. Ihr Nebenjob bei einer Fotografin hielt sie mit einem Fuß in der Welt der feinen Stoffe. Nach der Heirat mit dem Diplomaten Schmidt fiel Nielsens Mutter jedoch die Rolle der Gesellschafterin zu. „Es galt, bis zu 50 Gäste im Monat zu empfangen und Essen auszurichten“, so die Tochter.
Die Mutter habe natürlich glänzen wollen, ein extra Budget für die Aufgaben indes habe es vom Arbeitgeber des Mannes nicht gegeben. „So hat sich meine Mutter nachts an die Nähmaschine gesetzt und ihre Kleidung selbst genäht.“ Anfangs aus Möbelstoffen und auch alten Seidenkleidern von Nielsens Oma. 1967 war der Vater zurück in die Zentrale nach Bonn beordert worden. Die Familie, in San Francisco hatte Nielsen einen Bruder bekommen, wohnte in der Gotenstraße 144, direkt gegenüber der Schule. „Das war einerseits praktisch, andererseits wäre ich gerne Buskind gewesen“, bedauert die 63-Jährige noch heute.
Alle Barbies erhielten selbst genähte Kleider
Die Empfänge dauerten an, mittlerweile schneiderte die Mutter auch für die Tochter – und sämtliche Barbies. „Die habe ich immer noch“, erzählt Nielsen stolz. In den Telefonaten entstand die Idee, die schönsten Kleider – samt der Mutter – auf Leinwand zu würdigen. „Kein leichtes Unterfangen, denn von vielen existieren nur Fotos in Schwarz-Weiß.“ Gemeinsam näherte man sich an, und anschließend griff Nielsen zum Pinsel. Entstanden ist jeden Monat ein Porträt auf ungestreckter Leinwand in Acryltechnik, jedes zwei Meter mal 0,60 Meter groß. Warum nicht gerahmt? „Meine Kunst soll ausstellbar sein, ich will sie unter den Arm nehmen können“, meint die studierte Kunstwissenschaftlerin.
Den Grundstein zu ihrer universitären Laufbahn legte sie in Bonn, wo sie Anglistik, Kunstgeschichte und Erziehungswissenschaften studiert hatte. Denn nachdem ihre Eltern 1975 weiterzogen, war sie geblieben. 1983 ging sie mit ihrem Mann, einem amerikanischen Jagdflieger, in die USA. Jetzt, wo die Corona-Bilder bis auf Kleinigkeiten fertig sind, plant sie, die Kleider noch nachzunähen. „Das alles ist meine Würdigung meiner Mutter, aber auch der Schaffenskraft aller anderen Nachkriegsfrauen.“ Wenn alles gut läuft, will sie mit ihrer Kunst im August in den Flieger Richtung Deutschland steigen. Bad Godesberg soll dann wie immer ein fester Anlaufpunkt der Reise sein.
Susanne Nielsen betreibt auch einen Blog, wo sie über ihr Leben als Hochschullehrerin, Künstlerin und Journalistin berichtet: http://susannenielsenarts.blogspot.com.