Stellen, an denen früher Bäume standen Ein Kataster für die Baumlücken

Bad Godesberg · Andreas Theves setzt sich stark für die Natur in Bad Godesberg und darüber hinaus ein. Jetzt möchte er auflisten, wo es an Straßen Fällungen gab, aber nichts nachgepflanzt wurde.

 Andreas Theves zeigt an der Rheinallee zwei Stellen, an denen Bäume fehlen.

Andreas Theves zeigt an der Rheinallee zwei Stellen, an denen Bäume fehlen.

Foto: Axel Vogel

Andreas Theves ist ein streitbarer Mensch. Aber es geht ihm weniger um seine Belange als um die der Natur. So hat der GA schon mehrfach über ihn berichtet, weil der 58-Jährige im vergangenen Jahr die Aktion Baumwächter gegründet hat. Auslöser waren die Bäume im Park Carstanjen, direkt in seiner Nachbarschaft. Mit Anwohnern spendete er ihnen Wasser und setzt sich seitdem für den Erhalt gerade der älteren Exemplare ein.

Nun schwebt ihm Neues vor. Mit anderen Freiwilligen möchte er ein Baumlückenkataster aufstellen. Die Vorgehensweise der Stadtverwaltung an Straßen sei immer gleich. „Erst fällt ein Baum, dann wird Schotter eingebracht, dann gibt es einen wunderbaren neuen Parkplatz, über den sich die Autofahrer freuen“, so der gelernte Landschaftsgärtner. Die Zahl der jährlich gepflanzten Bäume reiche weder in Bad Godesberg noch im gesamten Stadtgebiet aus, „um den anhaltenden Baumschwund wirkungsvoll aufzuhalten“.

Jede Baumlücke soll fotografisch erfasst, datiert und katalogisiert werden

Deshalb möchte Theves in privater Initiative ein sogenanntes Baumlückenkataster anfertigen. „Wir erfassen die Baumlücken Straßenzug für Straßenzug fotografisch, datieren und katalogisieren sie. Ein aufwändiges Verfahren, das viel ehrenamtliche Zeit in Anspruch nimmt“, erzählt der Mann, der mittlerweile als fachlicher Integrationsassistent am Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium arbeitet. Wenn er von „wir“ spricht, können das unterschiedliche „wir“ sein. Das Kernteam der Aktion Baumwächter besteht nach seinen Angaben aus zwölf Aktiven. Deutlich größer sind die Gruppen, die sich gewissermaßen als Untergruppen der Plattform nebenan.de gegründet haben. „Da haben wir so um die 100 Mitglieder“, sagt der Plittersdorfer.

Stellen, an denen früher Bäume standen: Ein Kataster für die Baumlücken
Foto: GA Grafik

Losgelegt hat er ob des straffen Pensums erst mal in Godesberg. „Wir würden uns über weitere Mitstreiter freuen, die uns Fotos von Baumlücken schicken mit Angabe der Straße“, sagt der selbst ernannte Baumwächter. Auffällig sei zum Beispiel die Rheinallee, auf der viele Bäume fehlten. „Und auf der Mühlenstraße standen viele Birken, und auf einen Schlag sind fünf bis sechs verschwunden“, sagt Theves. Andere wie beispielsweise die Hohenzollernstraße seien relativ unangetastet.

1053 neue Bäume sind für ein ökologisches Gleichgewicht nötig

Was ihn zudem sorgt, sind die Bäume, die aufgrund von Bauplanungen gefällt werden sollen. Er kommt auf rund 351 Exemplare für den Stadtbezirk. „Bilanziert man die Zahlen, wird deutlich, wie groß der Baumverlust ist und wie schwierig es sein wird, diesen wieder auszugleichen, vor allem unter mikroklimatischen Gesichtspunkten“, meint der Aktivist. Immerhin habe die Stadt Bonn vor genau zwei Jahren den Klimanotstand ausgerufen. „Ein ausgewachsener Stadtbaum hat eine Verdunstungs- und Kühlleistung von etwa 500 bis 1000 Litern Wasser an einem einzigen heißen Sommertag“, rechnet er vor. Um diese Leistung durch Ersatzpflanzungen von Jungbäumen nur annähernd auszugleichen, benötige man viel mehr Bäume als allgemein angenommen.

Bei einem Verhältnis von nur 3:1 (also drei Jungbäume für einen Altbaum) müssten 1053 Bäume neu gepflanzt werden, um das ökologische Gleichgewicht wieder herzustellen, meint er. Dazu müssten die Ausgleichspflanzungen jeweils standortnah erfolgen, das heißt im Umkreis von maximal 1500 Metern. „Das Dilemma: Die erforderlichen Flächen dafür sind häufig nicht vorhanden.“ Die dazugehörige Frage, wie dieses Problem zukünftig seriös gelöst werden könne, bleibe von offizieller Seite bis heute weitgehend unbeantwortet.

Gültige Bonner Baumschutzsatzung ust mehr als 20 Jahre alt

Etwaige Ausgleichszahlungen und standortferne Nachpflanzungen zum Beispiel auf der anderen Rheinseite würden dem unmittelbaren Mikroklima vor der Haustüre jedenfalls nicht helfen. Und: Die vielen Bäume, die wegen der mangelnden Verkehrssicherheit gefällt werden müssten und deswegen laut der gültigen, mehr als 20 Jahre alten Bonner Baumschutzsatzung nicht zwingend nachgepflanzt werden müssten, seien in seinem Zahlenwerk noch gar nicht erfasst.

Der GA hat bei der Stadt nachgefragt, wie dort das Verhältnis von Fällungen zu Nachpflanzungen gesehen wird. Das Ergebnis  fasst Stefanie Schulte vom Presseamt so zusammen: „In 2019 und 2020 haben wir in Bad Godesberg 61 Bäume mehr gepflanzt als gefällt.“ In ganz Bonn mussten in den vergangenen zwei Jahren an Straßen (sogenanntes Verkehrsgrün) 759 Bäume weichen, 882 wurden neu gesetzt.

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