Schließung des Bürgeramtes in Bad Godesberg "Ein Schlag ins Kontor"

BAD GODESBERG · Die akute Bedrohung zentraler Bad Godesberger Institutionen wie dem Kurfürstenbad oder den Kammerspielen bleibt Stadtgespräch unter Bürgern und wird der Kommunalpolitik in nächster Zeit wohl noch manche emotionale Debatte abringen.

Wie berichtet, will die Stadtverwaltung jetzt auch die Leistungen des Bürgeramtes aus Bad Godesberg abziehen. Wer beispielsweise in Mehlem wohnt, müsste für Behördengänge künftig 14 Kilometer bis ins Stadthaus in Kauf nehmen. Seitdem das bekannt wurde, schlagen die Wellen hoch.

Die Stadtverwaltung will ihr Angebot im Rahmen eines "Dienstleistungstages" in Bad Godesberg belassen. Das bedeutet: An einem bestimmten Tag der Woche stehen Mitarbeiter der Verwaltung den Bürgern in Bad Godesberg für Ausweisangelegenheiten und ähnliche Belange zur Verfügung. Den Rest der Woche ist die Fahrt nach Bonn nötig. Die Verwaltung hält eine solche Regelung für zumutbar, zumal diese Art von Behördengängen recht selten erforderlich ist.

Dies unterstrich Marc Hoffmann vom Presseamt der Stadt gestern noch einmal ausdrücklich und verwies bei der Gelegenheit darauf, dass die Kommunalpolitik von dem Vorhaben im Unterausschuss Organisation und Personal unterrichtet worden ist. Einige Politiker hatten moniert, von den Plänen völlig überrascht worden zu sein.

Godesberger Bürger wie Pia und Karl Paschke würde die Veränderung treffen. Sie waren gestern in das Bürgeramt gekommen, um ihre Reisepässe abzuholen. "Dafür nach Bonn zu fahren, wäre eine Zumutung", sagt Pia Paschke. "Der Service hier im Amt wurde ja schon abgespeckt und man kann nicht mehr alles erledigen. Was noch da ist, sollte erhalten werden", bekräftigt Karl Paschke. Aber die beiden Senioren zeigen auch Verständnis: "Irgendwo muss die hoch verschuldete Stadt ja sparen." Für Alexa Kranhold, die erst seit drei Tagen in Godesberg lebt und sich gestern im Bürgeramt anmeldete, wäre es kein Problem, auch nach Bonn zu fahren. "Ich bin grade aus Bochum hergezogen und da waren die Wege noch viel weiter", sagt Kranhold. Seitens der Bad Godesberger Politiker sind die ersten Reaktionen vielstimmig.

Einen Dringlichkeitsantrag hat beispielsweise bereits der Bürger Bund Bonn (BBB) auf den Weg gebracht. Dieser steht nun für den 28. Januar auf der Tagesordnung der Bezirksvertretung. Sein Inhalt: Die Politik möge die Schließung des Bürgeramtes ablehnen und den OB auffordern, im Rathaus Bad Godesberg "über das bisherige Maß hinaus bürgernahe Dienstleistungen anzubieten". BBB-Ratsmitglied Marcel Schmitt: "Wir wollen nicht, dass Godesberg schrittweise abgewickelt wird und lehnen das Vorhaben entschieden ab. Was wir brauchen, sind dezentrale Angebote." Einen Dringlichkeitsantrag bereitet dem Vernehmen nach auch die CDU Hardtberg vor.

Die CDU kritisiert weiterhin den Entscheidungsweg: "Ich bin fassungslos, dass eine so schwerwiegende Entscheidung ohne Beteiligung der Bezirksvertretungen getroffen werden soll", sagt Fraktionschef Philipp Lerch. Die Organisationsverfügung des Oberbürgermeisters schaffe Fakten, missachte die politischen Gremien und umgehe ganz bewusst die gerade hier besonders notwendige Bürgerbeteiligung. Und CDU-Bezirksvorsitzender Benedikt Hauser ergänzt: "Ein weitgehender Abzug der Bürgerdienste aus Bad Godesberg widerspräche nicht nur dem Anspruch einer bürgernahen Verwaltung, sondern auch allen bisherigen Überlegungen zur Zukunft der Rathauszeile". Und deren Sanierung ist als Ziel in der Tat erst jüngst im Koalitionsvertrag des "Jamaika"-Bündnisses im Rat als Ziel festgeschrieben worden.

Nach Ansicht der SPD sind "viele Bürger dazu bereit, Einsparungen bei den Bürgerservice-Angeboten mitzutragen, und stehen einer Umstrukturierung positiv gegenüber. Sie empfinden sie also nicht grundsätzlich als inakzeptable Einschränkung", so heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung der Bezirksfraktionen. Die Organisation der Arbeit zu optimieren, sei gerade angesichts der wachsenden Digitalisierung sicher "machbar, ohne Kahlschlag zu betreiben". Dafür dürften aber nicht ohne Debatte Fakten geschaffen und Personal auf dem Stadtplan hin- und hergeschoben werden.

Kritik üben die Grünen: "Gerade für die Bad Godesberger bedeutet diese Entscheidung des OB eine deutlich längere Anfahrtszeit und für mobilitätseingeschränkte Menschen eine deutlich größere Herausforderung", sagt Andreas Falkowski. Zwar müsse allen klar sein, dass es bei den aktuellen Haushaltszahlen der Stadt Bonn kein einfaches "Weiter so wie immer" geben könne. "Doch ob die Schließung der Bürgerbüros hierfür wirklich der richtige Schritt ist, bezweifele ich persönlich. Zu einer bürgernahen Stadtverwaltung gehören auch die dezentralen Anlaufstellen in den Stadtbezirken", so Falkowski. Der OB gehe offenbar "wieder mal seinem 'Hobby' nach, immer alles direkt dicht machen zu wollen", statt gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

Die FDP nennt die geplante Schließung einen "Schlag ins Kontor" - vor allem aus Sicht der älteren Mitbürger. "Das ist wie bei den Schließungs-Tendenzen in der Bad Godesberger Theaterwelt, Wasser auf die Mühlen derer, die diese Entwicklung bereits 1969 bei der Aufgabe der Selbstständigkeit vorausgesehen hatten", sagt FDP-Chef Ulli Hauschild und ergänzt: "Man darf bei bestimmten Entscheidungen nicht alle Stadtbezirke über einen Kamm scheren. Es muss möglich sein, aufgrund der Entfernung und des hohen älteren Bevölkerungsanteils das Bürgeramt zu erhalten". Das will auch Jürgen Bruder (ebenfalls FDP). Er regt an, das tatsächliche Besucheraufkommen im Bürgerbüro auszuwerten. Anhand einer solchen Bilanz könnte man die Öffnungszeiten des Bürgerbüros dem Aufkommen anpassen.

§ 62 der Gemeindeordnung regelt die "Organisationshoheit des OB"

Die Maßnahmen werden der Stadtverwaltung zufolge "im Rahmen der Organisationshoheit des Oberbürgermeisters" gemäß Paragraf 62 der Gemeindeordnung NRW getroffen. Und damit hätten die Bezirksvertretungen in dieser Frage keine Beschlusskompetenz, sondern lediglich ein Informationsrecht. Dieser Paragraf regelt die Kompetenzen des OB, die Organisation der Verwaltung zu leiten, um, so die Erklärung von Juristen, " der Verantwortung gegenüber dem Rat und den Bürgern gerecht werden zu können.

Der Unterschied zwischen einer Entscheidung über die Zukunft von Büchereien oder Schwimmbädern und von Ämtern, die Meldeangelegenheiten regeln, liegt in den Pflichtaufgaben einer städtischen Behörde und freiwilligen Leistungen einer Stadt: Büchereien und Bäder zu unterhalten, sind freiwillige Angebote. Im Gegensatz dazu ist eine Kommune aber verpflichtet, die Dienstleistung einer Kfz-Meldestelle oder eines Einwohnermeldeamts anzubieten.

Wie sie dies organisiert, liegt indes in ihrer Verantwortung. Entscheidungen über den Betrieb von Schwimmbädern oder Büchereien sind politische - also Sache des gewählten Stadtrats.

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