Foto aus Familiennachlass zeigt vermutlich das Innere der abgebrannten Godesberger Synagoge Ein überraschender Fund

Bad Godesberg · "Schauen Sie mal, dieses Foto einer Syngoge von innen habe ich im Nachlass meiner Urgroßmutter gefunden", sagt der ältere Herr. Er stammt aus einer seit Generationen in Godesberg ansässigen Familie, will aber für diesen Bericht lieber anonym bleiben.

 Dieses Foto hat ein Bad Godesberger in einen Familiennachlass gefunden. Es soll die 1939 abgebrannte Synagoge von innen zeigen.

Dieses Foto hat ein Bad Godesberger in einen Familiennachlass gefunden. Es soll die 1939 abgebrannte Synagoge von innen zeigen.

Foto: privat

Das kleine, gestochen scharfe Schwarz-Weiß-Foto habe unter ausschließlich Godesberger Fotos der Vorfahrin gelegen.

"Wegen der hebräischen Schrift bin ich stutzig geworden", berichtet der Mann. Dann habe er sich an Andeutungen in der Familie erinnert, genau diese Urgroßmutter sei jüdischen Glaubens gewesen. Sie sei also nicht wie andere zum Katholizismus übergetreten. "Und dann wusste ich: Das Bild muss das Innere ihrer Synagoge zeigen, die 1939 im Zuge des Novemberpogroms abgebrannt wurde." Der Mann weist auf den für jüdische Gotteshäuser typischen Thoraschrein nebst Treppe und die hebräischen Schriftzeichen auf dem Bild hin. Er ist selbst unzählige Male an der Mauer nebst Gedenktafel in der Oststraße vorbeigelaufen, wo die Synagoge einst stand. Jetzt tut er es nicht mehr ohne Wehmut.

"Das wäre sensationell", wenn nun aus Familienbesitz ein Foto vom Inneren der Godesberger Synagoge aufgetaucht wäre, reagiert Stadtarchivar Norbert Schloßmacher auf die GA-Anfrage sofort elektrisiert. Und er legt die beiden einzigen bekannten Aufnahmen vor, die das 1850 gebaute kleine Gebäude zeigen: Hier ist es jedoch nur aus einer Perspektive und von weitem vor der Godesburg-Kulisse fotografiert. 1910 gibt es schon das Textilgeschäft Schneider schräg gegenüber. Hin und her vergleicht der Stadtarchivar nun die drei Bilder und schaut auf architektonische Details. Ob das Familienfoto wirklich das Innere dieser doch so kleinen Oststraßen-Synagoge abbildet? "Vielleicht", sagt Schloßmacher. "Es bleiben aber Zweifel." Die jedoch letztlich für die Rückbesinnung des Godesbergers nicht entscheidend sei dürften.

Wichtig bleibt, daran zu erinnern, dass auch in Godesberg die mörderische Gewalt ab November 1939 zielgenau in den Holocaust mündete. Wobei der Pogrom selbst in vielen deutschen Städten, so auch in Bad Godesberg, Bonn und Beuel, gar nicht in der Nacht des 9. Novembers, sondern am helllichten Vormittag des 10. Novembers stattgefunden habe, sagt Astrid Mehmel, Leiterin der Gedenkstätte für die Bonner Opfer des Nationalsozialismus. Die offizielle Order aus Berlin sei am 9. November erst um 23.55 Uhr in Berlin rausgegangen. Woraufhin überall SA-Leute zum Brandlegen zusammengetrommelt und die Polizei informiert worden war, nicht einzugreifen: Am Tag danach brannte man also die Synagogen nieder. Die Entrechtung und Verfolgung der Juden wurde drastisch verschärft. Und schließlich schickte das durch Rassenhass befeuerte Naziregime die verbliebenen Godesberger Juden in die Todeslager. Von nennbarem Widerstand der Mitbürger ist wenig bekannt.

Und wie erging es der Urgroßmutter des Godesbergers? Sie sei noch vor dem Pogrom gestorben, erzählt der Mann. Er habe sie als kleines Kind mit seiner Mutter in einer Art Hospiz an der Villichgasse besucht. "Dann war sie plötzlich weg. Und ich bin sicher: Es gab keine Beerdigung." In der Verwandtschaft habe man nie darüber gesprochen.

Ob die Jüdin heimlich unter die Erde kam? Der Mann hat erst vor ein paar Jahren begonnen, sich mit seiner Herkunft zu beschäftigen. Die Zeitzeugen der Familie waren gestorben. So fuhr er nach Israel, knüpfte Kontakte zu dorthin geflüchteten Deutschen. Beim Kramen in alten Kisten ist er dann auf dieses Foto gestoßen, das er immer wieder betrachtet. "Wir sollten nie vergessen, was damals Menschen Menschen antaten", sagt der Mann.

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