Ausländische Patienten an der Uniklinik Eine lange Reise für eine teure Behandlung

BONN · Wie wird man zu einem "Gastpatienten", oft auch "Medizintourist" genannt? Was muss passieren, damit ein Mensch in ein weit entferntes, mit Krankenhäusern und Fachärzten reich gesegnetes, fremdes Land reist? Mohamed M' Barak Shalagam kann davon Zeugnis ablegen.

Der Gesundheitszustand des 35-jährigen Libyers, der in der Oasenstadt Hon wohnt, war Anfang 2014 kritisch. Er hatte Krebs, die Behandlungschancen in seiner Heimat waren gering. Dass er ein Jahr später gesund ist, liegt daran, dass er eine rettende Reise nach Europa in die Bonner Uniklinik gewagt hat. Über seine Erfahrungen in der fremden Stadt, in der er seit mehr als einem Jahr lebt, hat er mit dem GA gesprochen.

Die Krankengeschichte des Libyers begann sich nach einer Krebsoperation 2013 zuzuspitzen. M' Barak Shalagam quälten erneut Schmerzen im Bauch. Für ihn eine dramatische Situation, weil das Gesundheitssystem in seiner Heimat wegen des Bürgerkriegs kaum mehr funktioniert.

Milizen herrschen in den Städten, was viele Mediziner zur Flucht veranlasste, berichtet der 35-Jährige. Einen verdächtigen Befund an seiner Leber ließ er in Tunesien untersuchen, ohne Ergebnis. Die Schmerzen blieben. Zwar garantiert das libysche Grundgesetz seinen Bürgern eine Behandlung in Ländern mit Hochleistungsmedizin, doch Mohamed M' Barak Shalagam wollte die Genehmigung eines Antrags nicht abwarten.

Im Januar 2014 trat er auf eigene Kosten die 2600 Kilometer lange Reise an. Ein Landsmann hatte ihm die Uniklinik empfohlen, wo Chirurg Professor Jörg Kalff Leberkrebs diagnostizierte. Es begann eine lange Behandlung. Für die Uniklinik sind Gastpatienten alles andere als eine "neue Zielgruppe", sagt Khaled Guizani.

Er ist Leiter des "International Medical Service" (IMS), einer Art Clearingstelle für alle ausländischen Patienten. "Viele kamen bereits zur Behandlung, als Bonn noch Hauptstadt war."

Guizani verweist auf die gesundheitliche Notsituation vieler ausländischer Patienten. "Die reisen nicht Tausende Kilometer, um das Phantasialand zu besuchen." Die Kontakte werden wie im Fall des Libyers über Mund-zu-Mund-Propaganda, vor allem aber via Internet hergestellt. In vielen Ländern wie Katar, wo der Staat die Kosten für die Behandlung seiner Bürger trägt, koordiniert dann die Botschaft alle weiteren Maßnahmen, erklärt der aus Tunesien stammende Guizani.

Natürlich ist die Bezahlung ein zentrales Thema. Wenn keine Botschaft bürgt, muss der Patient in Vorleistung treten. "Um die Kosten kalkulieren zu können, bestehen wir vor der Behandlung auf einem umfassenden Befund", betont der IMS-Leiter.

So versuche man Fälle zu vermeiden, wie sie Mohamed M' Barak Shalagam auch aus Bonn kennt: "Anderen Gastpatienten ging das Geld aus, und sie mussten die Behandlung beenden." Er kann die Kosten von rund 150 000 Euro tragen, weil er erfolgreich mit Klimageräten handelt, aber auch, weil er auf seine Hochzeit verzichtet hat, sagt M' Barak Shalagam.

Viel kostet ihn auch die Unterbringung. Hotels waren ihm auf Dauer zu teuer. Schließlich ist er auf die Pflege seines 27-jährigen Neffen angewiesen. Viele Angebote registrierte er in Bad Godesberg - "aber zu extrem teuren Mieten". Die Anbieter waren auf Medizintouristen spezialisiert, Verträge wurden nur kurzzeitig abgeschlossen.

Während der ersten fünf Monate habe er in Bad Godesberg in einem 50-Quadratmeter-Apartment für 1500 Euro im Monat gewohnt, was der Vermieter ihm als "Freundschaftspreis" angepriesen habe. Eine neue Wohnung in Mehlem war ähnlich groß und kostete "nur" 1200 Euro. Mittlerweile lebt er im Johanniterviertel. Er zahlt 850 Euro für drei Zimmer, die Vermittlung lief über einen normalen Makler.

Bonn wird er in guter Erinnerung behalten, auch wenn die Stadt beschaulicher als gedacht sei. Vor allem weil hier sein Lebertumor entfernt wurde und die lange Therapie Erfolg hatte. Nach knapp eineinhalb Jahren Behandlung in der Uniklinik gilt er jetzt als gesund. Einige Untersuchungen stehen noch aus, im Herbst geht es zurück in die Heimat. Er will jedoch versuchen, für Kontrolluntersuchungen wieder nach Bonn zu kommen.

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