Zwitschernde Vögel Eine Wanderung über das Annaberger Feld

Kottenforst · Das "Müllerchen" auf dem Baum und der Steinschmätzer im Gras: Eine Wanderung mit Vogelkundler Peter Tröltzsch von der Biostation Bonn über den Naturhotspot Annaberger Feld.

 Die Goldammer hat wenig Berührungsängste – sie schätzt die Obstbäume entlang des Weges zum Annaberger Hof.

Die Goldammer hat wenig Berührungsängste – sie schätzt die Obstbäume entlang des Weges zum Annaberger Hof.

Foto: Stefan Knopp

Wenn man nicht nur der frischen Luft wegen über das Annaberger Feld spaziert, sondern sich auch für die dortige Tierwelt interessiert, sollte man ein Fernglas mitnehmen, oder besser noch ein Spektiv – die moderne digitale Version des Fernrohrs, des Ornithologen wichtigstes Werkzeug. Denn die Fauna versteckt sich im Gras oder posiert auf entfernten Zaunpfählen. Peter Tröltzsch ist einer dieser Ornithologen. Er hält immer wieder an und blickt in die Ferne. Da, im Gras, ein Braunkehlchen: „Die sind auf Pferdeweiden zu finden“, sagt der Natur- und Landschaftsökologe von der Biologischen Station Bonn/Rhein-Erft. Nicht weit entfernt fliegt ein Schwarzkehlchen, eine Gartengrasmücke, und zwischen den Pferden landet der Rotmilan.

Der Startpunkt für eine Wanderung dorthin muss danach gewählt werden, wie weit man zu gehen bereit ist. Man kann in Villiprott auf dem Wanderparkplatz nahe der Gaststätte Waldesruh beginnen und in diese nach der Rückkehr in normalen Zeiten auch einkehren. Der direkte Weg zum Feld führt allerdings gut fünf Kilometer über den Langeweg, die Venner Allee und die Kreuzberger Allee durch den Wald, inklusive eines Rundgangs über das Feld und dem Rückweg muss man also schon um die zwölf Kilometer einrechnen.

Jede Menge Gesang zwischen den Bäumen

Dafür kommt man an dem Kunstprojekt „Zeitenwende“ vorbei. Das Regionalforstamt Rhein-Sieg-Erft macht auf einer durch Borkenkäferfraß und Dürre entstandenen Kahlfläche gemeinsam mit dem European Forest Institute (EFI) und dem Projekt „Life+ Villewälder“ auf das Waldsterben im Kottenforst und die Bedeutung der Wälder für Mensch und Planet aufmerksam. Vor abgestorbenen Bäumen wurde das Wort „Zeitenwende“ installiert, diesem gegenüber die Skulptur „Engel der Kulturen zur Zeitenwende“.

Kürzer ist der Weg vom Wanderparkplatz am Gudenauer Weg in Ippendorf oder von der Waldau aus über den Naturlehrpfad zum Feld. Oder man geht von Schweinheim aus die Venner Straße entlang. Im Wald kann man dieser Tage jede Menge Gesang hören, und der Schwarzspecht, laut Tröltzsch der zweitgrößte seiner Art in Europa, klopft dazu den Rhythmus. „Das ist ein typischer Begleiter des Buchenwaldes. Und es ist einer der Vögel, wegen denen der Kottenforst ein geschütztes Gebiet ist.“ Dann steht man am Rand des Annaberger Feldes, das an vielen Stellen von der Sternmiere mit ihren kleinen weißen Blüten gesäumt ist. Sie ist im wahrsten Sinne des Wortes bezeichnend für den Waldlebensraum dort, sagt Tröltzsch: Es handelt sich um einen „Sternmieren-Stieleichen-Hainbuchenwald“, eine Kombination, die in ganz Deutschland anzutreffen ist.

Das Feld selbst bietet viele Möglichkeiten für unterschiedliche Vogelarten: Die Misteldrossel, Deutschlands größte Drosselart, stolziert gerne mit hoch erhobenem Kopf über die Pferdeweiden. Dort findet man mit Blick durchs Spektiv auch die Ringdrossel und den Steinschmätzer.

Die Goldammer schätzt die Obstbäume entlang des Weges, der quer übers Feld zum Annaberger Hof führt, und begleitet Spaziergänger gerne mal ein Stück. Verborgen in den Zweigen trällert die Klappergrasmücke, auch „Müllerchen“ genannt, weil ihr Ruf an eine klappernde Mühle erinnert. Auf den Weiden sieht man etwas hellere Grasflächen, „Pseudogley“, erklärt Tröltzsch. „Die Bäche auf dem Villerücken bilden Staunässe.“ Dadurch entstehen immer wieder Wasserlachen, die interessant sind für Watvögel wie Bekassine und Grünschenkel, die auf dem Weg nach Süden oder Norden dort rasten.

Eine Regel für den Ornithologen: „Immer die Zaunpfähle absuchen“, so Tröltzsch. „Da sitzen oft die spektakulären Arten drauf.“ Er hofft, allerdings an dem Tag vergebens, auf das Gartenrotschwänzchen. Der Naturschutzbund Deutschland hat für diesen Besucher auch eigens Brutkästen aufgehängt, die erst im April geöffnet werden, wenn Frühbrüter wie die Meisen schon in den Nestern sitzen und Spätbrüter wie der Sumpfrohrsänger noch nicht aktiv sind. Bislang konnte das Gartenrotschwänzchen nicht gehalten werden.

„Wir haben hier viele Rastvogelarten, von denen einige das Potenzial hätten, hier zu brüten.“ Aber man kann nicht alles haben, da das Feld Weidefläche für die Pferde des Annaberger Hofs ist. Immerhin kommt der Besitzer des Areals, Alexander Graf von Westerholt Tröltzsch, den Mitarbeitern der Biostation zufolge, die sich auch um die Obstbäume kümmern, in vielen Belangen entgegen.

Und er lässt Bauminseln auf den Weiden stehen. „Die bilden einen eigenen Mikrokosmos“, sagt der Ornithologe. Sie werden von allen Seiten beschienen, „dadurch ist die Insektenaktivität immer hoch“. Ideale Bedingungen zum Beispiel für den Neuntöter. Und für manche Vögel, etwa den Star, ist diese Weidestruktur zusammen mit dem offenen Wald genau das Richtige.

Der GA stellt in den kommenden Wochen in lockerer Folge besondere Naturlandschaften in Bad Godesberg und Wachtberg vor.

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